Berlin. Die 7-Tage-Inzidenz ist schon vierstellig. Die Corona-Saison hat Fahrt aufgenommen. Ein Grund dafür ist wohl die Virusvariante KP.3.1.1.
- Die geschätzte Corona-Inzidenz in Deutschland liegt laut RKI bereits bei 1000
- Die Viruslast im Abwasser ist deutlich gestiegen
- Virusvariante KP.3.1.1 wird immer dominanter
In Deutschland nimmt die Corona-Saison seit etwa fünf Wochen Fahrt auf. Dafür sprechen gleich drei Statistiken: die amtlichen Infektionszahlen, die Überwachung des Abwassers sowie freiwillige Meldungen aus der Bevölkerung.
In der Bevölkerung und im ambulanten Bereich setze sich ein Anstieg der Sars-CoV-2-Aktivität fort, heißt es dazu im aktuellen Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI). Und eine Sprecherin des RKI ergänzt auf Anfrage: „Den Begriff Corona-Saison verwenden wir bisher nicht.“ Bislang aber habe Sars-CoV-2 insbesondere im Herbst und Winter starke Erkrankungswellen verursacht. Deshalb ist auch künftig mit einem Anstieg der Fallzahlen in diesen Jahreszeiten zu rechnen, so die Sprecherin weiter.
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Insgesamt registriert das RKI derzeit eine Anzahl akuter Atemwegserkrankungen, „die weiterhin auf einem für diese Jahreszeit vergleichsweise hohen Niveau, jedoch etwas niedriger als in der Vorsaison um diese Zeit liegt“. Aktuell seien etwa 4,4 Millionen Menschen krank. Das Geschehen werde hauptsächlich durch Rhinoviren und Sars-CoV-2 bestimmt.
Corona: Selbstauskünfte direkt aus der Bevölkerung
Da in der Bevölkerung kaum noch auf Corona getestet wird, zeigt die amtliche Corona-Statistik nach Infektionsschutzgesetz ein wenig verlässliches Bild. Sie weist eine bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz von etwa 7 pro 100.000 Einwohner auf. Zwar ist auch hier in fast allen Bundesländern ein Anstieg sichtbar, außer in Sachsen-Anhalt (17,1) oder Sachsen (10,8), ist dieser aber leicht.
Deutlich bessere Erkenntnisse liefert hier die Auswertung von GrippeWeb, ein Online-Portal des RKI, das im Jahr 2011 erfunden wurde, um die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen in Deutschland zu beobachten. Das Kontroll-System verwendet Selbstauskünfte direkt aus der Bevölkerung. Die Ergebnisse seien „robust und schnell“, so das RKI.
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Für GrippeWeb werden registrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer wöchentlich gefragt, ob sie eine neue Atemwegserkrankung haben mit Symptomen wie Husten, Schnupfen, Halsschmerzen oder Fieber. Darüber hinaus werden potenzielle Nachweise zu Krankheitserregern abgefragt. Über diese Angaben ließen sich auch zu Covid-19 gewichtete Inzidenzen pro 100.000 Einwohner schätzen, erklärt das RKI.
Die Viruslast im Abwasser ist deutlich gestiegen
Laut GrippeWeb ist die geschätzte Sieben-Tage-Inzidenz für Corona in Deutschland bis zum 9. September auf 1000 gestiegen. Damit verzeichnete das RKI innerhalb eines Monats ein deutliches Plus. Zum Vergleich: Am 4. August lag die Inzidenz bei 600 pro 100.000 Einwohner.
Noch deutlicher wird das sich verstärkende Infektionsgeschehen im Vergleich zum Vorjahr. Mit Datenstand 5. September 2023 betrug die per GrippeWeb geschätzte Sieben-Tage-Inzidenz 450 pro 100.000. Am Ende lag die höchste Inzidenz des Vorjahres bei etwa 3000 im Dezember.
Ebenfalls auf eine deutlich frühere Corona-Saison weisen die Ergebnisse des Abwassermonitorings hin: Hier wird die Last von Sars-CoV-2 bundesweit im Abwasser überwacht. Für die Woche bis zum 2. September liegen Daten aus 122 Kläranlagen vor. Seit Anfang August sei auch hier ein Anstieg in der „aggregierten Sars-CoV-2-Viruslast zu beobachten“, so das RKI. Auffällig dabei: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (84.000 Genkopien pro Liter) ist die aktuelle Viruslast im Abwasser deutlich höher (mehr als 128.000 Genkopien pro Liter).
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RKI geht von weiter steigenden Zahlen aus
Für die kommenden Wochen verheißt diese Entwicklung: viele Infektionen, Arztbesuche und Fehltage aufgrund von Corona-Infektionen: Schon im vergangenen Jahr gab es in Herbst und Winter Millionen davon. Auch wenn das RKI auf Anfrage keine Prognose abgeben will, geht das Institut laut Wochenbericht davon aus, dass die Zahlen weiter steigen werden.
Ein Grund dafür sei das Ende der Sommerferien. „Erfahrungsgemäß hatten die Ferien in den Bundesländern einen abschwächenden Einfluss auf die Krankheits-Aktivität gehabt, da weniger Kontakte in geschlossenen Räumen stattfinden. Ein erneuter Anstieg nach dem Ferienende wurde auch in den Vorjahren beobachtet“, schreibt das RKI.
Was die Belastung des Gesundheitssystems betrifft, sieht das Institut in den Daten aktuell keinen Grund zur Besorgnis: „Die Zahl schwer verlaufender Atemwegsinfektionen bleibt insgesamt auf einem niedrigen Niveau.“ Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums lag die Sieben-Tage-Inzidenz für Krankenhauseinweisungen mit oder wegen Corona über alle Altersklassen recht stabil bei 1,7.
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Virusvariante KP.3.1.1 – Erkenntnisse aus Japan
Ein Grund für die sich aufbauende Welle dürfte die Corona-Variante KP.3.1.1 sein, eine Sublinie von JN.1. Diese ist laut RKI seit etwa zwei Wochen unter den in Deutschland zirkulierenden Sars-CoV-2-Linien mit einem Anteil von 72 Prozent an den Neuinfektionen dominant.
Nach Einschätzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Japan hat diese Variante einen deutlichen Fitnessvorteil gegenüber den Vorgängern. In ihrer im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichten Studie haben sie dafür die effektive Reproduktionszahl von KP.3.1.1. berechnet. Dies ist die erwartete Anzahl von Neuinfektionen, die durch ein infektiöses Individuum in einer Bevölkerung verursacht werden, in der einige Individuen möglicherweise nicht mehr anfällig sind.
Für ihre Berechnung zogen die Forscher aus Tokio Überwachungsdaten aus Großbritannien, den USA, Kanada, Spanien und Frankreich heran. In allen Ländern, so die Stude, hatte KP.3.1.1 „eine wesentlich höhere Reproduktionszahl als die Vorläufer KP.2, KP.2.3 und KP.3.“ Mithilfe weiterer Tests wurden auch Infektiosität und Reaktion auf Antikörper des Immunsystems überprüft. Die Infektiosität von KP.3.1.1 war den Angaben zufolge höher und die Anfälligkeit für abwehrende Antikörper niedriger.
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