Dresden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer über ein mögliches Ende des Krieges in der Ukraine – und wie er die AfD besiegen will.
Die Umfragen verheißen nichts Gutes für Michael Kretschmer. Acht Monate vor der Landtagswahl liegt die AfD klar über 30 Prozent – teilweise mit erheblichem Vorsprung auf die CDU. Sachsens Ministerpräsident sagt im Interview, wie er den Rechtsextremisten den Nährboden entziehen will – und warum sich die junge Generation an mehr Arbeit gewöhnen sollte.
Herr Kretschmer, Sie könnten in die Geschichte eingehen als erster Ministerpräsident, der von der AfD abgelöst wird. Mit welchem Gefühl gehen Sie in das Wahljahr?
Michael Kretschmer: Wichtig ist, was die Menschen umtreibt: die unkontrollierte Migration, der Krieg in der Ukraine, die gescheiterte Energiewende, der übergriffige Staat. Hierfür brauchen wir zwingend Lösungen. Viele Menschen haben das Vertrauen in die Demokratie verloren. Wir müssen alles dafür tun, dass die Europawahl und die Landtagswahlen nicht zu Protestwahlen werden.
Was genau?
Die Bundesregierung muss endlich die Realitäten in Deutschland zur Kenntnis nehmen und gemeinsam mit gesellschaftlichen Gruppen wie den Kirchen und der Wirtschaft, mit Organisationen wie Unicef und mit den Bundesländern einen neuen Weg gehen, der dieses Land wieder zusammenführt. Wenn Kanzler Scholz diese unglückliche Koalition unbedingt fortsetzen will, müssen sich die Ampelparteien auf die Lösung der großen Probleme dieses Landes verpflichten – und eine Kommission mit einem klaren Auftrag einrichten: Wie kommen wir zu niedrigeren Asylzahlen? Wie erreichen wir verträgliche Energiekosten? Dann gibt es keine Gewinner und Verlierer, sondern ein gemeinsames Ergebnis. Das wäre ein starkes Signal in die Bevölkerung, das viel Vertrauen in die demokratischen Parteien zurückbringen würde.
Klingt zu schön, um wahr zu werden.
Es wird aber nicht anders gehen.
Welche politischen Parteien würden Sie an den Tisch holen?
Alle, die in den Ländern regieren. Eine Zusammenarbeit mit der AfD kann es nicht geben, weil das eine rechtsextreme Partei ist. Wir müssen alles dafür tun, der AfD den Nährboden zu entziehen. Auch NPD oder DVU haben sehr schnell an Zustimmung verloren, als die Probleme gelöst waren, auf denen diese Parteien ihren Rechtspopulismus aufgebaut hatten.
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In drei Bundesländern – auch in Sachsen – hat der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Warum stellen Sie keinen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht?
Weil uns Experten sagen, dass es für ein Verbot nicht reicht. Die AfD ist klar rechtsextrem. Ein Verbot braucht den Beweis, dass sie unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung mit Gewalt abschaffen will. Die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ ist allerdings sehr wichtig, auch um deutlich zu zeigen, was diese Partei eigentlich will.
Die Ampel-Parteien mühen sich derweil, die Milliardenlücke im Haushalt zu schließen, die sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgetan hat. Wie würden Sie das lösen?
Die Ursache ist eine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, die seit zwei Jahren unserem Land die Kraft nimmt. Es wird nicht helfen, an Symptomen herumzudoktern, wie die Ampel das macht. Wir brauchen Politik, die unserem Land mehr Freiheiten gibt, geringere Energiekosten und flexiblere Arbeitszeiten. Diejenigen, die arbeiten können, aber nicht wollen, dürfen nicht so leicht Bürgergeld bekommen. Der richtige Weg aus der Haushaltskrise ist ein wirtschaftlicher Aufschwung, der höhere Steuereinnahmen bringt.
Sagt sich leicht.
Energie darf nicht mehr als sechs bis sieben Cent pro Kilowattstunde kosten. Dazu muss die Energiewende neu aufgesetzt werden. Wir brauchen Atomkraft, Braunkohle und Gas. Genauso wichtig ist das Thema Arbeitszeit. Warum schöpfen wir nicht den Spielraum aus, den die europäische Arbeitszeitrichtlinie bietet? Wir sollten der jungen Generation vermitteln, dass man eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden braucht – nicht für den individuellen Wohlstand, sondern für den Wohlstand der Gesellschaft und unseres Landes.
