Berlin. SPD, Grüne und FDP präsentieren einen weitreichenden Plan zur Senkung der Asylzahlen. Der Union geht der Vorschlag nicht weit genug.

Die große parteiübergreifende Einigung zur Migrations- und Asylpolitik ist vorerst vom Tisch. Nach einem zweiten Treffen von Bund und Ländern, Ampelparteien und Union lehnten Vertreter von CDU und CSU am Dienstag weitere Gespräche in diesem Format ab. Sie kritisierten, dass SPD, Grüne und FDP ihnen mit ihren Vorschlägen nicht weit genug entgegengekommen seien.

Die Forderung der Union im Vorfeld war klar gewesen: Zurückweisungen an den Grenzen, ohne das sei eine Einigung nicht zu haben. Sogar ein Ultimatum hatte CDU-Chef Friedrich Merz deshalb in der vergangenen Woche ausgesprochen. Bis zum Dienstagmorgen war unklar gewesen, ob die Union überhaupt bereit war, an einem weiteren Gespräch teilzunehmen. Am Ende traf man sich doch: Für zwei Stunden kam die Runde im Innenministerium zusammen.

Thorsten Frei (r, CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und weitere Vertreter der Union erklärten nach dem Gespräch mit der Ampel, dass weitere Termine in diesem Format keinen Sinn hätten.
Thorsten Frei (r, CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und weitere Vertreter der Union erklärten nach dem Gespräch mit der Ampel, dass weitere Termine in diesem Format keinen Sinn hätten. © DPA Images | Carsten Koall

Einrichtungen in Grenznähe, im Zweifel auch Haft: Ampel-Koalition will schnelle Dublin-Verfahren

Die Ampel-Koalition war mit einem Vorschlag in das Gespräch gegangen, der neben den bereits beschlossenen Grenzkontrollen an sämtlichen deutschen Landgrenzen auch beschleunigte Dublin-Verfahren vorsieht. Danach soll die Bundespolizei mittels der EU-Fingerabdruck-Datei Eurodac feststellen, ob ein anderer EU-Staat für das Verfahren der betroffenen Person zuständig ist. Auch Befragungen sollen dabei helfen.

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Allerdings: Selbst ein beschleunigtes Verfahren bedeutet keine Zurückweisung sofort. Mit der Prüfung ist nach Einschätzung der Bundesregierung mindestens ein kurzer Aufenthalt in Deutschland verbunden. Stattfinden soll der allerdings nach den Vorstellungen der Ampel-Koalition künftig in Einrichtungen in Grenznähe – in Unterkünften mit Residenzpflicht, unter Umständen aber auch in Haft, um ein Untertauchen der Betroffenen zu verhindern.

„Die Idee hinter unserem Zurückweisungsmodell ist, dass wir das in wenigen Wochen erledigen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag nach dem Treffen. Sie nannte „im Idealfall“ fünf Wochen als Frist, in der eine Rückführung dann abgeschlossen werden könnte.

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Eine Absage gab es demnach für den Vorschlag der Union, auf Basis von Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine nationale Notlage auszurufen und so, nach Einschätzung der Union, ohne Kollision mit europäischem Recht direkte Zurückweisungen möglich zu machen. Zu riskant, findet man im Haus von Nancy Faeser und in der Koalition, vor dem Europäischen Gerichtshof könnte man scheitern. Denn die Hürden für den Nachweis einer solchen Notlage sind hoch. „Man kann von einer Bundesregierung nicht verlangen, dass sie sich offen in Widerspruch zum Recht begibt“, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP). Das Festhalten der Menschen im „grenznahen Raum“ sei die effektivere Form der Zurückweisung.

Merz sieht Regierung „führungslos“, Grüne kritisieren „Politik der Show-Effekte“ bei der Union

Keine Argumentation, mit der die Ampel-Partner CDU und CSU überzeugen konnten. Die Vorschläge der Koalition seien nicht ausreichend, findet man dort. Die Union beharrt darauf, dass es möglich sei, Menschen direkt an der Grenze abzuweisen. „Die Ampel hat keinen Vorschlag unterbreitet, der tatsächlich zu Zurückweisungen an der Grenze über das bisher übliche Maß führt“, sagte Thorsten Frei, erster parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, am frühen Abend nach dem Gespräch. Weitere Gespräche in diesem Format würden deshalb keinen Sinn ergeben.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der nicht beim Treffen dabei war, griff zu einem schärferen Ton: Offenbar sehe sich die Koalition nicht in der Lage zu umfassenden Zurückweisungen an den Staatsgrenzen, obwohl es am Montag und auch Dienstagmorgen anderslautende Hinweise gegeben habe, sagte der CDU-Vorsitzende am Abend. „Ich vermisse auch die Führung des Bundeskanzlers, führte er aus. Dieser hätte von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen müssen. „Die Regierung ist führungslos“, sagte Merz.

Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, warf der Union „eine Politik der Show-Effekte ohne Substanz“ vor. „Es ist ein Trauerspiel, dass die Union der Verantwortung für unser Land nicht gerecht wird“, sagte sie dieser Redaktion. CDU und CSU hätten keinen Vorschlag eingebracht, der auf dem Boden des EU-Rechts stehe. Wie auch Außenministerin Annalena Baerbock (ebenfalls Grüne) kritisierte sie, dass innere Sicherheit nicht Thema gewesen sei. Darüber „wollte die Union überhaupt nicht reden und hat das auch wörtlich so gesagt“, sagte Mihalic.

Lindner will Spitzentreffen in kleiner Runde

FDP-Chef Christian Lindner hofft nun auf ein Spitzentreffen der Ampel mit Merz. „Die Absage der Union an den Asylgipfel darf nicht das letzte Wort sein“, schrieb der Bundesfinanzminister auf X. Merz sollte mit dem Kanzler, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und ihm selbst persönlich verhandeln. „Wir werden gemeinsam das Problem lösen“, fügte Lindner hinzu.