Jerusalem. Die Terrormiliz hat eine iranische Rakete Richtung Israel geschossen, der Schreck war groß. In Jerusalem sagt man: Das war ein Zeichen.

Eine einzige Rakete, die Millionen von Israelis in Alarm versetzte: Zum ersten Mal seit ihrem Bestehen hat die Hisbollah im Libanon eine Rakete nach Tel Aviv abgefeuert, die fast den gesamten Ballungsraum Zentralisraels um 6.30 Uhr aufschrecken ließ. Busse und Autos hielten an, Autolenker brachten sich am Straßenrand in Deckung vor womöglich herabfallenden Teilen, zersplitterndem Glas oder für den Fall, dass ein Fahrzeug in Brand gerät.

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Später wurde bekannt, dass es sich um eine Mittelstreckenrakete aus iranischer Produktion handelte, die laut Israels Armee von Hisbollah-Kämpfern rund 20 Kilometer nördlich der Grenze abgefeuert wurde. Bis zu 19.000 Kilogramm soll die 16 Meter lange Ghadr 1-Rakete auf die Waage bringen. Ob es sich tatsächlich um diesen Typus handelt, ist zwar nicht bestätigt. Ein Armeesprecher dementiert es auf Anfrage jedoch nicht und bestätigt, dass man es mit einer „sehr schweren Rakete“ zu tun gehabt habe. Sie konnte mithilfe des David Sling-Abwehrsystems der Armee abgefangen werden – eine äußerst kostspielige Angelegenheit, die wohl vielen Menschen das Leben gerettet hat.

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl

Israel: Armee reagiert auf Hisbollah-Beschuss – Netanjahu auch

Die Rakete zielte auf die Armeebasis Glilot im Norden Tel Avivs ab. Die Hisbollah behauptet zwar, dort das Hauptquartier des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad anvisiert zu haben, ein Armeesprecher bezeichnet das jedoch als „psychologische Kriegsführung“ – das Mossad-Headquarter befinde sich abseits der Zielkurve. Was die schiitische Miliz vermitteln wollte, ist aber offensichtlich: Es ging um Rache an der Pager-Attacke im Libanon, die vergangene Woche Dutzende Menschen tötete und mehr als 3000 Menschen verletzte. Die Attacke wird dem Mossad zugeschrieben.

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Der Angriff hat in einem riesigen Einzugsgebiet Alarm ausgelöst, von Tel Aviv bis Emek Hefer. Familien in abgelegenen Ortschaften, die seit dem letzten Libanonkrieg keine Alarmsirene mehr gehört haben, mussten zum ersten Mal wieder ihre Luftschutzräume aufsuchen.

Verletzt wurde bei dem Angriff niemand. Israels Armee reagierte mit Beschuss auf Nafakhiyeh im Südlibanon, hier soll die Rakete abgefeuert worden sein.

Ob es bei dieser begrenzten Reaktion bleiben wird, steht nun zur Debatte. Israels Premier Benjamin Netanjahu hat wegen des Vorfalls seine Abreise nach New York zur UN-Generalversammlung auf Donnerstag verschoben, um sich mit dem Sicherheitsstab zu beraten und im engeren Regierungskreis über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

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Nahost-Konflikt: Hisbollah-Attacke mit wenig Auswirkungen auf Schutz-Regeln

Aus Militärkreisen ist zu hören, dass man den Rubikon noch nicht überschritten sieht: Schließlich handelte es sich um einen singulären Akt, der auf ein militärisches Ziel ausgerichtet war. Es mag in der Regierung aber andere Meinungen dazu geben – es wäre nicht das erste Mal in diesem Krieg.

Vorerst bleiben die Zivilschutz-Regeln aber unverändert: Südlich von Haifa gehen die Kinder und Jugendlichen auch weiterhin zur Schule, Unis laufen im normalen Betrieb, Versammlungen werden nicht eingeschränkt.

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Leichtere Geschütze, die aber mehr Schäden verursachten, feuerte die Hisbollah auf nördlicher gelegene Gebiete in Israel ab. Galiläa war am Mittwoch wieder stark beeinträchtigt, allein 40 Raketen wurden vom Libanon aus auf Safed abgefeuert. Ein Gebäude wurde beschädigt, es gab aber keine Verletzten.

Selbst die südliche Arava-Wüste blieb am Mittwoch nicht von Angriffen verschont. Drohnenangriffe irakischer Milizen lösten dort Brände aus.

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