Haifa. Strände geschlossen, Krankenhäuser im Bunker: In der israelischen Stadt Haifa gelten jetzt strenge Schutzregeln für die Bevölkerung.

Fenster klirren, die Erde bebt: Noch bevor die Sirenen zu heulen beginnen und die Menschen in Haifa anweisen, sofort zum nächsten Schutzraum zu laufen, wird der Druck der Explosionen spürbar. Eine Minute hat man Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Haifa, mit 290.000 Einwohnern die größte Stadt im Norden Israels, liegt nur 40 Kilometer von der Grenze zum Libanon entfernt. Während die Hisbollah, die seit dem 8. Oktober ununterbrochen Raketen auf Israel abfeuert, sich bisher auf den Golan und das nördliche Galiläa konzentrierte, geriet am Sonntag auch die Hafenstadt ins Visier – oder zumindest jene Vororte, die nahe einer wichtigen Rüstungsproduktionsstätte liegen. Auf sie hatte es die Hisbollah laut eigenen Aussagen abgesehen. Zu leiden hatten unter den Angriffen aber auch die Zivilisten.

Drei Menschen wurden leicht verwundet, ein 17-Jähriger kam bei einem Autounfall während des Raketenalarms ums Leben, er soll die Kontrolle über das Fahrzeug verloren haben. Vier weitere Menschen wurden bei dem Unfall verletzt. Im Vorort Kiryat Bialik schlug eine Rakete in ein Haus ein und löste mehrere Brände aus.

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Hisbollah-Raketen treffen innerhalb von 35 Minuten auf Israel

Dass nicht noch mehr Menschen durch den Beschuss verletzt wurden, liegt nicht etwa daran, dass die Hisbollah sich mit ihren Angriffen zurückgehalten hätte: Laut Armee hat Israels Luftwaffe in der Nacht zum Sonntag eine große Zahl an bereits geladenen Raketenabschussrampen zerstört, bevor sie bedient werden konnten.

Trotzdem schafften es mehr als 150 Raketen über die Grenze nach Israel – allein 85 davon hagelte es binnen 35 Minuten rund um die Berufsverkehrstoßzeit gegen 7 Uhr morgens. Es ist der hoch entwickelten israelischen Luftabwehr zu verdanken, dass der Schaden gering blieb. Mehr als 90 Prozent der Raketen konnten vom Schutzschild Iron Dome abgewehrt werden.

Krankenhäuser evakuiert – chirurgische Eingriffe nur noch in Bunkerräumen

Am Sonntag war das Stadtinnere von Haifa ungewöhnlich leer. Viele Läden waren geschlossen, alle Schulen und Kindergärten ebenso. Das Heimatfrontkommando hatte die Bestimmungen verschärft: Seit Sonntag um 6 Uhr morgens dürfen sich nicht mehr als zehn Menschen im Freien versammeln, alle Strände sind geschlossen. In geschlossenen Räumen dürfen sich nicht mehr als 100 Menschen gleichzeitig aufhalten. Wer am Arbeitsplatz keinen Schutzraum hat, der binnen einer Minute erreichbar ist, muss zu Hause bleiben. Die strengeren Schutzbestimmungen gelten vorerst bis Montagabend, sie könnten aber auch ausgedehnt werden.

Das Rambam-Krankenhaus verlegte aufgrund des jüngsten Beschusses seine Patienten in unterirdische Bunker.
Das Rambam-Krankenhaus verlegte aufgrund des jüngsten Beschusses seine Patienten in unterirdische Bunker. © DPA Images | Ilia Yefimovich

Die Krankenhäuser im Norden haben alle nicht dringenden Operationen abgesagt, im großen Rambam-Krankenhaus in Haifa wurden Hunderte Patienten in den Untergrundbereich verlegt. Israels Gesundheitsminister hat den Krankenhäusern im Norden angeordnet, chirurgische Eingriffe ab sofort nur noch in befestigten Bunkerräumen vorzunehmen. Alle Patienten, die nicht unbedingt stationär versorgt werden müssen, werden in die ambulante Pflege entlassen – eine Vorsichtsmaßnahme, um im Fall von Einschlägen mit vielen Verletzten rasch reagieren zu können.

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Laut Hisbollah war der schwere Beschuss eine Antwort auf den Pager-Angriff vergangenen Dienstag und die am Mittwoch folgende Attacke auf Funkgeräte – beide werden Israel zugeschrieben. Bei den Angriffen wurden 37 Menschen getötet und mehrere Tausend verletzt.