Berlin. Von einer „großen Mauer“ gegen Migration, redet Olaf Scholz. Hinter dieser Wortwahl des Bundeskanzlers stecken drei Botschaften.

Die Migrationspolitik beherrscht derzeit die innenpolitische Debatte – und bestimmt einen großen Teil der Arbeit von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Ampel-Koalition des SPD-Politikers verhandelte vor einer Woche noch mit der Union über einen Schulterschluss zur besseren Steuerung der irregulären Migration.

Nach dem Scheitern der Verhandlungen – die Union warf der Bundesregierung vor, nicht zu konsequenten Zurückweisungen an der Grenze bereit zu sein – brachte die Koalition ihr eigenes Sicherheitspaket in den Bundestag ein. Damit zieht das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP Konsequenzen aus dem Messeranschlag von Solingen. Am Sonntag reiste Scholz schließlich nach Usbekistan und schloss mit dem zentralasiatischen Land ein Migrationsabkommen.

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Scholz sagte nach der Unterzeichnung einen bemerkenswerten Satz: „Das ist genau der richtige Weg, um eine große Aufgabe zu bewältigen, und insofern ist das ein kleiner Baustein in einer ganz großen Mauer, die da errichtet wird für ein gutes Werk.“ Was meint der Bundeskanzler genau, wenn er im Zusammenhang mit Migration von einer „großen Mauer“ spricht? Dafür gibt es drei Erklärungen.

Erste Botschaft: Ich habe verstanden

Scholz hat verstanden, dass seine Regierung mehr tun muss, um die Zahl der nach Deutschland kommenden Asylsuchenden zu begrenzen. Einerseits melden die Kommunen, dass sie mit der Unterbringung und Integration der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge überfordert sind. Andererseits besorgt die Lage viele Menschen im Land. Die Stimmung gilt als ein Grund für die starken Wahlergebnisse der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen – und voraussichtlich auch bei der Landtagswahl in Brandenburg am kommenden Sonntag.

Die Bundesregierung arbeitet deswegen daran, dass weniger Menschen nach Deutschland kommen, oder dass Flüchtlinge ohne Anrecht auf Asyl schneller abgeschoben werden können. Sie hat sich etwa für härtere Regeln in der EU eingesetzt oder erleichtert Abschiebungen aus Deutschland. Seit diesem Montag sind Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen möglich. Die bereits geschlossenen und weiterhin geplanten Migrationsabkommen mit Usbekistan und einer ganzen Reihe weiterer Länder sind ein weiterer „Baustein“, wie Scholz es formuliert, dieser Strategie.

Scholz verteidigt Ausweitung der Grenzkontrollen

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    Die Migrationsabkommen sehen in der Regel vor, dass die Partnerländer ihre Staatsbürger zurücknehmen, wenn diese nicht in Deutschland bleiben können. Im Gegenzug werden legale Wege eröffnet, damit hierzulande gesuchte Arbeitskräfte aus diesen Staaten nach Deutschland kommen können. Mit seinem Satz von der Mauer will Scholz also signalisieren: Wir tun was – und ich bin der Architekt.

    Zweite Botschaft: Es gibt nicht die eine große Lösung

    Scholz will außerdem betonen, dass es viele kleine und große Maßnahmen und Entscheidungen braucht, um die Zahl der nach Deutschland kommenden Menschen zu steuern und zu verringern. Alle diese Entscheidungen sind in dem von Scholz genutzten Bild der „Mauer“ die vielen kleinen „Bausteine“. Der Kanzler will deutlich machen: Die eine große Lösung, die von heute auf morgen alle Probleme löst, gibt es nicht. Damit grenzt Scholz sich ab, etwa von der AfD – aber auch von CDU-Chef Friedrich Merz.

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    In der vergangenen Woche hatte es massive Verstimmungen zwischen Scholz und Merz gegeben, nachdem die Union die Gespräche mit der Ampel-Koalition über gemeinsame Migrationsbeschlüsse verlassen hatte. Die Union forderte generelle Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, das wollte die Ampel so nicht mitgehen. Scholz unterstellte dem Oppositionsführer daraufhin eine Inszenierung, Merz habe von Anfang geplant, das Treffen ohne Lösung platzen zu lassen. Der CDU-Politiker wies die Vorwürfe als „infam“ zurück.

    Im Bundestag griff Scholz den CDU-Chef an und warf ihm vor, er sei „der Typ von Politiker“, der glaube, mit einem Interview „hätte er schon die Migrationsfrage gelöst“. Scholz Botschaft hier: Leere Versprechungen und die Ankündigung juristisch oder praktisch nicht umsetzbarer Maßnahmen tragen nichts dazu bei, Probleme zu bewältigen. Zitat Scholz: „Das ist falsche Politik.“ Aus Sicht des Kanzlers braucht es in der Frage Ausdauer und Geduld – wie beim Bau einer großen Mauer.

    Dritte Botschaft: Nicht alle können kommen und bleiben

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    Der von Scholz verwendete Mauer-Vergleich in Zusammenhang mit Flüchtlingen ähnelt Ausdrücken wie „Festung Europa“ oder erinnert an den vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump veranlassten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Verfechtern einer offenen und in erster Linie auf Humanität fußenden Migrationspolitik sind solche Sprachbilder und Maßnahmen ein Grauen. Kritiker einer solchen Linie sind bei den Grünen, aber auch in Scholz‘ eigener Partei zu finden.

    In Teilen der SPD ist Scholz schon einmal mit Aussagen zur Migration angeeckt, als er in einem Interview mit dem „Spiegel“ forderte, Deutschland müsse „endlich im großen Stil“ abschieben. In dem Gespräch sagte der Kanzler auch: „Wir müssen hart sein, wenn jemand keinen Anspruch hat zu bleiben.“ Scholz ist es also nicht fremd, in der Migrationsfrage auch deutliche Sätze zu sprechen. Er beschreibt damit das Ziel seiner Politik. Der Kanzler wählt seine Worte meist mit bedacht. Insofern dürfte das Bild der „Mauer“ kein Zufall sein.