Berlin. Die Linkspartei könnte bei Neuwahlen hochkant aus dem Bundestag fliegen. Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch haben einen Plan.

Am Mittwoch wollen sie ihre Pläne in Berlin vorstellen. Die „drei alten Herren und Genossen und Kerle“, wie Gregor Gysi das ausdrückt. Es geht ihnen darum, die Linkspartei aus der Todeszone zu holen und einen Beitrag dazu zu leisten, dass ihre Partei auch nach den für Februar 2025 geplanten Neuwahlen mit einer größeren Anzahl Abgeordneter im Deutschen Bundestag vertreten sein wird. „Aktion Silberlocke“ haben sie das Unterfangen getauft.  

Die drei Herren sind prominent, aber tatsächlich nicht mehr jung. Vielmehr haben sie längst das Rentenalter erreicht: Linken-Urgestein Gysi wird Anfang kommenden Jahres 77 Jahre alt. Bodo Ramelow, geschäftsführender Ministerpräsident in Thüringen, feiert kurz vor dem geplanten Wahltermin seinen 69. Geburtstag. Der dritte und jüngste im Bunde wiederum, der langjährige Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch, steuert auf die 67 zu.

Dietmar Bartsch und Gregor Gysi
Die Linken-Politiker Dietmar Bartsch (links) und Gregor Gysi prägen seit Jahrzehnten ihre Partei. Bei der geplanten Neuwahl zum Bundestag im Februar wollen sie noch einmal antreten. Zusammen mit Thüringens Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow haben sie vor, sich in aussichtsreichen Wahlkreisen um Direktmandate zu bewerben. © DPA Images | Kilian Genius

Gysi, Bartsch, Ramelow: Linken-Trio will Direktmandate holen

Am Mittwochvormittag nun werden die drei gemeinsam in der Bundespressekonferenz auftreten und so gewissermaßen den offiziellen Startschuss für ihre Aktion Silberlocke geben. Die sieht im Kern so aus: Jeder der drei will sich in einem aussichtsreichen Wahlkreis um ein Direktmandat bemühen. Drei Direktmandate müsste die Linke mindestens holen, um gemäß ihres Zweitstimmen-Ergebnisses wieder in den Bundestag einzuziehen – sofern sie wie bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhält. Wenn bereits am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, würde die Linke sehr wahrscheinlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Mithilfe der so genannten Grundmandatsklausel könnte sie das aber wettmachen – so wie bereits 2021.

Gysi will wird wieder im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick antreten, den er bereits fünf Mal gewonnen hat. Ramelow, der in seiner Wahlheimat Thüringen weiterhin sehr populär ist, will es in Erfurt wissen. Dort holte er im September das Direktmandat bei den Landtagswahlen, eigentlich wollte er in der Landespolitik bleiben. Angesichts der Misere seiner Partei im Bund überlegte er sich das aber offenkundig anders.

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Linkspartei: Nach der Abspaltung der Wagenknecht-Truppe nur noch ein Schatten ihrer selbst

Bartsch wiederum hofft, seinen Rostocker Wahlkreis erstmals direkt gewinnen zu können. Er hatte sich lange offengehalten, ob er sich überhaupt noch einmal um ein Mandat bemühen wird. In Erfurt und Rostock waren bei den vergangenen Bundestagswahlen jeweils Sozialdemokraten siegreich. Die könnten nach dem glanzlosen Ende der Ampel-Koalition nun aber einen schweren Stand haben.

In den bundesweiten Umfragen liegt die Linke derzeit bei drei bis vier Prozent. Nach der Abspaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Anfang dieses Jahres ist die einstige ostdeutsche Volkspartei nur noch ein Schatten ihrer selbst. Im Bundestag verlor sie ihren Fraktionsstatus und firmiert dort nur noch als Gruppe. Fliegt sie im Februar aus dem Parlament, droht die völlige Bedeutungslosigkeit.

Gregor Gysi und Bodo Ramelow (rechts) in diesem Sommer im Landtagswahlkampf in Thüringen. Ramelow leitet übergangsweise noch die Regierungsgeschäfte im Freistaat. Er will sich in Erfurt um ein Bundestagsmandat bemühen.
Gregor Gysi und Bodo Ramelow (rechts) in diesem Sommer im Landtagswahlkampf in Thüringen. Ramelow leitet übergangsweise noch die Regierungsgeschäfte im Freistaat. Er will sich in Erfurt um ein Bundestagsmandat bemühen. © dpa | Jacob Schröter

Greifen die Altvorderen Gysi, Ramelow und Bartsch auf die beschriebene Weise in den Wahlkampf ein – und zwar an der Seite der beiden offiziellen Linken-Spitzenkandidaten Jan van Aken und Heidi Reichinnek – dann wäre das nach Einschätzung von Parteistrategen zugleich ein wichtiges Signal an die Wähler in Ost und West, dass auch eine Zweitstimme für die Linke nicht verschenkt ist. Zumal es für die Linke ja auch noch so etwas wie einen Joker gibt, der jetzt aber nicht Teil der „Aktion Silberlocke“ sein soll: Es handelt sich um den Leipziger Abgeordneten Sören Pellmann (47), der bereits 2021 ein Direktmandat errang und inzwischen der Bundestags-Gruppe vorsitzt.

Linken-Politiker: Nachdenken bei Wein und gutem Essen

Gregor Gysi hatte beim Parteitag in Halle (Saale) Mitte Oktober deutlich gemacht, dass er und die beiden anderen Altvorderen noch einmal bereit seien, sich in einen Bundestagswahlkampf zu stürzen. Er werde sich bald mit Ramelow und Bartsch zum Wein treffen und nachdenken, ob es einen Aufschwung in der Partei gebe. Danach werde er die Parteifreunde informieren, sagte Gysi ehedem.

Die Implosion der Ampel-Koalition war zu diesem Zeitpunkt in dieser Form noch nicht abzusehen, auch von Neuwahlen am 23. Februar war noch keine Rede. Die jüngsten Ereignisse haben den Nachdenk-Prozess ganz offenkundig erleichtert. Am Dienstagabend, also vor ihrem großen Auftritt, wollen sich die drei älteren Herren jetzt wie angekündigt in einem Berliner Restaurant treffen. Dass sie noch einen Rückzieher machen, kann man getrost ausschließen – auch wenn die Beteiligten bisher noch so tun, als seien die Dinge weiter im Fluss. Dietmar Bartsch sagte auf Anfrage unserer Redaktion knapp: „Wenn wir uns treffen am Dienstagabend, dann ist eines sicher: Gregor Gysi wird bezahlen – da sind sich Bodo Ramelow und ich einig.“ Tatsächlich dürfte es vor allem darum gehen, eine Kommunikationsstrategie für den fest geplanten Auftritt am Mittwoch festzuzurren.