Berlin. Ausgrabungen, die man nie vergisst: Unser Archäologie-Experte blickt zurück auf seinen bislang wertvollsten Fund – und seinen skurrilsten.
Im letzten Teil meiner Kolumne ging es um die Fallstricke bei Goldfunden – und auch darum, dass ich als Archäologe bisher keinen selbst ausgegraben habe. Hier soll es daher um zwei persönliche Highlights meiner feldarchäologischen Karriere gehen. Beginnen wir mit meinem wertvollsten Fund – zumindest dem materiellen Wert nach.
Archäologische Ausgrabung geriet zu einer Schlammschlacht
Es war an einem kühlen Morgen im Münchner Südwesten im Jahr 2018. Der Nebel war noch nicht verzogen, als wir auf die kleine Ausgrabungsfläche kamen. Zuvor stand auf dem Gelände eine Garage, die mittlerweile abgerissen war. Nach Abschluss der archäologischen Arbeiten sollte hier ein Einfamilienhaus errichtet werden. Aber warum waren wir Fachleute überhaupt da?
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Viele Jahre zuvor wurden auf dem angrenzenden Nachbargrundstück die Reste eines Hypokaustums entdeckt. Dabei handelt es sich um die Heizanlage eines römischen Badehauses. Da solche Gebäude nicht einfach willkürlich in der Gegend standen, war klar, dass man im Umfeld mit weiteren römischen Siedlungsresten rechnen konnte. Solche umliegenden Flächen nennt man daher auch Verdachtsflächen. Da diese hier aber direkt angrenzte, war auch klar, dass sie Teil des Bodendenkmals ist.
Nun standen wir da also in der Kälte und machten uns an die Arbeit – und von der gab es wirklich reichlich! Der Boden war übersät mit Funden. Doch durch das anhaltende Wetter geriet die Ausgrabung mehr zu einer Schlammschlacht. Bei solchen Bedingungen hilft auch meist das geschulteste Auge nichts. Es ist äußerst, schwer dabei archäologische Befunde vom natürlichen Boden zu unterscheiden. Also menschliche Eingriffe zu erkennen und wissenschaftlich zu dokumentieren. Glücklicherweise gab es aber auch hier ein paar Mauerreste und eine Ansammlung römischer Dachziegel, die einen ersten Anhaltspunkt für Strukturen lieferten.
Kein Gold, aber Silber: So fand ich das Luxusobjekt aus der römischen Antike
Mein Grabungsleiter ordnete mir damals an, ich solle eben jenen Bereich einmal vorsichtig freilegen. Um zu sehen, ob wir hier trotz des ganzen Matsches noch weitere brauchbare Ergebnisse im sogenannten Planum erkennen können. Sprich: ich putzte den Boden erst einmal flächig, bevor ich anschließend in die Tiefe gehen konnte. Die Arbeit sollte sich lohnen.
Denn dabei konnte ich schon einige tolle Terra-Sigillata-Scherben mit floralen Mustern finden, das ist die hochwertige römische Keramik mit damals roter, glänzender Oberfläche. Das war für mich bis dato schon ein Highlight. Bisher hatte ich hauptsächlich einfache Gebrauchskeramik aus der Bronzezeit ausgegraben.
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Nachdem das Planum sauber und dokumentiert war, machte ich mich an eine der Gruben im freigelegten Bereich. Und dort gelang es mir, dann ein wirkliches Highlight zu entdecken – eine silberne römische Fibel!
Ich konnte damals mein Glück kaum fassen. Vor allem war das Objekt zudem in einem sehr guten Zustand. Bei Fibeln handelt es sich um Gewandspangen. Und je nach vorhandenem Kleingeld konnte man sich vom Material und der Gestaltung von anderen abheben. In diesem Fall hatte ich einen kleinen Luxusgegenstand gefunden, der wohl, so mein Eindruck, nach einer Beschädigung nicht recycelt, sondern einfach entsorgt wurde. Kein Gold, aber bis heute habe ich danach keinen silbernen Fund mehr gemacht.
Mein skurrilster Fund: Die geköpfte Frau an der Stadtmauer
Ein Jahr davor war ich in Bayern an Ausgrabungen an der Stadtmauer von Dingolfing in Nähe des Stadttors beteiligt. Dort wurde der bisher skurrilste Fund in meinem persönlichen Umfeld gemacht: Ich habe ihn leider nicht selbst gefunden – aber dabei sein ist alles, wie man so schön sagt. Es handelte sich um den Schädel einer Frau.
Funde von menschlichen Knochen sind keine Seltenheit im Alltag von Feldarchäologen. Und auch ich hatte zu dem Zeitpunkt schon mehrere Bestattungen und Teile von Friedhöfen ausgegraben. Das Besondere in diesem Fall war, dass wir es hier nicht mit der Niederlegung menschlicher Überreste durch Hinterbliebene zu tun hatten, sondern allem Anschein nach mit dem Schädel einer Geköpften.
Unser Experte
Ägyptische Pyramiden, entdeckte Schätze, der Alltag der alten Römer und Griechen: Archäologie fasziniert viele Menschen. Konstantin Kárpáty hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Münchener ist nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit Kurzem Doktor der Archäologie. Was er in seinem Job erlebt und was die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Archäologie sind, erzählt er für uns regelmäßig aus ganz persönlicher Sicht. Außerdem betreibt er die Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und den Podcast „Ausgegraben“.
Darauf deuten Spuren an dem dabei liegenden Halswirbel. Vermutlich lebte die Frau im 11. oder 12. Jahrhundert nach Christus. Unüblich war es damals nicht, hingerichtete Personen im Bereich der Stadtmauer zur Abschreckung zur Schau zu stellen. Das war auf jeden Fall eine spannende Erfahrung. Bis heute mache ich mir Gedanken, was diese Frau wohl verbrochen haben muss, um so zu enden.
Ich hoffe, diese zwei Einblicke zeigen, wie abwechslungsreich, aber auch spannend die Arbeit als ausgrabender Archäologe sein kann. Natürlich habe ich seit 2018 weitere hochinteressante Funde gemacht. Vielleicht berichte ich mal an anderer Stelle darüber und erzähle von weiteren Ausgrabungs-Highlights.
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