Mexiko-Stadt. Mexikos Regierung legt Hilfsprogramme für von Abschiebung bedrohte Migranten auf. Einige Städte haben den Notstand ausgerufen.

In Tijuana, Ciudad Juárez und all den großen und kleinen Orten entlang der dreitausend Kilometer langen Grenze zwischen Mexiko und den USA spielen sich dieser Tage Szenen der Hoffnungslosigkeit ab. Verzweifelte Menschen, oft aus Venezuela und Kolumbien, sitzen in der Januarkälte und wissen nicht, was zu tun. Sie können nicht vor und wollen nicht zurück. Viele können auch schlicht nicht zurück, weil sie kein Geld mehr haben oder daheim alles verkauft wurde, um den „sueño americano“ zu wagen, den Traum von einem Leben in den USA. 

Es sind die Menschen, die noch hofften, einen Asyltermin vor der Trump-Amtsübernahme zu bekommen. Aber „CBP One“, die App, mit der Migranten eine Anhörung bei den US-Behörden beantragen konnten, war schon wenige Minuten nach Trumps Amtsantritt abgeschaltet: „Nicht mehr verfügbar“. Dazu der Hinweis auf Englisch, Spanisch und dem Créole des Inselstaates Haiti: „Alle noch anberaumten Interviewtermine sind gestrichen.“

„Mexiko wird alles Notwendige tun, um die Abgeschobenen zu betreuen“

Diese Menschen aus aller Herren Länder sitzen nun fest in den Grenzorten. Derweil bereiten sich die Städte auf einen viel größeren Ansturm vor, der schon bald von jenseits der Grenze kommen könnte, wenn der neue US-Präsident das wahr macht, was er seit Monaten ankündigt: die Festnahme und umgehende Abschiebung der Menschen, die ohne gültigen Aufenthaltstitel in den USA leben. Geschätzt fünf Millionen unter ihnen sind Mexikanerinnen und Mexikaner, die vor allem in der Landwirtschaft, auf dem Bau, im Gesundheitssektor und als Servicekräfte in Gastronomie und Hotels arbeiten. Trumps Idee ist es, 20 Millionen Migranten ohne Papiere abzuschieben oder mindestens eine Million pro Jahr. Das wäre mehr als das Doppelte des höchsten Abschiebevolumens in der Geschichte der USA. Das war 2012 erreicht worden, als der Demokrat Barack Obama regierte. 

Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum versichert, ihr Land und seine Wirtschaft seien vorbereitet und „stark genug“, um die ausgewiesenen Landsleute aufnehmen zu können. Alle 53 Konsulate in den USA seien instruiert. Es gibt eine 24-Stunden-Hotline. Und mit der „ConsulApp“ kann man bei einer drohenden Abschiebung das nächstgelegene mexikanische Konsulat in den USA kontaktieren. 

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Anfang der Woche legte die Bundesregierung zudem das Programm „México te abraza“ (Mexiko umarmt dich) auf, das den Abgeschobenen erste Hilfe zukommen lässt. „Mexiko wird alles Notwendige tun, um die Abgeschobenen zu betreuen und ihnen die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie nach Hause zurückkehren können“, sagte Innenministerin Rosa Icela Rodríguez. So würden Ausweisdokumente ausgestellt, die Menschen erhielten zudem 2000 Peso (rund 95 Euro) Fahrtgeld und würden umgehend in die Sozialversicherung IMSS aufgenommen, damit sie Zugang zur kostenlosen Gesundheitsversorgung bekommen. Auch soll Unterstützung bei der Jobsuche und dem Zugang zu Ausbildungsstipendien geleistet werden.

Trumps Massenausweisungen: Experten fürchten, dass Mexiko nicht vorbereitet ist

Städte wie die Millionenmetropole Tijuana am Pazifik, die gegenüber San Diego liegt, rief unterdessen den Notstand aus angesichts der erwarteten Rückführungen. Damit werden finanzielle Mittel freigemacht, um unter anderem noch sieben zu den bereits 40 bestehenden Herbergen zu bauen. Darüber hinaus soll zusätzliches Personal eingestellt und Rechtsberatung angeboten werden. Ziel sei es, eine „würdige Behandlung“ für die abgeschobenen Migranten sicherzustellen, sagte Tijuanas Bürgermeister Ismael Burgueño. 

First Groups Of Deportees Of New Trump Era Are Sent Back To Mexico
Die „BP One“-App, mit der Migranten eine Anhörung bei den US-Behörden beantragen konnten, war schon wenige Minuten nach Trumps Amtsantritt abgeschaltet © Getty Images | John Moore

Experten bezweifeln, dass Mexiko in der Lage ist, den Rückkehrern Lohn, Brot und Perspektive bieten zu können. „Das Land ist schlicht nicht auf die Aufnahme von zigtausend rückkehrenden Landsleuten vorbereitet, die zum Teil viele Jahre im Ausland gelebt haben“, sagt Migrationsexpertin Guadalupe González. „Es wird zwar mehr getan als je zuvor, aber im Allgemeinen ist Mexiko besser darin, Migranten in den USA beizustehen, als sie daheim wieder aufzufangen und einzugliedern“, ergänzt die Forscherin an der Hochschule Colegio de México. Auch andere Analysten stimmen darin überein und sagen: Mexiko habe in der Vergangenheit vor allem die Migration kontrolliert und durch das eigene Land gesteuert, sich aber nie wirklich um die Aufnahme oder Beschäftigung von Menschen oder Rückkehrern Gedanken gemacht.

Zudem habe die massive Rückkehr auch einen großen finanziellen Nachteil, unterstreicht González. Die insgesamt zwölf Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner in den USA haben allein im vergangenen Jahr rund sechs Milliarden Dollar an die Familien daheim überwiesen. Ein wichtiger Devisenzufluss fürs Land und eine soziale Abfederung für zumeist in Armut lebende Bevölkerungsteile. Diese „Remesas“ genannten Auslandsüberweisungen würden mutmaßlich in diesem Jahr deutlich sinken, sagt González. 

Sicherheitsexpertin Guadalupe Correa-Cabrera glaubt zudem, dass die meisten der Abgeschobenen erneut den Grenzübertritt wagen würden. „Viele sind aus Mexiko zu lange weg, zu sehr in den USA verwurzelt und sehen für sich keine Perspektive in der alten Heimat.“ Daher seien Schlepper und Menschenhändlerringe die großen Nutznießer der Massenabschiebungen, betont die Professorin an der George Mason University in Arlington.