Berlin. FDP-Minister Marco Buschmann will das Familienrecht reformieren. Was sich ändern soll – und welche Männer jetzt profitieren könnten.
Vater, Mutter, Kind. Davon träumen viele, doch die Realität sieht im Jahr 2024 anders aus: Trennungskinder, Alleinerziehende, Patchworkfamilien, Regenbogenpaare. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will das Familienrecht der neuen Realität anpassen. Vor allem für Trennungsväter könnte das Leben dadurch leichter werden.
Herr Buschmann, was bedeutet für Sie Familie?
Marco Buschmann: Für mich ist ein Leben ohne Familie nicht denkbar. Familie bedeutet für mich Verwurzelung und Geborgenheit. Das geht sicher den meisten Menschen so. Allerdings ist das Familienbild in den letzten Jahrzehnten vielfältiger geworden.
Ist das Vater-Mutter-Kind-Modell ein Auslaufmodell?
Klares Nein. Die Familie aus Vater, Mutter und Kind ist nach wie vor die häufigste Familienform. Viele Menschen wünschen sich genau das für ihr persönliches Glück. Und das bleibt sicher auch so. Der Staat muss diese Familienform deswegen auch schützen. Aber er schreibt Lebensentwürfe nicht vor. Er muss offen dafür bleiben, dass auch andere Wege zum persönlichen Glück gelingen können.
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Die Ampel-Koalition ist vor drei Jahren angetreten, das Familienrecht an die vielen neuen Familienmodelle anzupassen. Warum dauert das so lange?
Eine wichtige Reform – die des Namensrechts – haben wir ja bereits abgeschlossen. Jetzt sind Unterhaltsrecht, Abstammungsrecht und Kindschaftsrecht an der Reihe. Die Gesetzentwürfe aus meinem Haus sind fertig, jetzt geht es darum, alle ins Boot zu holen.
Die größte Kritik gibt es beim Unterhaltsrecht. Wenn nach einer Trennung beide Elternteile das Kind betreuen wollen, wird es oft schwierig mit den Unterhaltszahlungen. Um welche Fälle geht es Ihnen genau?
Es geht um folgende Fälle: Ein Elternteil – meistens ist es die Mutter – übernimmt nach der Trennung die Hauptbetreuung des Kindes. Der andere Elternteil, meistens der Vater, übernimmt einen wesentlichen Anteil der Betreuung. Diese Väter werden heute ungerecht behandelt. Sie müssen meistens genauso viel Unterhalt zahlen wie Väter, die sich gar nicht um ihre Kinder kümmern. Sie leisten also doppelt Unterhalt: in Geld und in Betreuungszeit.
Was wollen Sie konkret ändern?
Das Recht geht noch immer davon aus, dass nach einer Trennung einer betreut und der andere zahlt. Deshalb macht es für die Zahlung des Unterhalts oft keinen Unterschied, wie viel ein Vater sich um sein Kind kümmert. Wir schlagen vor: Wenn sich der Vater zu mehr als 29 Prozent an der Betreuung beteiligt, muss er bei der Unterhaltszahlung entlastet werden.
Wieso 29 Prozent?
Es soll darauf ankommen, wie häufig im Jahr ein Kind wo übernachtet. Das ist ein objektiver und praktikabler Maßstab. Mehr als 29 Prozent Betreuung sind zum Beispiel in folgendem Fall erreicht: Das Kind übernachtet die Hälfte der schulfreien Zeit beim Vater, in der Schulzeit außerdem zwei Nächte jede Woche. Wenn ein Vater sich so stark in der Betreuung engagiert, dann ist es gerecht, ihn zu entlasten. Die Mutter spart in dieser Zeit ja auch eigene Aufwendungen – und sie hat mehr Zeit für eigene Berufstätigkeit.
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Wie hoch soll die Entlastung ausfallen?
Das kommt im Einzelfall auf die Einkommen der Beteiligten an. Im Regelfall reden wir über Beträge von unter 100 bis 200 EUR. Ein Vater, der deutlich mehr verdient als die Mutter, wird im Zweifel weniger stark entlastet werden als ein Vater, der in etwa gleich viel verdient wie die Mutter. Denn gerade in den letzteren Fällen ist das geltende Recht besonders ungerecht. Zentral ist: dass das Kindeswohl immer gewährleistet sein muss.
Wie viele Elternpaare wären von der Neuregelung betroffen?
Unser Vorschlag betrifft alle Trennungsfamilien, in denen einer der Hauptbetreuer ist und der andere mehr als 29 Prozent, aber weniger als 50 Prozent der Betreuung übernimmt. Das sind mehrere hunderttausend Paare – und es werden in Zukunft vermutlich deutlich mehr werden.
Im Alltag bedeutet das vor allem: weniger Geld für alleinerziehende Mütter.
Echte Alleinerziehende im eigentlichen Sinne des Wortes sind von unserer Reform nicht betroffen. Es geht nur um Fälle, in denen beide Eltern sich in der Betreuung engagieren. Für Mütter hat es außerdem konkrete Vorteile, wenn sich Väter mehr in der Betreuung der Kinder engagieren. Sie können zum Beispiel in größerem Umfang beruflich tätig werden, was ja ein häufiger Wunsch ist.
