Berlin. Kickende Abgeordnete, Gratis-Tickets für Politiker, eine Schiedsrichterin im Parlament: Sechs Fakten für die Wartezeit bis zum Anpfiff.

Wer trainiert die Elf des Bundestags? Warum schaut sich Olaf Scholz das Eröffnungsspiel nicht an? Und welche Politiker bekommen Gratis-Tickets fürs Stadion? Alles, was man über Politik und Fußball wissen muss - zum Start der Europameisterschaft an diesem Freitag.

Wo guckt Olaf Scholz die Spiele?

Der Bundeskanzler wird das Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft verpassen. Olaf Scholz ist beim G7-Gipfel in Italien und bekommt laut Programm am Freitagabend mit seiner Frau Britta Ernst und den anderen Staats- und Regierungschefs erst einen Auftritt des italienischen Startenors Andrea Bocelli geboten, bevor es dann zum Abendessen geht.

Bei anderen wird es zumindest eng: Thorsten Frei, Fraktionsmanager der Union im Bundestag, fährt am Freitag 750 Kilometer weit nach Hause, um das Spiel mit seiner Familie in Donaueschingen zu schauen – im tiefen Südwesten. „Das wird das Highlight der Woche! Hoffentlich bin ich rechtzeitig zum Anpfiff zurück aus Berlin.“

SPD-Chefin Saskia Esken hat sogar ein Ticket fürs Stadion in München: „Ich freue mich sehr auf diese Europameisterschaft, weil sie die Gelegenheit bietet, Europa nicht nur als Wahlkampfthema zu erleben, sondern als das Zusammenspiel befreundeter Völker.“ NRW-Regierungschef Hendrik Wüst weiß sogar schon, wo er das nächste Deutschlandspiel sehen will: Am Vorabend der Ministerpräsidentenkonferenz am kommenden Donnerstag ist der CDU-Mann in Berlin. Sollte er beim Fußballgucken ein Trikot mit der Nummer eins tragen, hätte die Union gleich wieder eine K-Debatte.

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Scholz will von den weiteren Spielen der deutschen Mannschaft so viele wie möglich im Stadion verfolgen. Wie viele – das hängt nicht nur vom Terminkalender des Kanzlers ab, der in den kommenden Wochen mit seinen Koalitionspartnern auch noch den Bundeshaushalt für das nächste Jahr verhandeln muss. Sondern auch davon, wie weit die Elf von Trainer Julian Nagelsmann im Turnier kommt.

Bekommen Politiker Gratistickets?

Abgeordneten des Bundestages steht bei dieser Heim-EM „ein sehr begrenztes Kontingent an Ehrenkarten zur Verfügung“, heißt es in der Pressestelle des Parlaments. Entsprechend groß dürfte die Nachfrage gewesen sein. Nach Informationen unserer Redaktion wurden zunächst nur den Präsidiumsmitgliedern des Bundestages, den Fraktions- und Parteivorsitzenden und dem Vorsitzenden des Sportausschusses Tickets angeboten. Zwischen fünf und 17 Karten werden demnach pro Spiel an diese Auswahl abgegeben. Sollten Tickets übrig bleiben, könne sich ein weiterer ausgewählter Personenkreis bewerben. Einfache Abgeordnete dürften also leer ausgehen.

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Gehören Abgeordnete zum Kreis derer, die ein Ticket bekommen haben, dann können sie es weder weitergeben noch eine Begleitperson mitnehmen. In den Landesparlamenten läuft die Vergabe zumTeil weniger restriktiv. So hatten die Fraktionen der Linken und der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus vorgeschlagen, ihr eigenes Kontingent von mehr als 50 Gratistickets an Ehrenamtliche zu verschenken.

Wer steht beim FC Bundestag im Tor?

Es läuft gerade nicht gut für die Mannschaft des FC Bundestag: Erst ein einziges reguläres Spiel konnten die Abgeordneten in diesem Jahr für sich entscheiden. In der Partie gegen den Fuhrparkservice der Bundeswehr erzielte das Team vier Tore ohne Gegentreffer.

Die Mannschaft besteht aus Bundestagsabgeordneten, die sich immer dienstags in der Sitzungswoche zum Training treffen. Während die Finalteams der EM im Berliner Olympiastadium vor fast 75.000 Zuschauern um den Pokal spielen, werden die Partien der Berufspolitiker im Berliner Ludwig-Jahn-Sportpark vor höchstens 20.000 Besuchern ausgetragen. Die Gegner: Parlamentarier aus dem Ausland, andere Politikerteams oder Mannschaften von Verbänden oder Betrieben.

