Berlin. Die Absage des Verteidigungsministers kommt dramatisch spät. Der Kandidat Scholz hat bereits Schaden genommen und braucht jetzt ein Wunder.
Wenn Politikwissenschaftler künftig ein Seminar über taktische Fehler bei der Aufstellung von Spitzenkandidaten geben, haben sie seit dieser Woche ein neues Referenzbeispiel. Schlimmer als das Hickhack um die Nummer 1 bei der Wahl am 23. Februar geht’s nimmer.
Die verkorkste Nominierung des SPD-Spitzenkandidaten für die vorgezogene Bundestagswahl ist eine atemberaubende Fehlleistung des amtierenden Kanzlers, der Parteiführung, einflussreicher Landesverbände und des Publikumslieblings Boris Pistorius, der jetzt viel zu spät die gefährliche Kandidatendebatte beendet hat. Alle gemeinsam haben dafür gesorgt, dass eine fast aussichtslose Lage der SPD zur Mission Impossible wird.
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Olaf Scholz: In einem Moment lieferte er Führung
Die SPD hat in diesen chaotischen Tagen dem Wahlvolk eindrucksvoll gezeigt, dass sie nicht einmal selbst geschlossen an den eigenen Kanzler glaubt. Wie soll dann Deutschland an ihn glauben?
Nach dem Rauswurf von Christian Lindner gab es einen der seltenen Momente, in denen Olaf Scholz die Führung lieferte, die bei ihm bestellt war. Er hatte Christian Lindner überrumpelt und war über Nacht im Fahrersitz und hätte mit der Partei hochschalten müssen. 1. Gang: Blitzschnelle Kür zum offiziellen Kanzlerkandidaten. 2. Gang: Geschlossenes Auftreten des Führungsteams. 3. Gang: Kluge Kommunikation in die Partei und Einschwören auf einen Überraschungssieg. 4. Gang: Frontalangriff auf den politischen Gegner.
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Stattdessen hat man gemeinsam den Leerlauf eingelegt und den Motor aufheulen lassen. Jetzt steht man immer noch auf der Startlinie, alle sind genervt und am Horizont sieht man die Rücklichter von Friedrich Merz. Crashpilot Boris Pistorius hat jetzt abgesagt und zumindest für klare Verhältnisse im SPD-Cockpit gesorgt. Aber die Partei und ihr Spitzenkandidat Scholz haben gewaltig Schaden genommen und niemand hat eine Idee, wie er bis zum 23. Februar repariert werden kann.
Der CDU-Chef musste in diesen verrückten Tagen gar nichts machen oder sagen. Er hätte entspannt durch den Briloner Stadtwald wandern und nach den letzten Pilzen sehen können. Seinen Wahlkampf besorgte zuverlässig das Team SPD. Am 16. Dezember stellt der Kanzler und Kanzlerkandidat im Parlament die Vertrauensfrage. Wenn die Abgeordneten ihm dieses entzogen haben, stellt sich die nächste Frage: Vertrauen die Wählerinnen und Wähler Olaf Scholz noch?
Der beliebteste Politiker Deutschlands hat die Lage schlimmer gemacht
Die wenigen, die noch an ihn glauben, hat die Partei maximal verunsichert. Mit Franz Müntefering, Sigmar Gabriel und Norbert Walter-Borjans hatten gleich drei ehemalige SPD-Vorsitzende die alleinige Kandidatur des Mannes in Frage gestellt, der für die SPD nach 16 Jahren wieder das Kanzleramt erobert hatte. Jetzt müssen sie Olaf Scholz wieder unterstützen, weil es keine Alternative mehr gibt. Wer solche Parteifreunde hat, braucht wirklich keine Feinde mehr.
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Verunsichert bleibt die Parteibasis zurück und im Willy-Brandt-Haus sollte man sich um deren Motivation sorgen. Wer klappt schon gerne im Schneeregen die Infotische aus oder friert sich beim Kleben der Scholz-Plakate die Finger ab, wenn die Parteiführung die kleine Chance auf Sieg ruiniert hat?
Und auch der beliebteste Politiker Deutschlands hat die Lage schlimmer gemacht. Boris Pistorius, eigentlich das größte Pfund im Team SPD, ließ den Kanzler mit seinen mehrdeutigen Aussagen tagelang zappeln und provozierte damit gleichzeitig die Frage: Was kann Pistorius eigentlich besser? Die Antwort darauf fiel nicht überall in der Partei zu seinen Gunsten aus.
Der Spitzenkandidat Olaf Scholz wird nach diesem Chaos erstmal zu Kräften kommen und wieder ganz unten anfangen müssen. Auf 14 Prozent ist die SPD gefallen und nach diesen Tagen ist der Boden noch längst nicht in Sicht.