Mexiko-Stadt. Embraer baut schon heute Flugzeuge für Lufthansa und Co. Mit Pannenserie bei Airbus und Boeing könnte er zum Global Player aufsteigen.
Wenn man den Aktienkurs zum Maßstab des Erfolgs eines Unternehmens nimmt, dann geht es Embraer gut. Und noch bessere Zeiten stehen offenbar bevor. In diesem Jahr ist das Papier des brasilianischen Flugzeugbauers bis Ende März um mehr als 50 Prozent gestiegen. Befeuert wurde die Hausse zusätzlich von einer Analyse der US-Investmentbank Morgan Stanley. Darin wird die „Empresa Brasileira de Aeronaves“ (Embraer) Mitte März in einer 34-seitigen Analyse nachhaltig zum Kauf empfohlen. Die Bank verdoppelte ihr Kursziel für den drittgrößten Konstrukteur nach Airbus und Boeing und erklärte das Unternehmen zu ihrem Favoriten im globalen Luftfahrtsektor.
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Nachdem Embraer von den Anlegern jahrelang als Regional- und Nischenanbieter in der Luftfahrt betrachtet wurde, schließt es zunehmend die Lücke zu den beiden Big Playern, von denen vor allem das US-Unternehmen Boeing in einer veritablen Krise steckt. Embraer sei in der Lage, „das Duopol von Boeing und Airbus zu brechen“, schreiben die Luftfahrtanalysten von Morgan Stanley. Gemäß der Bank ist das brasilianische Unternehmen am besten in der Lage, auf die komplexen Herausforderungen des globalen Flugmarktes zu reagieren. Künftig werde die Nachfrage an Jets das Angebot an Flugzeugen auf dem Weltmarkt übersteigen. Und die Brasilianer könnten einen Teil der Kaufinteressen decken, die Boeing und Airbus nicht befriedigen können.
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Embraer ist im Vergleich zu den zwei Großen ein relativ kleiner, aber schlanker und daher auch flexiblerer Hersteller, der viel in Forschung, Technologie und neue Märkte investiert. Gleichzeitig ist das Unternehmen aber auch im zivilen und militärischen Flugzeugmarkt gut aufgestellt. Anders als Airbus und Boeing bauen die Brasilianer aber bisher keine Großraumflugzeuge für die Langstrecke. Von den 18.000 Mitarbeitern sind allein 3000 Ingenieure. Zum Vergleich: Boeing beschäftigt fast das Zehnfache an Mitarbeitern (171.000). Und Airbus hat an seinen vielen verstreuten Standorten rund 131.000 Angestellte.
So wird Embraer zum Profiteur der Krise von Boeing und Airbus
Die Südamerikaner profitieren von der Schwäche der Konkurrenz. Während der US-Hersteller Boeing wegen der inzwischen jahrelangen Absturz- und Pannenserie der Modelle 737 Max 8 und Max 9 in der größten Krise seiner Geschichte steckt, kommt der europäische Hersteller Airbus kaum mit der Produktion hinterher. Airbus sitzt auf prallvollen Auftragsbüchern. Ende 2023 belief sich der Auftragsbestand für Passagier- und Frachtjets über alle Modellreihen hinweg auf fast 8600 Maschinen. Die Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320 Neo sind sogar so stark gefragt, dass vor Ende des Jahrzehnts praktisch keine Luft mehr in der Produktion ist.
In diese Lücke stößt Embraer mit seinen Kurz- und Mittelstreckenjets aus der E-Modellreihe, die in der modernen E-2-Reihe maximal für 144 Passagiere ausgelegt sind. Im Vergleich: Die Boeing 737-Max 8 kann bis zu 160, der A 320 Neo bis zu 180 Passagiere von A nach B bewegen. Aber die neuen Embraer sind eben schneller verfügbar, zudem auf dem neuesten Stand, was Verbrauch und Lärmbelästigung angeht. Und sie fliegen mittlerweile auch rund 4000 Kilometer weit.
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Für die Brasilianer wäre ein Auftragsplus bei diesen Maschinen sehr willkommen, denn mit dieser Modellfamilie erzielt Embraer rund die Hälfte seines Umsatzes. 2023 hatte die kommerzielle Luftfahrtsparte einen Auftragsbestand von 8,8 Milliarden Dollar. In Europa haben vor allem die niederländische KLM Embraer-Maschinen in ihrer Flotte, aber auch Lufthansa und in der LH-Gruppe besonders Austrian Airlines. Zudem fliegt die polnische Fluglinie LOT gerne Embraer-Jets. Die US-Fluggesellschaft American Airlines hat gerade erst 90 der kleinen E-175-Clipper fest geordert. Die Zahl der zur Auslieferung anstehenden Flugzeuge bei Embraer lag im Dezember bei 388 Einheiten, dem höchsten Stand seit dem zweiten Quartal 2018.
Vergangenes Jahr lieferte der Konstrukteur insgesamt 181 Flugzeuge aus, darunter waren 2 Flugzeuge der Militärsparte aus der C-Serie sowie 49 Geschäftsreiseflugzeuge. Diese kleinen Businessjets sind ebenfalls ein lukrativer Geschäftszweig für das Unternehmen aus São José dos Campos, unweit der Metropole São Paulo. Zum Vergleich: Boeing übergab 528 Jets, Airbus lieferte 735 aus.
Was Embraer tun muss, um mit internationaler Konkurrenz mitzuhalten
Um langfristig zu den beiden ganz Großen am Markt aufschließen zu können, müsste Embraer nach Auffassung von Luftfahrtexperten auch Langstreckenjets bauen. Für Francisco Gomes Neto, seit April 2019 CEO von Embraer, ist das noch Zukunftsmusik. Frühestens in zwei Jahren wolle er mal darüber nachdenken, sagte er jüngst der „Neuen Zürcher Zeitung“.
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Denn im Moment konzentrieren sich die Brasilianer eher auf das Gegenteil von Langstrecke und Großvolumen. Embraer arbeitet an einer Modellfamilie mit kleinen Jets mit bis zu 50 Passagieren. Vor allem aber tüftelt das Unternehmen seit 2017 ambitioniert an seinem „Eve Air Mobility“-Projekt, also an der Idee einer urbanen Luftmobilität per Flugtaxi. In gewisser Weise inspiriert von den gigantischen Staus der Megalopolis São Paulo ist das der Versuch, die Mobilität der Menschen in Städten auf der ganzen Welt zu verbessern. Diese EVE-Flugtaxis können perspektivisch vier Passagiere plus Pilot transportieren und annähernd 100 Kilometer weit fliegen. Der Antrieb ist voll elektrisch.
Stolz verkündete CEO Gomes Neto, sein Unternehmen habe für die Flugtaxis schon Aufträge im Wert von fünf Milliarden Dollar. 2027 sollen die ersten Lufttaxis flugbereit sein. Embraer wolle weltweiter Marktführer für nachhaltiges Fluggerät werden, unterstrich der Vorstandsvorsitzende.