Berlin. Die Ukrainer holen den Krieg ins Land des Aggressors. Nun sterben auch russische Zivilisten. Ein Experte sagt, was das für Putin heißt.
Es war ein massiver Angriff, den das ukrainische Militär in der Nacht zu Dienstag gegen Russland unternommen hat. Ziel: die Hauptstadt Moskau. Nach den Worten der russischen Luftverteidigung wurden mehr als ein Dutzend Drohnen abgeschossen, wie Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin und der Gouverneur des Moskauer Gebiets, Andrej Worobjow, mitteilten. Drei der vier Flughäfen in Moskau ließen wegen der Bedrohungslage über Stunden keine Starts und Landungen zu, es kam zu Verspätungen und Ausfällen.
Mindestens zwei Menschen verloren ihr Leben: In Ramenskoje nahe der Hauptstadt sei eine 46 Jahre alte Frau getötet worden, als nach einem Drohnenangriff dort die elfte und zwölfte Etage eines Wohnhauses in Brand gerieten, hieß es. Im Nachrichtendienst Telegram gab Worobjow bekannt, auch ein neunjähriges Kind sei getötet worden. Die russischen Behörden meldeten, in Summe seien 144 Drohnen erfolgreich abgewehrt worden.
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Diese Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Doch auch wenn die Schäden sich in Grenzen halten: Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin sind das schlechte Nachrichten. Die Ukraine trägt den von Russland begonnenen Angriffskrieg zurück ins Land des Aggressors. Für die Unterstützung für seine sogenannte „Militäroperation“ ist das nicht zuträglich. Und doch dürfte es Putin nicht im Mindesten von seinem Kurs gegen die Ukraine abbringen.
Ukraine-Krieg: So dürfte Putins Kurs in der Ukraine jetzt aussehen
Allen, die den politischen Druck auf Putin nun steigen sehen, sagt Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP): Das ist mit einem großen Fragezeichen zu betrachten. „Natürlich gibt es gesellschaftliche Kritik, etwa, dass die Behörden sich zu wenig kümmern und die Menschen im Stich lassen würden“, sagte Meister dieser Redaktion. Aber das seien vor allem lokale Proteste und hier und da mal kritische Stimmen in sozialen Netzwerken – nichts, was Putin selbst gefährlich werden könnte.
Es gibt aktuell, sagt Meister, keinen „relevanten Akteur“, der aus diesen Angriffen politisches Kapital schlagen könnte. Auch eine größere Debatte finde nicht statt – allein deshalb, weil das repressive Regime Putins die Informationsformen bestimme und den Diskurs kontrolliere. Aus diesem Grund sei auch keine besondere Reaktion des Kreml zu erwarten. In der Region Kursk sei zu beobachten, dass Putin schlecht ausgebildete Wehrpflichtige in den Kampf schicke.
„Die werden dort abgeschlachtet“, sagte Meister. Die gut ausgebildeten Soldaten sind weiterhin im Donbass im Einsatz, wo auch militärische Erfolge erzielt werden. Der Experte glaubt, dass der Kreml-Chef nur dann innenpolitisch unter Druck geraten könnte, wenn er versuchen sollte, die Mobilisierung von Soldaten auszuweiten – ein unliebsamer Schritt, denn die Prämien des russischen Staates täuschen nicht darüber hinweg, dass mit der Rekrutierung ein erhebliches Sterberisiko einhergeht.
Russland: Kreml-Sprecher Peskow schließt Verhandlungen aus
Wer glaubte, die Taktik der drohnenbasierten Nadelstiche könnte Putin an einen Verhandlungstisch bewegen, bekam am Dienstag eine Absage aus dem Kreml. „In Abwesenheit von Alternativen ist die ‚militärische Spezialoperation‘ der einzige Weg, unsere Ziele zu erreichen“, hieß von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Er äußerte sich auch zu Informationen, wonach die in dem Konflikt immer wieder als Vermittlerin auftretende Türkei Russland zuletzt Vorschläge der Ukraine übergeben habe, keine Energieanlagen – darunter auch Atomanlagen – und keine zivilen Schiffe mehr anzugreifen. Peskow betonte, dass solche Verhandlungen schwer vorstellbar seien, solange die Ukraine Teile von Kursk besetzt halte. Russland habe aber einen Plan, die ukrainischen Truppen zu vertreiben.
Auch wenn Peskow diesen Plan nicht weiter ausführte, heißt das: Verhandlungen stehen erstmal nicht auf der Agenda. Das wiederum passt in Putins Logik. Er zeigt sich dann verhandlungsbereit, wenn er die Gegenseite geschwächt sieht. Wenn die Ukraine einen – zumindest psychologischen – Erfolg wie den Überraschungsangriff aus der Nacht verbucht, will der Kreml nicht aus einer vermeintlichen Position der Schwäche heraus Verhandlungen zustimmen.
Ukraine im Donbass unter Druck: Für Kiew sieht die Lage nicht gut aus
Dabei steht es im Grunde nicht gut für die Ukraine. In den vergangenen Tagen sickerte durch, Putin wolle vielleicht doch verhandeln. Man habe die Situation in Kursk „stabilisiert“, im Donbass gebe es kontinuierliche Geländegewinne. Dort haben die russischen Streitkräfte nach eigenen Angaben eine Kleinstadt und drei Dörfer in der ostukrainischen Region Donezk eingenommen. Die Armee habe die Stadt Krasnohoriwka, die vor Beginn der Kämpfe 16.000 Einwohner hatte, eingenommen, teilte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag mit.
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In Kursk halten sich die Ukrainer zwar bisher, kommen aber auch nicht weiter. Was Putin nicht sagt, was aber eine wichtige Rolle spielt: In zwei Monaten wählen die USA einen neuen Präsidenten. Wird es Donald Trump, steht zu befürchten, dass die militärische Unterstützung für die Ukraine zusammenfällt – eine große Hoffnung für Putin.
Indes wächst der Druck auf Russlands Verbündeten Iran. Von dort stammen die Shahed-Drohnen, die Russland in großer Zahl gegen die Ukraine einsetzt. Dafür belegen die USA das Regime in Teheran nun mit neuen Sanktionen. Wie stark sie sich auswirken werden, bleibt abzuwarten.
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