Teamfoto mit Can: Kompletter Kader vor Schottland im Training

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    Noch im Mai fuhren die Amateursportler zu ihrer eigenen EM in die Schweiz. Mit ordentlich Ärger im Kader: Die Mannschaft wehrt sich seit längerem dagegen, Abgeordnete der AfD aufzunehmen. Da es sich bei der Fahrt um eine interfraktionelle Dienstreise handelte, mussten sie den ungeliebten Mitspieler Malte Kaufmann zwar mitnehmen. Aufstellen wollte Trainer Felix Magath den AfD-Politiker aber nicht. Am Ende sprang für den FC Bundestag der dritte Platz raus.

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    Dirk Wiese, Fraktionsvize der SPD, steht im Tor, der Ostbeauftragte Carsten Schneider (SPD) spielt im Mittelfeld. Für die CDU/CSU Fraktion steht unter anderem Hubert Hüppe in der Abwehr. Auch Generalsekretär Carsten Linnemann ist als Spieler gelistet. In der Vergangenheit kickten Politiker-Größen wie Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), sein Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) und Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) die Kugel über den Platz.

    Was macht eine Schiedsrichterin im Bundestag?

    Auch vier Frauen sind zur Zeit Teil des FC Bundestag. Unter ihnen ist Maja Wallstein, die bereits Erfahrungen als Schiedsrichterin sammeln konnte. Die 38-Jährige SPD-Abgeordnete aus Cottbus und ehemalige Juso-Vorsitzende in Brandenburg pfeift in ihrer Freizeit Spiele für den Landesverband sowie im Kreis Havelland. In einem Interview mit der „Zeit“ hatte sie einmal erklärt, in der Politik und als Schiedsrichterin helfe es ihr, in hektischen Situationen ruhig zu bleiben, laut zu reden und sich Gehör zu verschaffen.

    Tritt Hummels jetzt doch an?

    Das Sammeln gehört vor und während großer Fußballturniere irgendwie dazu. Früher waren es Panini-Klebebildchen, heute sind es auch Sammelkarten – und neuerdings Plastikfußballmännchen aus dem Hause der deutschen Spielwarenfirma Playmobil.

    Dabei allerdings haben sich die Macher gründlich vertan. Oder besser: Bei der Auswahl der Spieler im Kader der Plastik-Nationalmannschaft war man wenig treffsicher. Sieben der 15 produzierten Kunststoff-Kicker sind letztlich nicht Teil des tatsächlichen Turnierkaders der deutschen Elf geworden. Playmobil, der Deutsche Fußball Bund (DFB) und der Lebensmitteleinzelhändler Edeka nominierten für ihre Männchenmannschaft unter anderem Mats Hummels, Robin Gosens, Niklas Süle oder auch Timo Werner – Bundestrainer Julian Nagelsmann verzichtete hingegen auf sie.

    Startelf für die Partie „Deutschland – Schottland“ aus Sicht von Playmobil.
    Startelf für die Partie „Deutschland – Schottland“ aus Sicht von Playmobil. © Playmobil | PLAYMOBIL

    Wie es zu der kuriosen Playmobil-Mannschaft kam? Naja. Einem Insider zufolge meldete der DFB schon vor gut einem Jahr die Fußballer an, die Playmobil dann auch herstellte. Nagelsmann war da noch gar nicht Chefcoach der Nationalmannschaft. Mittlerweile hat man aber reagiert. Playmobil hat in der Zwischenzeit nachproduziert: Nun gibt es auch Plastikfiguren von Jonathan Tah, Maximilian Mittelstädt und Toni Kross. Immerhin, so witzelt der Insider, bekomme man somit dann doch noch eine wirkliche Playmobil-Elf zustande.

    Ist der Pokal ein Original?

    Zwar nicht aus Plastik, aber auch nicht das Original: Laut Uefa-Regularien verbleibt die Originaltrophäe, der „Henri-Delaunay-Pokal“ stets in Obhut und im Besitz der europäischen Fußballorganisation. „Der siegreiche Verband erhält eine Replik in Originalgröße“, heißt es in Artikel 10 der offiziellen Turnier-Regularien. Wer den fast echten Cup für die siegreiche Nation herstellt, verriet die Uefa auf Nachfrage nicht.

    Die renommierte Bremer Pokalmanufaktur Koch & Bergfeld, die unter anderem die offiziellen Repliken für den Bundesliga-Meister, den DFB-Pokal-Sieger oder auch den deutschen Handball-Pokalsieger herstellt, ist es jedenfalls nicht. Dort aber weiß man, wie aufwendig es sein kann, eine solche Replik zu produzieren. „Die Bundesliga-Meisterschale nimmt circa acht bis zehn Wochen in Anspruch“, sagte eine Mitarbeiterin dieser Redaktion. Immerhin: Auch in den nicht ganz so originalen Trophäen steckt also Schweiß und Arbeit.