Berlin. Der frühere Gesundheitsminister bestellte Milliarden Schutzmasken – und bezahlte nicht alle. Das könnte nun 2,3 Milliarden Euro kosten.
Teure Corona-Schutzmasken, viel zu viele davon – und dann auch noch Ärger mit den Lieferanten: Weil das Bundesgesundheitsministerium unter dem damaligen Minister Jens Spahn (CDU) möglicherweise folgenschwere Fehler bei der Beschaffung machte, drohen dem Bund nun Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte dazu bereits am Freitag in einem Rechtsstreit entschieden.
Im Fall Bundesrepublik Deutschland gegen die Handelsfirma GDM Trading GmbH hat das Gesundheitsministerium eine Niederlage kassiert. Das Problem für den Bund: Es gibt noch weitere anhängige Klagen anderer Lieferanten. Insgesamt wollen die Firmen wegen gelieferter, aber nicht bezahlter Corona-Masken 2,3 Milliarden Euro einklagen. Das Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte an, die in Betracht kommenden Rechtsmittel prüfen zu wollen.
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Angesichts der drohenden Milliardenstrafen fordert die FDP umfassende Aufklärung. „Die Koalition muss sich schon wieder mit den politischen Mängeln der CDU-Vorgängerregierungen befassen. Die wirtschaftspolitischen Kompetenzen von Jens Spahn liegen mit einem potenziellen Schaden von 2,3 Milliarden Euro schwarz auf weiß auf dem Tisch der Steuerzahler“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der Liberalen im Bundestag, Christoph Meyer, dieser Redaktion.
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Masken-Beschaffung: FDP will Enquete-Kommission zur Coronapolitik
Neben der rechtlichen Klärung müsse auch eine politische Aufarbeitung erfolgen, zum Beispiel im Rahmen einer Enquete-Kommission zur Coronapolitik, so Meyer weiter. Auch die SPD kritisierte den früheren Gesundheitsminister. Spahn sollte sich „an Mindeststandards halten und unverzüglich seine Sicht der Dinge darlegen“, forderte der Fraktionsvize Achim Post. Konkret fällt dem Bund nun das vom damaligen Gesundheitsminister gestartete, sogenannte Open-House-Verfahren auf die Füße. Darin hatte das Ministerium den Lieferanten garantiert, für jede FFP2-Maske 4,50 Euro zu bezahlen. Danach wurde man von Angeboten derart überschüttet, dass die Angebotsfrist auf wenige Tage verkürzt wurde.
Problematisch sei laut NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung gewesen, dass damals bereits mehr als 700 Lieferanten angekündigt hatten, Masken an den Bund zu liefern. Die Vorgabe des Hauses von Spahn sei allerdings gewesen, dass die Ware bis 30. April 2020 eingetroffen sein müsste. Falls nicht, sei das ganze Geschäft ungültig und die Lieferungen müssten nicht bezahlt werden. Dieses Verfahren ist nun von den Kölner Richtern für ungültig erklärt worden.
Die Klausel hätte die Lieferanten „unverhältnismäßig benachteiligt“, erläuterte Richter Daniel Lübcke als Sprecher des Gerichts. Den Lieferanten hätte demnach die Möglichkeit einer Nacherfüllung eingeräumt werden müssen. Die strittige Open-House-Klausel könnte nun auch Auswirkungen auf andere Rechtsstreitigkeiten haben. Die Zahl der Verfahren im Zusammenhang mit Maskenlieferungen an den Bund waren zuletzt stark angestiegen.
Ministerium hält an eigener Rechtsauffassung fest, CDU ist genervt
Laut Gesundheitsministerium waren im Oktober 2023 noch 73 Gerichtsverfahren mit einem Streitwert in Höhe von 988 Millionen Euro anhängig. Mittlerweile sind es rund 100 Fälle bei Gericht. Insgesamt geht es um gut 2,3 Milliarden Euro. Aus dem Millionenrisiko ist für den Bund also inzwischen ein Milliardenrisiko geworden. Möglicherweise könnte die Summe wegen zu zahlender Zinsen seit dem Jahr 2020 sowie Anwalts- und Gerichtskosten noch höher ausfallen.
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte dieser Redaktion: „Der Bund hält an seiner anderslautenden Rechtsauffassung, wonach die Verträge insbesondere die fristgerechte Anlieferung normgerechter Ware vorsahen, ausdrücklich fest.“ Ob andere Zivilsenate des OLG Köln, bei denen ebenfalls Berufungsverfahren anhängig sind, die streitgegenständlichen Fragen anders beurteilten, bleibe offen, erklärte er. Die Grünen-Fraktion forderte dennoch Aufklärung und Transparenz.
„Als Haushaltsgesetzgeber brauchen wir ein umfängliches Bild und Klarheit darüber, was für Kosten durch Entscheidungen des damaligen Bundesgesundheitsministers und seines Ministeriums zur Maskenbeschaffung auf den Bund zukommen können“, erklärte die Fraktionschefin Britta Haßelmann dieser Redaktion. Innerhalb der Unions-Fraktion reagierte man genervt. „Man findet immer Experten, die hinterher sagen können, was man vorher hätte anders machen sollen“, sagte ein Abgeordneter. Auch bei der Impfstoffbeschaffung durch Minister Lauterbach seien „sinnlose Bestellungen“ getätigt worden.
Maskenbestellung ohne Plan: Rüge durch Bundesrechnungshof
Deutschland drohte zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 aufgrund von Produktions- und Lieferengpässen eine Versorgungskrise vor allem mit Schutzmasken. Die Bundesregierung beschloss daraufhin, selbst in der Beschaffung der Ausrüstung tätig zu werden. Das ging jedoch in großen Teilen schief. Der Bundesrechnungshof hatte erst kürzlich in einem Bericht gerügt, dass „jegliche Mengensteuerung“ gefehlt habe, zudem sei der Nutzen für die Pandemiebekämpfung „entsprechend gering“ gewesen.
Bis heute fehle im Gesundheitsministerium eine kritische Aufarbeitung, so die Rechnungsprüfer weiter. Während es in der kritischen Phase der Pandemie nur einen Bedarf von 275 Millionen Corona-Masken gegeben habe, habe das Spahn-Ministerium über verschiedene Beschaffungswege insgesamt 5,7 Milliarden Schutzmasken eingekauft und dafür 5,9 Milliarden Euro ausgegeben.
Weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen war, hatte das Ministerium bereits im vergangenen Jahr 1,2 Milliarden Schutzmasken vernichten lassen. Weitere 1,7 Milliarden Schutzmasken sind zur Vernichtung vorgesehen. Insgesamt sieht der Rechnungshof die Beschaffung und Bevorratung von Schutzausrüstung als „ineffizient und unwirtschaftlich“ an.
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