Berlin. Der Handlungsdruck in der Flüchtlingspolitik ist enorm. Das sollte niemanden dazu verleiten, unseriöse Versprechungen zu machen.

Am Ende hatten sich wieder alle lieb – zumindest für den Augenblick. So ist das eigentlich immer, wenn der Kanzler und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer zusammenkommen. Olaf Scholz (SPD) referierte zu später Stunde, was er und seine Regierung schon alles hinbekommen hätten, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren und Asylverfahren zu beschleunigen. Und die Länder lobten, dass der Kanzler und seine Leute jetzt bereit sind, Vorschläge für die Auslagerung der Verfahren in Drittstaaten zu erarbeiten. Von einem „Meilenstein“ sprach der hessische CDU-Regierungschef Boris Rhein.

All das konnte man am Donnerstagabend im Berliner Kanzleramt besichtigen, wo der Hausherr und die Länder-Ministerpräsidenten zu einer ihrer üblichen Runden zusammengekommen waren. Erfahrungsgemäß wird die Harmonie nicht lange halten. Dafür ist die Lage viel zu ernst.

Das Thema Flüchtlinge treibt Bund und Länder seit dem Ende der Corona-Pandemie sowie dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wieder verstärkt um. Und nicht nur sie: Auch den Bürgern brennt das Thema unter den Nägeln, wie die jüngsten Europawahlen abermals deutlich gemacht haben.

Flüchtlinge: Druck dürfte in kommenden Jahren eher zunehmen

Von Zuständen wie 2015, als binnen kürzester Zeit Hunderttausende Schutzsuchende ins Land kamen, ist Deutschland weit entfernt. Gleichwohl ist der Zustrom stark. Kommunen und Länder tun sich weiterhin schwer damit, Flüchtlinge angemessen zu versorgen. Ohnehin vorhandene Probleme wie der Mangel an Wohnraum oder Kitaplätzen werden dramatisch verschärft. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden hierzulande 113.000 Asylanträge gestellt, im gesamten vergangenen Jahr waren es 352.000. Überdies suchen mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Schutz in Deutschland.

Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent in der FUNKE Zentralredaktion.
Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent in der FUNKE Zentralredaktion. © Reto Klar | Reto Klar

Angesichts dieser Gemengelage ist es zwingend, dass die Politik das Thema ernst nimmt und über Wege streitet, um den Migrationsdruck zu mindern. Nur sollten die demokratischen Parteien nicht den Fehler begehen, den Wählern mit Blick auf die nächsten Urnengänge zu viel zu versprechen. Die Populisten vom rechten und vom linken Rand kriegt man auf diese Weise jedenfalls nicht klein. Deutschland ist keine Insel, das wohlhabende Europa liegt in der Nachbarschaft instabiler Weltregionen.

Auf dem alten Kontinent selbst tobt ein brutaler Vernichtungskrieg. Die Zahl der Flüchtlinge dürfte in den kommenden Jahrzehnten weltweit eher noch zunehmen, unter anderem bedingt durch den Klimawandel. Was die wünschenswerte Beschränkung der illegalen Zuwanderung betrifft, gilt die Erkenntnis: Es gibt nicht das eine Instrument, das alles vom Kopf auf die Füße stellt. Es gibt nicht diese eine Taste, den man nur drücken müsste, um die Situation grundlegend zu ändern. Wer das Gegenteil behauptet, macht sich und anderen etwas vor.

Asylpolitik: Schnell und schmutzig geht nicht in einer Demokratie

In der politischen Debatte hierzulande konnte man in den vergangenen Monaten mitunter den Eindruck gewinnen, dass einige Akteure gleichwohl für sich in Anspruch nehmen, die eine Taste gefunden zu haben. Mal war es die Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems, mal die Einführung der Bezahlkarte, neuerdings scheint es die Auslagerung von Asylverfahren in Staaten jenseits der EU-Grenzen zu sein. Beim letztgenannten Punkt macht insbesondere die Union Druck, obwohl die bisherigen Erfahrungen in anderen europäischen Staaten ziemlich ernüchternd sind.  

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    Jede Maßnahme kann hilfreich sein, aber wirksam ist bei solch komplizierten Angelegenheiten allenfalls eine Kombination von vielen verschiedenen Ansätzen. Jeder für sich muss den Vorgaben der Verfassung und des europäischen Rechts entsprechen. Alles ist zeitraubend, alles ist kompliziert. Schnell und schmutzig geht nicht in einer Demokratie.