Washington. Der neue Präsident plant im Pentagon einen Loyalitäts- und Eignungscheck. Viele Generäle könnten dem zum Opfer fallen.

Seit US-Medien von einer Liste mit hohen Kommandeuren aller Militärgattungen berichten, die nach der Amtseinführung von Donald Trump entlassen werden sollen, weil sie eine von ihm als „woke“ (hier linksliberal, progressiv) verachtete Politik betrieben hätten, herrschte im Pentagon Unruhe. Jetzt gibt es das erste Opfer: Admiralin Linda Fagan, die Chefin der US-Küstenwache, ist am Dienstag ohne Begründung entlassen worden. Pete Hegseth, Wunschkandidat Trumps für den Spitzenposten des Verteidigungsministeriums, hat die Befürchtungen in seiner hitzig-emotionalen Anhörung im Senat Mitte Januar größer werden lassen, dass das nur der Auftakt war.

Der kampferfahrene TV-Moderator hatte sich bereits vorher abfällig über Initiativen für Vielfalt und Gleichberechtigung im Militär geäußert, also die Integration von Frauen, gesellschaftlichen Minderheiten und Transgender-Menschen. Er hatte offen die Frage gestellt, ob der oberste US-General seinen Job vor allem deshalb bekommen hat, weil seine Hautfarbe schwarz ist. 

Die Rede ist von C.Q. Brown, General der Luftwaffe. Der aktuelle Chef der Joint Chiefs of Staff, ein weithin respektierter ehemaliger Kampfpilot, hält sich meist aus der Politik heraus.  In den Tagen nach der Ermordung von George Floyd durch einen Polizeibeamten in Minneapolis im Mai 2020 veröffentlichte er eine Videobotschaft über Diskriminierung in den Rängen und sprach sich für Vielfalt im US-Militär aus – für Donald Trump ein Frevel, den bis heute nicht verziehen hat und auf Rache sinnt.

Armed Forces Farewell Tribute Honors Defense Secretary Lloyd Austin
Charles Brown ist der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, ranghöchster US-Militär. Der Lufwaffen-General steht dem Vernehmen nach bei Trumps designiertem Verteidigungsminister Pete Hegseth auf der Abschussliste. © Getty Images via AFP | ALEX WONG

Das konservative „Wall Street Journal“, sonst oft an Trumps Seite, ist dagegen. „Das Militär ist nicht der Feind von Herrn Trump, und eine Mentalität der Säuberung wird politische Probleme heraufbeschwören und die Ränge demoralisieren“, schreibt das Blatt. Hintergrund: Es bekam ein Papier zugespielt, wonach eine Gruppe ehemaliger Trump-naher Offiziere künftig über die Eignung der derzeitigen Generäle entscheiden soll. Darunter solche, die für die Entlassung von rund 8000 Soldaten Verantwortung tragen, die sich während der Corona-Pandemie einer verpflichtenden Schutz-Impfung verweigerten. In seiner Antrittsrede kündigte Trump am Montag an, dass alle Betroffenen wieder in den Dienst eintreten können – samt Entschuldigung der US-Regierung und rückwirkend ausgezahlte Sold.

Säuberung könnte die Truppe „demoralisieren“

Dahinter steht Trumps allgemein düstere Sicht auf seine Militärführer, die ihn während der ersten Amtszeit an vielen Stellen – von seiner tiefen Skepsis gegenüber der Nato bis hin zu seiner Bereitschaft, Truppen einzusetzen, um zivile Proteste auf den Straßen der USA zu unterdrücken - regelmäßig gebremst hatten. 

Trumps ehemalige US-Generäle und Verteidigungsminister von Jim Mattis bis Mark Esper gehören bis heute zu seinen schärfsten Kritikern. Sie halten ihn für inkompetent und gefährlich. Der ehemalige Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, General Mark Milley, nannte Trump einen Faschisten, der bereit sei, die amerikanische Verfassung zu brechen. Trump schwadronierte davon, dass Leute wie Milley früher die Todesstrafe bekommen hätten. Milleys Ehren-Bild in Öl im Pentagon wurde vor wenigen Tagen abgehängt.

