Berlin. Sein Team arbeitet an einem neuen Olaf Scholz: mehr Mensch, weniger Politiker. Dafür könnte der Bundeskanzler sogar Neuland betreten.
Der Kanzler hat ein Machtwort gesprochen. Gemeint ist nicht sein „Nein“ zur Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine. Auch nicht das bestimmte „Hör auf zu brüllen! Schluss!“, mit dem Olaf Scholz auf der Leipziger Buchmesse eine Störerin zurechtwies. Das Machtwort sprach der Kanzler auf seinem Instagram-Account: „Eine Preisbremse wird es nicht geben.“ Für Heizkosten? Strom? Nein: Der Kanzler redete über eine „Dönerpreisbremse“.
Danach werde er immer wieder von jungen Menschen gefragt, berichtete Scholz. Aber der Preis auch für Döner ergebe sich in einer Marktwirtschaft nun einmal aus Angebot, Nachfrage und den Kosten. Also: keine Preisbremse für Döner. Auch andere Fragen, die ihm aus der Kanzler-Community gestellt werden, beantwortet Scholz auf Instagram mit schonungsloser Offenheit. Weißwurst oder Currywurst? „Currywurst.“ Pommes Mayo oder Ketchup? „Mayo.“
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Der Kanzler will offenbar ein jüngeres Publikum ansprechen
Bei manchen Themen ist Scholz weniger eindeutig. Hält es der frühere Hamburger Bürgermeister mit dem FC St. Pauli oder dem HSV? Er drücke beiden Vereinen die Daumen, antwortet Scholz vage. Lieblingsfilm? „Gibt’s nicht.“ Ist er ein Hunde- oder ein Katzenmensch? „Ich bin vor allem Mensch. Aber: Ich hatte gerne einen Kater als Kind.“
Es sind nicht nur Fragen nach Fastfood, Fußball und Filmen, die Scholz auf Instagram von einem Tablet abliest. Es geht auch um Rechtsextremismus, um die Rente oder den Ukraine-Krieg. Auffällig ist aber, dass das Kanzlerteam sich bemüht, den 65-Jährigen in einem anderen Licht zu präsentieren: weniger Politiker, mehr Mensch. Ganz offensichtlich soll der Kanzler zudem ein jüngeres Publikum ansprechen.
Olaf Scholz zeigt sich offen für Tiktok
Das zeigt sich auch an der Wahl der Kanäle. Beantwortete der Kanzler die Fragen der Instagram-Nutzer 2023 in loser Folge, wurden seit Jahresbeginn bereits sieben der Clips veröffentlicht. In einem Podcast der „Zeit“ sprach Scholz nun mit der 25-jährigen Journalistin Yasmine M‘Barek über Respekt und viel Persönliches („Ich lese und ich faulenze auch. Dafür habe ich nicht viel Zeit. Aber es ist mir wichtig, dass es immer mal wieder vorkommt.“). Außerdem ist der Kanzler offenbar dazu bereit, Neuland zu betreten: Tiktok.
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Die bei Kindern und Jugendlichen äußerst beliebte App kommt aus China und gilt als schlimmste Datenkrake unter den Social-Media-Portalen. Viele Regierungen und offizielle Stellen schrecken davor zurück, Tiktok auf amtlichen Geräten zu installieren. In Deutschland beherrscht die AfD die Plattform, andere Parteien und auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach wollen dem nun etwas entgegensetzen. „Auch die Bundesregierung diskutiert das und ich halte das auch für richtig“, sagte Scholz kürzlich.
Scharping planschte, Merkel kochte, Macron boxt
Politiker zeigen seit jeher persönliche Seiten: Man denke an die Fotos von Helmut Kohl mit Schäferhund und Familie oder den verliebt im Pool planschenden Rudolf Scharping. Angela Merkel verriet einmal, dass sie gerne Kartoffelsuppe kocht – und dabei entspannen kann: „Wenn ich im Kochtopf rühre, denke ich nicht jede Sekunde: Die Kanzlerin rührt im Kochtopf.“ Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron macht aktuell mit Fotos Furore, die ihn am Boxsack mit gestähltem Bizeps zeigen.
Über seinen späten Weg zum Sport redet der Kanzler gerne öffentlich. War er als SPD-Generalsekretär vor 20 Jahren noch sehr rundlich, hält Scholz sich nun mit rudern und joggen fit. Gebracht dazu hat ihn Ehefrau Britta Ernst. Die Liebe zu Ernst ist ein anderer Teil seines Privatlebens, aus dem Scholz kein Geheimnis macht. Relativ unbekannt waren bisher des Kanzlers Kochkünste: Königsberger Klopse mache er gerne und gut, verriet Scholz jüngst in der Talkshow „3 nach 9“. Außerdem: „Ich esse gerne ganze Fische.“ Zuletzt zauberte er Zander im Backofen.
Scholz glaubt an Wiederwahl der Ampel-Koalition
Moderator Giovanni di Lorenzo zeigte sich am Ende des Gesprächs mit dem Kanzler erstaunt, dass „Sie viel mehr reden“ als früher. Liegt das etwa am Dauerkrach in der Ampel? Scholz zumindest hat noch Hoffnung für das Bündnis, wie er im „Zeit“-Podcast verriet: „Ich glaube, die Koalition kann sich so berappeln, dass sie bei den nächsten Wahlen als Sieger hervorgeht.“ Wie Scholz das anstellen will? Das verrät er vielleicht demnächst auf Instagram.
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