Berlin. Über den imperialen Wahn des Kremlchefs sollte sich niemand täuschen – auch nicht in der SPD. Diktatoren machen keine Kompromisse.
Selten wurde eine Wahlshow so komplett durchchoreografiert wie die der Kreml-Regisseure: Der russische Präsident Wladimir Putin wird mit fulminantem Ergebnis bei satter Wahlbeteiligung im Amt bestätigt werden. Ein triumphaler Sieg und eine überwältigende Zustimmung zum Krieg gegen die Ukraine: So lautet das Narrativ der staatlichen Jubel-Kommandos. Es steht alles bereits vorher fest.
Doch Putins bombastisches Demokratie-Spektakel ist mehr Schein als Sein. Es erinnert an die Erzählung über den Fürsten Grigori Alexandrowitsch Potjomkin, der 1787 Ortschaften aus bemalten Kulissen hat errichten lassen, um der Zarin Katharina der Großen den Wohlstand der eroberten Region Neurussland vorzugaukeln – die berühmten Potemkinschen Dörfer.
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Hinter Putins Potemkinschen Dörfern steckt die Propaganda-Lüge einer Diktatur. Die drei zugelassenen Konkurrenten sind Operettenkandidaten, die ein bisschen Wettbewerb suggerieren sollten – aber alle brav die Kreml-Melodie singen. Der aussichtsreichste Herausforderer, Kriegskritiker Boris Nadeschdin, wurde mit dem fadenscheinigen Verweis auf Formfehler disqualifiziert. Der gefährlichste Gegner des Präsidenten, Alexej Nawalny, wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit von Putins Schergen umgebracht.
Putin verstößt in annektierten Gebieten gegen Völkerrecht
Die Mitarbeiter von Behörden und Staatsunternehmen standen unter immensem Druck, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Dass Putin auch in den besetzten Gebieten der Ukraine abstimmen ließ, ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts und unterstreicht seine Rücksichtslosigkeit.
Der alte und neue russische Präsident zementiert mit dieser „speziellen Wahl-Operation“ seinen Ewigkeitsanspruch auf die Macht. Doch wie bei allen Diktatoren lässt sich bei Putin das Paradox der Alleinherrschaft beobachten: Je länger er im Amt ist, desto größer werden sein Misstrauen und seine Allergie gegen Widerspruch.
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Putin wird künftig noch mehr auf Angst und Terror setzen. Der Polizeistaat wird die Jagd auf Oppositionelle erhöhen. Diese sind auch im Ausland nicht mehr sicher, wie der brutale Angriff auf den Nawalny-Vertrauten Leonid Wolkow in Litauen zeigt. Wie Zar Iwan der Schreckliche, dessen Leibgarde – die „Opritschniki“ – im 16. Jahrhundert Gegner des Machthabers enteignen und hinrichten ließ, wird der Kremlchef künftig Andersdenkende noch mehr bedrohen und einsperren.
Friedenssehnsucht in der SPD kommt Putin gerade recht
Die wachsende Repression im Land geht einher mit einem immer barbarischeren Krieg gegen die Ukraine, in dem Hunderttausende Soldaten verheizt werden. Putin ist von einem imperialen Wahn besessen, der die Auslöschung der unabhängigen Ukraine vorsieht. Sein alter Satz, dass „der Zusammenbruch der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ sei, darf als ideologische Unterfütterung seiner Außenpolitik gesehen werden.
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Dahinter stecken Hass und Revanche gegen den Westen sowie der Wunsch, den Lauf der Geschichte für ein post-sowjetisches Imperium rückgängig zu machen. Dies hat schwerwiegende Konsequenzen für Europa. Putin baut darauf, dass dort die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung zu- und die Unterstützung für die Ukraine abnimmt – insbesondere in Deutschland.
Die neuerdings bei der SPD aufwallende Friedenssehnsucht kommt seinem Kalkül zupass. Fraktionschef Rolf Mützenich begeht mit seinem Vorschlag, über ein „Einfrieren“ des Krieges in der Ukraine zu sprechen, einen fatalen Denkfehler. Diktatoren wie Putin machen keine Kompromisse. Sie kämpfen für einen Diktatfrieden. Die Kapitulation der Ukraine wäre auch eine Niederlage für den Westen – und eine Einladung an Putin, weiterzumachen. Wollen wir das?
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