Berlin. Die Ampel erwägt, die Schuldenbremse erneut auszusetzen. Helfen soll das vor allem Kiew – falls schlimmste Befürchtungen wahr werden.
Kann die Ukraine im Kampf gegen die russischen Invasoren weiter auf Hilfe aus Deutschland setzen? Die Bundesregierung sagt trotz knapper Kassen „ja“. Zwar hat sich die Bundesregierung eigentlich darauf geeinigt, die Schuldenbremse einzuhalten, ist aber notfalls – für Ukraine-Hilfen – auch bereit, sie abermals auszusetzen. An vielen verschiedenen Stellen will die Ampel-Koalition Geld zusammenkratzen, um das Loch im Bundeshaushalt 2024 zu stopfen. Nach wochenlangen Verhandlungen einigten sich Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am frühen Mittwochmorgen auf ein gemeinsames Konzept.
An einer entscheidenden Stelle soll es aber keine Einsparungen geben, nämlich bei den Hilfen für die überfallene Ukraine. Und auch die Opfer der großen Flut im Ahrtal von 2021 sollen sich darauf verlassen können, dass ihnen der Staat weiterhin unter die Arme greift. Kanzler Scholz sagte am Mittwoch, die Hilfe für die Ukraine werde aus dem regulären Haushalt gezahlt – „so wie wir es geplant haben und vor allem so lange wie nötig“. Acht Milliarden Euro sollen für Waffen sowie für das nationale Budget zur Verfügung stehen. Weitere sechs Milliarden Euro sind für die Versorgung von ukrainischen Flüchtlingen hierzulande eingeplant.
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Aber die Ampel geht noch darüber hinaus: Sie kündigte am Mittwoch an, dass sie gegebenenfalls im kommenden Jahr eine Notlage erklären und die Schuldenbremse ein weiteres Mal aussetzen werde, wenn es die Lage erfordert und die Ukraine mehr Unterstützung benötigt. Das könnte etwa der Fall sein, wenn sich die militärischen Kräfteverhältnisse klar zugunsten Russlands verändern oder andere westliche Staaten ihre Hilfen kürzen. In den USA blockieren die oppositionellen Republikaner gerade ein weiteres Ukraine-Hilfspaket. Die Regierung von Präsident Joe Biden warnt, dass bereits Ende Dezember das Geld ausgehen könne.
Bundestag: Merz wirft Scholz „finanzpolitische Tricksereien“ vor
Kanzler Scholz sagte in seiner Regierungserklärung im Bundestag, die Ukraine müsse unbedingt weiter unterstützt werden. Mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin setzte er hinzu: „Es geht darum, ob Putin sich durchsetzt mit seinen imperialistischen Plänen, die er ganz offen weiter verfolgt“. CDU-Chef Friedrich Merz warf Scholz im Parlament „finanzpolitische Tricksereien“ vor: Es sei damit zu rechnen, dass die Ampel spätestens in einem halben Jahr wieder die Schuldenbremse aussetze, weil ihr bis dahin das Geld ausgegangen sei. Die Ukraine werde dann nur als Vorwand dienen. Die Union werde dabei nicht mitmachen.
Die Absprache der Ampel ist ein wichtiges außenpolitisches Signal – in Richtung der Ukraine, Russlands und auch in Richtung der westlichen Partner. Die Absprache kann aber auch als politischer Kern des gesamten Haushaltskompromisses betrachtet werden. Denn Finanzminister Lindner und seiner FDP war es wichtig, dass die Koalition ihre Geldprobleme nicht dadurch löst, ohne Not ein weiteres Mal die Schuldenbremse außer Kraft zu setzen. SPD und Grüne hingegen waren der Ansicht, dass der Krieg im Osten als Begründung ausreiche, um abermals eine Notlage zu beschließen.
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Ampelkoalition: Für Flutopfer sollen weitere Schulden gemacht werden
An einer weiteren Stelle dürfte die Koalition genau das tun, um sich zusätzliches Geld leihen zu können: Nach Angaben des Kanzlers will die Ampel „prüfen“, ob sie die Schuldenbremse für weitere Zahlungen an die Opfer der Flutkatastrophe von 2021 aussetzt. Hier gehe es im kommenden Jahr um 2,7 Milliarden Euro. Die Koalition werde auf die Union im Bundestag zugehen und um Unterstützung für diesen Schritt werben. „Denn die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sollen sich auch auf die gegebenen Zusagen verlassen können“, sagte Scholz.
Erwünschter Nebeneffekt: Die Union soll so mit in die Verantwortung geholt werden – und sich im Falle einer Ablehnung gegenüber den Flutopfern rechtfertigen müssen. Nach der Hochwasserkatastrophe hatten Bund und Länder 2021 einen Wiederaufbaufonds im Umfang von 30 Milliarden Euro auf die Beine gestellt. Der Bund überwies 16 Milliarden Euro, die er sich vorher geliehen hatte. Verantwortlich war noch die damalige Große Koalition aus Union und SPD unter Führung von Angela Merkel (CDU).
Das Konstrukt lässt sich nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltspolitik aber nicht mehr halten: Die Karlsruher Richter hatten der Ampel-Koalition Mitte November nicht nur untersagt, 60 Milliarden Euro nicht genutzter Corona-Kredite zugunsten des Klimaschutzes umzuwidmen. Die Richter verboten ganz grundsätzlich auch, schuldenfinanzierte Finanzpolster für folgende Jahre anzulegen. Damit brach die gesamte Finanzplanung der Ampelkoalition zusammen.