Brüssel. Sie sind oft günstiger als heimische Modelle: Die neuen EU-Pläne für Chinas E-Autos können drastische Folgen haben – auch ungewollte.
Elektroautos aus China erobern langsam, aber stetig den Markt in Deutschland und Europa. Ihr Vorteil: Sie sind oft günstiger als heimische Modelle. Aber dieser Vorzug könnte schrumpfen: Die EU wirft China unfaire und regelwidrige Staatshilfen für seine Autoindustrie vor und will deshalb jetzt Strafzölle von bis zu 38 Prozent auf die importierten E-Autos erheben. Die chinesische Regierung droht mit Vergeltung – auch gegen deutsche Autobauer. Wie gefährlich wird der Handelskonflikt?
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Die Kommission erklärte am Mittwoch in Brüssel, die laufende Antisubventionsuntersuchung habe ausreichende Beweise ergeben, dass die Produktion von E-Autos in China „von unfairen Subventionen profitiert“ – zum Schaden der europäischen Hersteller. Die neuen Zölle werden sich je nach Hersteller unterscheiden, abhängig davon, wie viel Staatshilfe den Firmen in China zugeflossen ist und wie gut sie mit der Kommission bei der Untersuchung zusammengearbeitet haben. Der chinesische Staatshersteller Saic muss ab Juli mit 38,1 Prozent den höchsten Zoll bezahlen, die Hersteller Geely mit 20 Prozent und BYD mit 17,4 Prozent den niedrigsten Zoll. Allerdings räumt die Kommission eine Schonfrist ein: Bis November sei Zeit, eine andere Lösung zu finden, so lange werden die Zölle ausgesetzt – ohne eine Einigung würden die Abgaben rückwirkend ab Juli erhoben.
Der Anteil chinesischer Marken am Stromerabsatz in der Europäischen Union liegt im einstelligen Bereich, wächst allerdings schnell – schon dieses Jahr könnte er auf elf Prozent klettern, schätzt eine Analyse des europäischen Umwelt-Dachverbands Transport und Umwelt (T&E). Der Verband erwartet, dass ein Strafzoll „mittelgroße Fahrzeuge und SUV teurer macht als vergleichbare europäische Modelle“. Kompakte SUV und Oberklasse-Limousinen dürften trotzdem „etwas billiger bleiben“. Die Gewinnspannen für chinesische E-Auto-Verkäufe in Europa gelten zwar als relativ hoch. Aber nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hätten die Zölle sehr wohl spürbar steigende Kaufpreise für Elektroautos zur Folge: Sie könnten zu einem Rückgang der Elektroauto-Importe aus China um rund 25 Prozent führen, sagte IfW-Experte Moritz Schularick.
Bundesregierung war bis zuletzt gegen die Entscheidung der EU
Die chinesische Regierung reagierte empört: Die Sonderzölle der EU würden Marktregeln verletzen, erklärte das Außenministerium. Man prüfe Maßnahmen, um die eigenen Interessen zu verteidigen. Dazu gehört nach früheren Informationen ein Strafzoll auf europäische Oberklasse-Limousinen und SUV, was vor allem deutsche Autobauer treffen würde. Handelsminister Wang Wentao habe kürzlich in einem Schreiben an die Kommission auch mit Vergeltungsmaßnahmen gegen den Agrar- und Luftfahrtsektor der EU gedroht, berichten Brüsseler Beamte. Verteuern dürften sich etwa Importe von französischem Cognac, offenbar als Retourkutsche für Präsident Emmanuel Macron, der auf den harten Kurs gegen China gedrängt hatte.
Die Bundesregierung hatte wegen der befürchteten Reaktionen aus Peking bis zuletzt versucht, die Strafzölle zu verhindern. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) warnte: „Strafzölle der EU-Kommission treffen deutsche Unternehmen und ihre Spitzenprodukte.“ Fahrzeuge müssten durch mehr Wettbewerb, offene Märkte und erheblich bessere Standortbedingungen preiswerter werden, „nicht durch Handelskrieg und Marktabschottung“. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärte, das Risiko eines globalen Handelskonfliktes nehme zu.
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Die großen deutschen Autohersteller wie Mercedes oder Volkswagen, die mehr als 30 Prozent ihrer Neuwagen in China verkaufen, hatten sich im Vorfeld gegen Strafzölle gewandt. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnte vor negativen Folgen für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft: „Während die Zölle auch deutsche Autobauer in China betreffen, bahnen sich mit den bereits angekündigten Gegenmaßnahmen Chinas weitere Handelshemmnisse für die deutsche Wirtschaft an“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Die EU muss aufpassen, nicht zwischen die geopolitischen Mühlen seiner zwei wichtigsten Handelspartner zu geraten.“
EU versus China: Handelskonflikt ist möglicherweise noch abwendbar
Der Europäische Verbraucherverband (Beuc) begrüßte dagegen die Brüsseler Entscheidung nachdrücklich: „Die EU-Zölle auf Importe chinesischer Elektroautos sind notwendig, um fairere Marktbedingungen zu schaffen und allen Autoherstellern einen gleichberechtigten Wettbewerb zu ermöglichen“, sagte Beuc-Generaldirektorin Monique Goyens. Möglicherweise ist der große Handelskonflikt aber noch abwendbar: Die Zölle werden nach den EU-Regeln ohnehin erst mal für vier Monate eingeführt, dann müssen die EU-Staaten über die endgültigen Strafmaßnahmen entscheiden. Die Kommission will als Entgegenkommen die ab Juli geltenden Zölle nun bis November nicht erheben – bis dahin könnten Gespräche mit der chinesischen Regierung geführt werden, um das Problem der Wettbewerbsverzerrung anders zu lösen.
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Chinas Autoindustrie braucht angesichts großer Überkapazitäten den Marktzugang nach Europa, nachdem die US-Regierung die Zölle auf Elektroautos von 25 auf 100 Prozent erhöht hat. Die Kommission sieht deshalb Signale, dass Peking gesprächsbereit ist. Man wolle keine Eskalation, betonte ein hoher Beamter in Brüssel. Ziel sei es, sich mit der chinesischen Regierung zu verständigen, wie die Benachteiligung Europas im Wettbewerb behoben werden könne.
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