Berlin. Westliche Bodentruppen in der Ukraine seien „nicht ausgeschlossen“, sagt Frankreichs Präsident. Experte Masala sieht darin ein Kalkül.

Er zählt zu den bekanntesten Militärexperten in Deutschland: Carlo Masala. Der 55-Jährige lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um die beiden Konflikte in der Ukraine und in Israel.

Herr Masala, „der Mann im Kreml freut sich“, schrieben Sie kürzlich im Kurznachrichtendienst „X“ mit Blick auf den Ukraine-Krieg...

Carlo Masala: Das ist ja auch so. Die USA sind nicht in der Lage, ein Waffenpaket zu verabschieden. Europa zerlegt sich selbst, vor allem Frankreich und Deutschland, und der Ukraine geht die Munition aus. Aus Putins Perspektive läuft es optimal.

Stimmt Sie das resigniert?

Das zeigt einfach, dass der Teil der Strategie Putins, auf die Ermüdung des Westens zu setzen, aufgeht. Schauen Sie sich an, wie sich Emmanuel Macron am Montag in Paris über Olaf Scholz lustig gemacht hat. ‚Einige an diesem Tisch wollten vor zwei Jahren nur Schlafsäcke und Helme schicken‘ und ‚Einige an diesem Tisch haben zuerst Nein zu Panzerlieferungen gesagt und dann Ja‘. Am Dienstag folgte dann Scholz‘ Absage an Macrons Idee, dass Bodentruppen für die Ukraine nicht auszuschließen seien. Generell ist die Rhetorik der Bundesregierung seit Tagen: Wir sind der größte Lieferant der Ukraine, andere tun viel weniger. Das ist ja vornehmlich an Frankreich gerichtet und zeugt nicht gerade von europäischer Einigkeit.

Bodentruppen in die Ukraine? Macron erntet Widerspruch im Westen

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    Was bezweckt Macron mit diesem Vorschlag, Bodentruppen in die Ukraine zu verlegen? Die Idee stieß sofort auf breite Ablehnung…

    Macron war in Paris danach gefragt worden und hat gesagt, das sei nicht ausgeschlossen. Er hat damit eines gemacht: strategische Ambiguität hergestellt. In den letzten zwei Jahren haben wir den Russen ganz klar gesagt, wo unsere Grenzen liegen – nämlich in der direkten Kriegsbeteiligung. Damit waren wir für die Russen berechenbar. Damit konnten sie in der Ukraine machen, was sie wollten. Macron hat jetzt versucht, das umzudrehen – nach dem alten Prinzip ‚Halte deinen Gegner im Unklaren darüber, was du zu tun bereit bist‘. Im Prinzip also richtig – er hätte es nur vorher mit seinen europäischen Partnern abstimmen sollen.

    Schadet er damit dem deutsch-französischen Verhältnis?

    Sowohl Scholz als auch Macron schaden damit dem deutsch-französischen Verhältnis.

    Dabei kommt es jetzt eigentlich auf europäische Geschlossenheit an…

    Einer der Punkte ist: Die Bundesregierung hat sich seit Beginn dieses Krieges an die Seite der USA gestellt. Das hat den Franzosen von Anfang an nicht geschmeckt. Es ist auch nicht das erste Zerwürfnis. Denken Sie an Macron, der davon sprach, man dürfe Putin nicht demütigen… Das war nicht die Politik der Bundesregierung und der USA. Alle eint die Notwendigkeit, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verlieren darf. Eine große Liebe wird das aber nicht mehr, solange dieser Krieg läuft. Ein Schritt nach vorn ist, dass Frankreich seinen Widerstand gegen den Ankauf von Munition außerhalb der EU aufgegeben hat.

    Olaf Scholz hat sein Nein zu Taurus am Montag so deutlich gemacht wie noch nie zuvor. Verschläft die Bundesregierung hier gerade einen historischen Moment?

    Nein. Die Taurus-Marschflugkörper sind kein Gamechanger. Dieses Waffensystem wäre für die Ukraine für bestimmte Sachen sehr wichtig. Aber es gibt keine Waffen, die Gamechanger sind.

    Scholz‘ Argumentation, Deutschland dürfe nicht direkt in den Krieg hineingezogen werden, ist nicht neu. Warum hat er das nicht schon vor ein paar Monaten schon so deutlich gesagt?

    Das hat aus meiner Sicht einen innenpolitischen Hintergrund. Schauen wir uns einmal die Abfolge an: Es gab einen Antrag der Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag, in dem weitreichende Waffensysteme gefordert wurden. Der Sprecher der Bundesregierung hat darauf hingewiesen, dass Taurus nicht explizit darin steht. Die Taurus-Frage war damit erledigt. Ein paar Tage später kündigte Ralf Mützenich, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, an, der Kanzler werde sich erklären. Und dann erklärte sich der Kanzler nicht gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auf einer Journalisten-Konferenz.

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    Was schließen Sie daraus?

    Ich denke, das hat mit einem Widerstand zu tun, möglicherweise innerhalb der SPD. Aber vor allem mit Blick auf die Europawahlen im Juni und die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Was man sich ins Gedächtnis rufen muss: Im CDU-Antrag zu Waffenlieferungen an die Ukraine war sehr wohl die Rede von Taurus. Scholz kann jetzt natürlich Wahlkampf machen und sagen, ich bin der Umsichtige und verhindere, dass wir direkt in einen Krieg hineingezogen werden. Es ist schon augenfällig, dass das Thema ausgerechnet nach dieser Bundestagsdebatte abgeräumt wird.

    Tschechien hat nach eigenen Angaben 800.000 Schuss Munition aufgetrieben. Wäre das eine Wende im Krieg?

    Ja, es wäre eine Wende, weil es der Ukraine ermöglichen würde, die Front im Osten zu halten. Derzeit kann sie das nicht.

    Warum ist die Munition nicht schon im Land?

    Ich vermute mal, dass die Finanzierung noch nicht geklärt ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der tschechische Präsident sich so weit aus dem Fenster lehnen würde, wenn er nicht sicher wäre, dass die betreffenden Staaten – darunter die Türkei und Südafrika – zum Verkauf der Munition bereit sind.