Trump hat angedeutet, dass das US-Militär bei vielen seiner politischen Prioritäten eine wichtige Rolle spielen könnte: von der Nationalgarde und möglicherweise von Truppen im aktiven Dienst bei einer Massendeportation von illegalen Einwanderern bis hin zum Einsatz bei inneren Unruhen.

Ex-General Mark Milley nannte Trump einen Faschisten. Trump schwadronierte über die Todesstrafe für den ehemaligen Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff.
Ex-General Mark Milley nannte Trump einen Faschisten. Trump schwadronierte über die Todesstrafe für den ehemaligen Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff. © AFP | SAUL LOEB

Solche Vorschläge beunruhigen Militärexperten. Sie sagen, dass der Einsatz des Militärs auf amerikanischen Straßen nicht nur gegen Gesetze verstoßen würde, sondern auch einen Großteil der Bevölkerung gegen die Streitkräfte aufbringen könnte. In einer Botschaft an die Streitkräfte nach Trumps Wahlsieg betonte der frühere Verteidigungsminister Lloyd Austin demonstrativ, dass das Militär „alle rechtmäßigen Befehle“ seiner zivilen Führung befolgen werde. Die Betonung lag auf „rechtmäßig”.

Und was ist bei rechtlichen Anordnungen, die einzelne Truppen-Teile für moralisch falsch oder gesetzwidrig halten? „In der Öffentlichkeit herrscht die Fehlannahme, dass das Militär unmoralische Befehle missachten kann. Das ist jedoch nicht der Fall“, sagt Kori Schake vom konservativen American Enterprise Institute. Sie warnte bereits kurz nach dem Wahlsieg im November davor, dass es in einer zweiten Amtszeit von Trump zu Entlassungen auf hoher Ebene und Chaos kommen könnte. 

Pete Hegseth warf dem Apparat, ohne Belege zu nennen, schweres Fehlverhalten vor. „Jeder in diesem Raum weiß, dass man als einfacher Soldat, der sein Gewehr verliert, mit dem Militär-Gesetz in Konflikt gerät. Aber wenn man als General einen Krieg verliert, wird man befördert.“ 

Von ihm erwartet sich Trump hartes Durchgreifen gegen Top-Militärs, die sich nicht fügen: Pete Hegseth, der designierte Verteidigungsminister, ein ehemaliger TV-Moderator.
Von ihm erwartet sich Trump hartes Durchgreifen gegen Top-Militärs, die sich nicht fügen: Pete Hegseth, der designierte Verteidigungsminister, ein ehemaliger TV-Moderator. © AFP | ALLISON ROBBERT

Darum werde im Fall seiner Ernennung eine neue „Rechenschaftspflicht“ eingeführt, der sich alle Ebenen des rund drei Millionen Menschen starken US-Militärs unterziehen müssten. Hegseth betonte, dass für ihn alles durch das Prisma des „Kriegskämpfers“ gebrochen werden. Nur noch Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit zählten. Er versprach, dass „jeder einzelne leitende Offizier auf der Grundlage von Leistungsprinzip, Standards, Tödlichkeit und der Verpflichtung gegenüber rechtmäßigen Befehlen, die ihm erteilt werden, überprüft wird.“

Das Prisma des „Kriegskämpfers”

Hochrangige Verteidigungsbeamte erklärten gegenüber US-Medien, es wachse die Sorge, dass Trump vor allem zivile Berufsbeamte aus dem Ministerium entfernen würde. Sie gehören zu den fast 950.000 nicht uniformierten Mitarbeitern, die wegen jahrelanger Fachkenntnisse geschätzt werden. Für Trump stellen sie offenbar eine Bedrohung seiner Autorität dar.