Kritiker warnen, dass Sie alleinerziehende Frauen damit unter zusätzlichen Druck setzen …
Die vorgeschlagenen Anpassungen werden niemanden ins finanzielle Unglück stürzen. Über allem steht das Kindeswohl. Und wie gesagt: Es ist gerade im Interesse vieler Frauen, wenn sich Väter stärker in der Betreuung von Kindern engagieren. Ich will im Übrigen nicht ausschließen, dass wir an unserem Vorschlag noch punktuelle Veränderungen vornehmen können. Genau deshalb wollen wir ihn ja mit den Ländern beraten. Klar ist für mich aber: Eine substanzielle Mitbetreuung beginnt nicht erst bei 40 Prozent. Wenn wir die Schwelle so hochsetzen, dann lösen wir das Gerechtigkeitsproblem im geltenden Unterhaltsrecht nicht. Das wäre bloße Symbolik ohne Nutzen für die Betroffenen.
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Sind Väter generell zu schlecht gestellt im aktuellen Familienrecht?
Kinder, Mütter und Väter leiden gleichermaßen darunter, dass unser Familienrecht veraltet ist. Wir nehmen nicht nur die Situation der Väter in den Blick. Richtig ist aber: Gerade Väter sind davon betroffen, dass das geltende Recht des Kindesunterhalts veraltet ist. Ich spreche von den Vätern, die sich wirklich in der Betreuung ihrer Kinder engagieren und trotzdem so behandelt werden, als ob sie nichts täten.
Gibt es weitere Fälle, wo Väter benachteiligt sind?
Es gibt jedenfalls weitere Fälle, in denen Väter von unseren Reformen profitieren werden. Denken Sie an Väter, die nicht verheiratet sind mit der Mutter ihres Kindes. Wir wollen es für diese Väter einfacher machen, das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen – sofern die Mutter damit einverstanden ist. Außerdem wollen wir mehr Rechtssicherheit für Samenspender schaffen. Und wir wollen in bestimmten Fällen die Rechtsposition von leiblichen Vätern stärken, die auch rechtlicher Vater ihres Kindes werden wollen.
Eine besonders brisante Frage klammern Sie bei der Reform aus: Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt in einem Urteil betont, dass mehr als zwei Elternteile rechtlich möglich sind. Warum wollen Sie das nicht?
Die übergroße Mehrheit der Deutschen findet es richtig, dass ein Kind nur zwei rechtliche Eltern haben sollte – ich auch. Würden wir das ändern, würden wir damit eine gewaltige Debatte auslösen, die die ganze Reform und ihre Akzeptanz gefährden könnte. Hinzu kommt: Wir müssten das gesamte Familienrecht an vielen Stellen komplett neufassen. Das wäre gar nicht mehr leistbar. Es bleibt daher dabei: Ein Kind hat nur zwei rechtliche Eltern.
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Wer kann nach der Reform jetzt Elternteil werden?
Auch künftig wird gelten: Die Frau, die das Kind gebiert, ist immer die Mutter. Außerdem wird es dabei bleiben: Der Mann, der bei Geburt mit der Mutter verheiratet ist, wird automatisch rechtlicher Vater des Kindes. Für Frauenpaare wollen wir gleichlaufende Regeln schaffen wie für Paare von Mann und Frau: Die Partnerin der Geburtsmutter soll das Kind ihrer Partnerin nicht mehr adoptieren müssen, um seine rechtliche Mutter zu werden. Und vor allem für Samenspenden ist relevant: Die Beteiligten sollen vorab regeln können, wer neben der leiblichen Mutter der zweite rechtliche Elternteil wird. Das kann der Partner oder die Partnerin der Mutter sein – aber auch der Samenspender. Wichtig ist rechtliche Klarheit, damit kein Streit auf dem Rücken der Kinder entsteht.
Wird das Abstammungsrecht mit dieser Reform einfacher?
Es gibt ein paar Regeln mehr. Aber für die betroffenen Menschen wird es einfacher.
Gibt es in der Ampel keine Einigung beim Unterhaltsrecht, scheitert dann die gesamte Reform des Familienrechts?
Wir sind angetreten, um Reformstau zu lösen. Der ist im Familienrecht nach Ansicht aller Fachleute besonders groß. Unsere Vorschläge sind zu 95 Prozent unstrittig. Klar ist auch, dass die Reform nur als Paket funktioniert. Die Gesetzentwürfe greifen nämlich ineinander. Wir müssen jetzt im Paket vorankommen. Die letzten fünf Prozent sollten wir jetzt lösen. Nur dann wird es zeitlich gelingen. Sonst fallen die Gesetzentwürfe, wie Staatsrechtlicher sagen, der Diskontinuität anheim. Oder klarer gesagt: Wenn wir uns nicht einigen, lösen sich alle Vorarbeiten in Luft auf, weil die Wahlperiode zu Ende geht.
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