Berlin. Was die Ukraine-Hilfe betrifft, verfolgen der Kanzler und Frankreichs Präsident unterschiedliche Strategien. Das ist kontraproduktiv.
Manchmal sind Staatbesuche politische Festspiele. Es wird gefeiert, inszeniert. Es gibt Umarmungen und zukunftsweisende Reden. Die dreitägige Visite des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland fällt in diese Kategorie. Beim Demokratiefest zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes ist Macron der einzige ausländische Spitzenpolitiker. Das Staatsbankett im Schloss Bellevue mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist die große Bühne für die Feier der deutsch-französischen Freundschaft.
Doch die Polit-Lyrik der bilateralen Harmonie kann nicht darüber hinwegtäuschen: In zentralen Fragen ziehen Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht an einem Strang. Das gilt etwa für die Verteidigungspolitik: Macron will mehr Autonomie Europas, Scholz baut auf die transatlantische Partnerschaft mit den USA. Es trifft aber auch auf die Hilfe für die Ukraine zu.
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Macron ist in der Frage der militärischen Ausrüstung der Ukraine offensiver als Scholz. Der spricht sich zwar für maximale Unterstützung aus, aber – salopp formuliert – mit angezogener Handbremse. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant der Ukraine, das stimmt. Doch der Kanzler baut „rote Linien“ ein.
Scholz bremst, Macron zeigt weniger Zurückhaltung
So wird derzeit im Westen die drückende militärische Überlegenheit der Russen im Ukraine-Krieg mit Sorge betrachtet. Den Ukrainern stehen wegen des eklatanten Mangels an Luftabwehrsystemen und Munition schwere Wochen bevor. Vor diesem Hintergrund schlägt der Grünen-Politiker Anton Hofreiter nun vor, der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen für Ziele auf russischem Territorium zu erlauben. US-Außenminister Antony Blinken soll dies ebenfalls befürworten, wie auch die Briten.
Scholz lehnt dies vehement ab. Er befürchtet eine Eskalation des Ukraine-Kriegs und die Gefahr, dass die Nato Kriegspartei werden könnte. Mit dem gleichen Argument sperrt er sich gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Die Flugkörper müssten von Bundeswehrsoldaten programmiert werden, ergo sei Deutschland dann Kriegspartei.
Diese Zurückhaltung ist bei Macron nicht zu spüren. Das zeigt bereits die Zielsetzung. Macron sagt: Die Ukraine müsse den Krieg gewinnen, Russland müsse verlieren. Beim Kanzler heißt es: Die Ukraine dürfe nicht verlieren. Das lässt mehr Spielraum für Kompromisse, die es Russen und Ukrainern eines fernen Tages erlauben könnten, gesichtswahrend aus dem Krieg herauszukommen.
Macrons Vorstoß ist so kontraproduktiv wie Scholz‘ Nein
Macron ging sogar so weit, die Entsendung von Nato-Bodentruppen in die Ukraine ins Spiel zu bringen. Ein Vorschlag, der jetzt auch vom CDU-Verteidigungsexperten Roderich Kiesewetter aufgegriffen wurde. Der französische Präsident denkt jedoch nicht an einen aktuellen Truppeneinsatz der Nato. Für ihn ist allein die Drohung damit ein Mittel, Russland von einem breiten Vormarsch in der Ukraine abzuschrecken. Putin soll im Unklaren gelassen werden, ob das westliche Bündnis im Ernstfall eingreift oder nicht.
Dass Macron den Vorstoß ohne Abstimmung in der Allianz öffentlich gemacht hat, ist ebenso kontraproduktiv wie Scholz‘ demonstratives Nein. Putin kann sich über den Dissens freuen, denn es bestärkt ihn in seiner Politik der Spaltung des Westens. Eine Vorab-Koordinierung hinter verschlossenen Türen wäre hilfreicher gewesen.
Wenn Russland von künftigen Aggressionen abgehalten werden soll, ist die Geschlossenheit des Westens – insbesondere Europas – unverzichtbar. Das gilt vor allem mit Blick auf Deutschland und Frankreich, den Antriebskräften der EU. Scholz und Macron müssen ihren strategischen Schulterschluss inhaltlich sichtbarer machen. Deutsch-französische Festspiele allein reichen nicht.
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