Halten Sie die junge Generation für bequem?
Es ist positiv, dass die jungen Menschen nicht mehr so sehr auf Luxus schauen, auf gesunde Ernährung und auf sozialen Ausgleich achten. Sie dürfen nur nicht die Illusion haben, dass man mit 30 oder 32 Stunden Arbeit in der Woche eine Volkswirtschaft aufrechterhalten kann. Und wenn wir unsere Wirtschaft ruinieren, machen wir uns angreifbar von außen. Das zeigt sich gerade bei der Unterstützung der Ukraine: Wir geben unsere letzte Munition ab, haben aber nicht das Geld, neue zu beschaffen.
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Die Ampel behält sich vor, die Schuldenbremse weiter auszusetzen, um die Ukraine stärker zu unterstützen. Wie stehen Sie dazu?
Wie andere auch, habe ich immer wieder darauf gedrängt, dass Deutschland nicht nur Waffen liefert, sondern auch diplomatische Initiativen ergreift. Wir brauchen Verbündete, um auf Putin einzuwirken und einen Waffenstillstand möglich zu machen. Das Sterben muss endlich aufhören. Leider vertritt die Bundesregierung die Grundhaltung: Wir wollen keine Verhandlungen, sondern Waffenlieferungen. Die Amerikaner sind da weiter. Sie haben erkannt, dass der Krieg so nicht zu gewinnen ist.
Sie wollen – unabhängig von der Schuldenbremse – die Waffenhilfe reduzieren?
Das habe ich nicht gesagt. Ich plädiere für diplomatische Initiativen. Eine kluge Politik sucht Verbündete, um auf Putin einzuwirken, diesen Krieg zu beenden.
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Sollte die Ukraine dafür Gebiete abtreten?
Der Grundsatz muss lauten: Kein Quadratmeter des ukrainischen Territoriums – auch nicht die Krim – ist russisch geworden.
Heißt in der Praxis?
Es kann sein, dass die Ukraine bei einem Waffenstillstand erst einmal hinnehmen muss, dass gewisse Territorien für die Ukraine vorübergehend nicht erreichbar sind.
Vorübergehend nicht erreichbar?
Noch einmal: Kein Quadratmeter des ukrainischen Territoriums ist russisch geworden, aber wie auch in anderen großen Konflikten wird es hier Zeit für eine endgültige Lösung brauchen.
Welche Russland-Politik schwebt Ihnen vor?
Russland ist unser Nachbar. Ein gefährlicher, unberechenbarer Nachbar. Die Vorstellung, Russland militärisch, politisch und wirtschaftlich so zu schwächen, dass es uns nicht mehr gefährlich werden kann, ist eine Haltung, die aus dem 19. Jahrhundert kommt. Sie legt das Fundament für weitere Konflikte.
Ist es nicht umgekehrt? Putins Eroberungsgelüste gehen weit über die Ukraine hinaus …
Deutschland und seine europäischen Partner müssen so stark werden, dass Russland weitere Kriege nicht riskiert. Dazu brauchen wir eine moderne Bundeswehr und eine europäische Sicherheitsstrategie. Alles hängt aber von unserer ökonomischen Kraft ab. Ein wirtschaftlich schwaches Deutschland kann seine Sicherheit nicht gewährleisten und riskiert gesellschaftliche Konflikte, weil die sozialen Sicherungssysteme unter Druck geraten.
Plädieren Sie für Neuwahlen?
Die Regierung sollte handeln – oder das Mandat zurückgeben.
Wäre die Union denn vorbereitet auf eine Regierungsübernahme?
Absolut!
Sie haben nicht mal einen Kanzlerkandidaten.
Friedrich Merz ist Vorsitzender der CDU und der Unionsfraktion im Bundestag – und wird von Markus Söder, Alexander Dobrindt und mir sehr unterstützt bei einer Kandidatur.
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Die K-Frage ist entschieden?
Ja, das denke ich.
Wann fällt die Entscheidung formal – vor oder nach den Ost-Wahlen?
Die Entscheidung fällt im Herbst. Und der beginnt eindeutig nach den Landtagswahlen.