Berlin. Eine Expertenkommission hat empfohlen, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz zu holen. Jetzt hat sich die FDP geäußert.

Als die Expertinnen vor gut einem Monat ihre Ergebnisse präsentierten, hatte mit dieser Eindeutigkeit kaum jemand gerechnet: Fachleute unter anderem aus Medizin und Rechtswissenschaft hatten im Auftrag der Ampel-Koalition überprüft, ob Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafgesetzbuchs gesetzlich geregelt werden können. Und sie kamen zu dem Schluss, dass das nicht nur möglich sei, sondern auch geboten. Die jetzige Regelung, nach der Abtreibungen zwar rechtswidrig, aber unter bestimmten Umständen straffrei sind, sei für die Frühphase der Schwangerschaft „nicht haltbar“.

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SPD, Grüne und FDP hatten die Expertinnen zwar beauftragt, wirkten vom Ergebnis von deren Arbeit aber trotzdem etwas überrumpelt. Das Echo war vorsichtig: Man werde den Bericht „nun erst einmal auswerten müssen“ und sich dann mit der Frage beschäftigen, welche Konsequenzen man daraus zieht, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP) nach der Vorstellung.

Abtreibung: FDP im Bundestag schlägt die Tür für eine Reform zu

Diese Auswertung ist zwar noch nicht abgeschlossen, wie das Justizministerium auf Anfrage mitteilt. Doch wenige Woche nach dem Bericht ist klar: Die Liberalen im Bundestag machen schon jetzt die Tür für jede Änderung der strafrechtlichen Regelung zu.

Kommission für Legalisierung von Abtreibungen in früher Phase

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    „Es gibt keine Vereinbarung in der Koalition, dass aus den Ergebnissen dieser Kommission Regierungshandeln folgt“, sagt Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, dieser Redaktion. „Und aus Sicht der FDP-Fraktion gibt es, was den Paragraf 218 angeht, auch keinen Handlungsbedarf: Ob der Abbruch in der Frühphase rechtmäßig oder rechtswidrig und straffrei ist, ist eine juristische Detailfrage.“ Sie spricht von einem „gesellschaftlich seit langem etablierten Kompromiss“, an dem zu rütteln sich die Fraktion nicht vorstellen könne.

    Helling-Plahr begründet das unter anderem mit einem hohen Risiko, dass eine Änderung des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs, der die Rechtswidrigkeit von Abbrüchen festlegt, vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde. „Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, dieses Risiko einzugehen.“ Das Bundesverfassungsgericht hatte zuletzt 1993 zu dem Thema entschieden und damals festgelegt, dass das grundsätzliche Verbot des Abbruchs bestehen bleiben müsse. Die Fachkommission war allerdings zu dem Schluss gekommen, dass diese Entscheidung so heute wahrscheinlich nicht mehr getroffen würde, und verwies dabei unter anderem auf Entwicklungen im internationalen Recht.

    Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sieht tatsächlich über die Einsetzung der Kommission hinaus kein Handeln vor. Trotzdem teilt man bei den Koalitionspartnern von SPD und Grünen die Einschätzung nicht, dass auf deren Ergebnisse nichts folgen soll.

    „Das Ziel kann nicht sein, dass wir alles lassen, wie es ist, mit dem Argument, es würde doch irgendwie funktionieren“

    Ulle Schauws

    Die Schlussfolgerungen der Kommission seien „klug, überzeugend und überfällig“, sagt Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen. Und daraus ergebe sich auch ein Handlungsauftrag für die Koalition. „Das Ziel kann nicht sein, dass wir alles lassen, wie es ist, mit dem Argument, es würde doch irgendwie funktionieren“, sagt sie. „Das tut es nicht.“ Der Handlungsdruck sei groß.

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    Schauws verweist dabei vor allem auf die Versorgungslage für Schwangere, die sich für einen Abbruch entscheiden. Die sei „erkennbar nicht mehr gut“ und werde künftig noch schlechter werden, weil große Alterskohorten von Ärztinnen und Ärzten, die jetzt noch Abbrüche vornehmen, demnächst in Rente gehen würden.

    Auch bei der SPD sieht man eine sich verschlechternde Versorgungslage. Doch noch gibt es bei den Sozialdemokraten keine Einigkeit, was daraus folgt. Die entscheidende Frage sei, ob mit Strafandrohung tatsächlich das ungeborene Leben geschützt werde oder ob das nicht besser mit anderen Methoden gehe, sagt Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. „Ich glaube, wir schützen es mit Strafandrohung nicht.“

    § 218: Eine Mehrheit für eine Änderung vor der Bundestagswahl scheint in weiter Ferne

    Eine offizielle Position der SPD-Fraktion zum Thema fehlt bislang, Breymaier rechnet damit, dass diese bis zur Sommerpause gefunden wird. Sollte sich die Koalition dann nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag für eine Reform einigen, müsse man über eine fraktionsübergreifende Initiative aus dem Parlament nachdenken. „Es wäre nicht das erste Mal, dass bei solchen gesellschaftlichen Themen die Abstimmung freigegeben wird“, sagt sie.

    Doch eine Bundestagsmehrheit für eine Änderung der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch scheint auch jenseits der Koalition in dieser Legislatur in weiter Ferne.

    Die Unionsfraktion hatte bereits mit Bekanntwerden der Ergebnisse der Kommission abgelehnt, auch nur eine Debatte über das Thema zu führen. Silvia Breher, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion und stellvertretende CDU-Parteivorsitzende, bekräftigte das gegenüber dieser Redaktion. „Auch in Deutschland würden die Positionen zu dem Thema radikaler werden“, sagt sie. „Das hilft den betroffenen Frauen nicht, wenn sich hier jetzt eine polarisierte Debatte entwickelt.“ Grund, an der derzeit geltenden Rechtslage etwas zu ändern, sieht sie nicht.

    Im Gegenteil, sagt Breher: Dem Ziel einer nötigen besseren Versorgung von Betroffenen würde man damit sogar eher schaden. Die ließe sich nur erreichen, wenn das gesellschaftliche Klima möglichst positiv sei. „Deshalb müssen wir alles, was einer Polarisierung dient, lassen.“