Berlin. Robert Habeck will Kunden stärken, geht dabei aber laut Verbraucherschützern nicht weit genug. Die fürchten bald große Preissprünge.

Wer mit Fernwärme heizt, soll bald mehr Rechte gegenüber seinem Wärmeversorger bekommen – zumindest ein paar. Das sieht eine Novelle der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme vor (kurz: AVBFernwärmeV), die das Bundeswirtschaftsministerium plant. Ein entsprechender Entwurf wurde im Sommer vorgestellt, noch im Oktober soll er ins Kabinett.

Das ausdrückliche Ziel sind mehr Verbraucherrechte, mehr Transparenz und ein stabilerer wirtschaftlicher Rahmen für die Versorger – und das alles für eine Branche, die künftig eine Schlüsselrolle einnehmen soll bei der klimaneutralen Wärmeversorgung. Dafür soll sich in der Verordnung mit dem unhandlichen Namen einiges ändern.

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Fernwärme: Preise sollen die tatsächlich verwendeten Energieträger abbilden

In den Fokus geraten waren die derzeit geltenden Regeln bei der Fernwärme während der Energiekrise, als die Preise bei einigen Anbietern plötzlich rasant stiegen – in manchen Fällen um mehr als 100 Prozent. Wie genau diese Preisänderungen sich zusammensetzen, war aber für Kundinnen und Kunden oft kaum nachzuvollziehen. Das soll anders werden. So sollen die Versorger künftig Musterrechnungen im Internet veröffentlichen, an denen Kunden Änderungen nachvollziehen können.

Außerdem sollen die Preise bald den tatsächlich eingesetzten Energieträger widerspiegeln. Was selbstverständlich klingt, war bisher nicht garantiert. Denn Versorger können ihre Preisgestaltung derzeit auch an Preisindizes für Energieträger anlehnen, die sie gar nicht verwenden. Die extrem hohen Gaspreise in der Krise trafen deshalb zum Teil auch die Kunden von Fernwärmenetzen, die ihre Wärme gar nicht oder nur zu einem geringen Teil mit Gas erzeugen.

Die Novelle ist ein dringend notwendiges Update, findet man beim Verbraucherzentrale Bundesverband, schließlich stammt die aktuelle Version der Regelung größtenteils aus den 1980er Jahren. Doch das Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geht nicht weit genug, sagt VZBV-Energieexperte Thomas Engelke. „Die Novelle beinhaltet Schritte in die richtige Richtung, insbesondere bei den Transparenzvorschriften“, sagt er. „Aber in vielen Punkten, wo es um die Kosten und Preise geht, sind wir bisher nicht zufrieden.“

Preissprünge „nicht unbedingt heute und morgen, aber in den kommenden Jahren“

So kritisiert der Verbraucherschützer, dass es für Kunden auch in Zukunft nur in Ausnahmefällen, etwa nach einer energetischen Sanierung, möglich sein soll, die einmal vereinbarte Anschlussleistung und damit die Wärmekosten zu senken. Das müsse generell möglich sein, sagt er. Zudem fordert der VZBV eine bundesweite „eine schlagkräftige bundesweite Preisaufsicht“, die sicherstellt, dass die Regeln für die Preisgestaltung auch eingehalten werden.

Vor allem aber machen die Verbraucherzentralen Druck auf die Politik, Kundinnen und Kunden besser vor Preissprüngen zu schützen. Denn die erwartet Engelke in Zukunft: „Wir rechnen damit, dass die Steigerung des Erneuerbaren-Anteils in den Netzen bei der Wärmeerzeugung Kosten verursacht, die zumindest zum Teil an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden“, sagt er.

Das könne zu großen Preissprüngen führen – „nicht unbedingt heute und morgen, aber in den kommenden Jahren.“ Für Eigentümer verlangt der VZBV deshalb ein Sonderkündigungsrecht bei Preissteigerungen von über 20 Prozent. Für Mieterinnen und Mieter, die die Entscheidung für oder gegen Fernwärme nicht selbst treffen können, brauche es eine generelle Deckelung der Preissteigerung.

Unternehmen dagegen begrüßen die Reform der Verordnung in ihrer jetzigen Form. „Wir sehen den Änderungsbedarf bei den Preisanpassungsklauseln, die Arbeit mit Indizes funktioniert nicht mehr in allen Fällen“, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Die Einführung einer Preisaufsicht lehnt der Verband aber ab – „nicht sinnvoll“ sei das, und ohnehin gebe es ja eine Preisaufsicht durch die Kartellbehörden.

VKU-Chef Liebing: Ausbauziele „unter den jetzigen Rahmenbedingungen ausgeschlossen“

Liebing verweist darauf, dass auf die Anbieter in den kommenden Jahren hohe Kosten zukommen, die sie auch über den Verkauf der Wärme wieder reinholen müssten: Es müsse „grundsätzlich möglich sein, Investitionen auch leichter umzulegen auf die Preise“.

Denn während Fernwärme bislang eine untergeordnete Rolle spielt auf dem deutschen Heizungsmarkt, soll sich das ändern, wenn es nach der Bundesregierung geht: Rund 100.000 neue Anschlüsse im Jahr hat sie als Ziel ausgerufen.

Und die Netze sollen nicht nur wachsen, sondern auch grüner werden. Gesetzlich festgelegt ist, dass ab 2030 30 Prozent der Energie bei der Fernwärme aus erneuerbaren Quellen oder aus unvermeidbarer Abwärme stammen müssen. 2040 sollen es schon 80 Prozent sein, 2045 dann – wenn Deutschland klimaneutral sein soll – 100 Prozent.

Für die Umstellung steht zu wenig Geld zur Verfügung

Nur: Sowohl der Ausbau als auch die Umstellung kosten Geld. Im Moment gebe es dafür bis 2035 aber nur einmalig knapp 3,6 Milliarden Euro Förderung im Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung, sagt Liebing – „obwohl wir 3,5 Milliarden jährlich bräuchten“. Auch die Denkfabrik Agora Energiewende kommt in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie auf Beträge in dieser Größenordnung, dort geht man von 24 Milliarden Euro aus, die allein bis 2030 investiert werden müssen, und weiteren 83 Milliarden bis 2045.

Die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien in den Netzen sei Pflicht, sagt Liebing. „Dessen Umsetzung hat also Vorrang vor dem Ausbau.“ Die für neue Anschlüsse gesteckten Ziele seien ohnehin ambitioniert. „Unter den jetzigen Rahmenbedingungen ist es ausgeschlossen.“ Wenn beides gehen soll, wie die Bundesregierung das will, sagt er, braucht es deshalb deutlich mehr Förderung.