Berlin. Mit der Kursk-Offensive gelingt Selenskyj ein Überraschungscoup: Doch sein Ziel verfehlt er womöglich – denn die Wut ist groß im Kreml.
Nicht nur Olaf Scholz, Kamala Harris und Emmanuel Macron wollen Friedensgespräche mit Russland, auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und immerhin 40 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer sprechen sich für Verhandlungen aus. Nur ein Drittel der Bevölkerung ist laut einer Umfrage des Rasumkow-Zentrums strikt dagegen. Gute Voraussetzungen für die vom Kanzler angestrebte Friedenskonferenz, könnte man meinen – doch aus dem Kreml kommt nun die Absage.
Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates und ehemalige Verteidigungsminister, Sergej Schoigu, erklärte in russischen Medien, es werde keinerlei Verhandlungen mit der Ukraine geben, solange Kiew „die ukrainischen Terroristen nicht aus Kursk abzieht“. Der enge Vetraute von Kremlchef Wladimir Putin behauptete auch, die ukrainische Armee habe versucht, das Kernkraftwerk in Kursk zu besetzen. Dies sei nichts anderes als Terrorismus auf höchstem Niveau. „Mit Terroristen verhandeln wir nicht, haben wir nie verhandelt und werden wir nie verhandeln“, so Schoigu.
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Schon zuvor war aus dem Kreml eher Ablehnung gegenüber der Idee einer Friedenskonferenz zu hören gewesen. Man sehe derzeit keine Grundlage für Gespräche, hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärt: „Was eine friedliche Beilegung des Konflikts in der Ukraine betrifft, zeichnen sich bislang keine greifbaren Konturen ab.“ Man höre Erklärungen aus verschiedenen europäischen Ländern. „Aber wir hören dazu nichts aus dem Land, das diesen Prozess steuert, das den kollektiven Westen dirigiert.“ Gemeint waren die USA.
Zur Friedenskonferenz im Juni war Russland nicht eingeladen
Peskow hatte damit auf Signale aus Deutschland reagiert, eine Friedenskonferenz im Beisein von Russland zu organisieren. „Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben. Und der (ukrainische) Präsident und ich sind einig, dass es auch eine sein muss mit Russland dabei“, sagte Scholz am Sonntag im ZDF-Sommerinterview. Jetzt sei der Moment, „in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen“.
Bereits im Juni hatte sich bei einer Friedenskonferenz in der Schweiz das Who‘s who der westlichen Politik eingefunden, um über eine mögliche Lösung in dem Konflikt zu diskutieren. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war vor Ort. Schließlich ging es um nicht weniger als die Frage, wie die Menschen in dem kriegsgeplagten Land in Frieden leben können. Russland allerdings war nicht eingeladen – aus einem einfachen Grund.
Für einen „gerechten Frieden“ geht Selenskyj großes Risiko ein
Moskau hatte Verhandlungen über Frieden in der Vergangenheit stets mit Forderungen nach Gebietsabtretungen der Ukraine und die russische Kontrolle über eine Restukraine verbunden – also faktisch die Kapitulation Kiews und das Ende der Souveränität des überfallenen Staates. Präsident Selenskyj betonte hingegen immer wieder, das Ziel sei, die russisch besetzten Gebiete einschließlich der Krim zurückzugewinnen.
Experten werteten die Offensive in Kursk auch als Versuch, die Verhandlungsposition Kiews zu verbessern. Berichten zufolge sollte ein Moratorium verhandelt werden, damit die Anschläge gegen zivile Infrastruktur in der Ukraine aufhören. Doch davon sind die Konfliktparteien bislang weit entfernt. „Die Russen würden sich mit Verhandlungen selbst einen Gefallen tun, weil ihre eigenen Kraftwerke immer wieder massiv beschädigt werden“, erklärte der Militärexperte Carlo Masala im Interview mit dieser Redaktion. „Man muss aber klar sagen: Friedensgespräche standen nie zur Debatte.“
Der Plan des ukrainischen Präsidenten ist riskant. Bislang reicht die westliche Militärhilfe allem Anschein nach nicht aus, um die russische Armee zurückzudrängen und gleichzeitig das eroberte Territorium in Russland dauerhaft zu halten. Bis zu dem von Selenskyj geforderten „gerechten Frieden“ ist es noch ein langer Weg.
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