Berlin. „Ein starkes Team“-Star Martens verrät, wieso er kaum Kontakt zu seinem berühmten Vater hatte und was für ihn die Höchststrafe ist.

„Ein starkes Team“ (Samstag, 20. Januar um 20.15 Uhr im ZDF) ist das Projekt, mit dem man Florian Martens heutzutage vor allem in Verbindung bringt. Doch der 65-Jährige kann auf ein reiches und komplexes Leben zurückblicken, das weit über den Rahmen einer solchen Fernsehreihe hinausgeht. Im Interview spricht Martens über das Verhältnis zu seinem berühmten Vater Wolfgang Kieling, outet sich als unreligiöser Weihnachtsfan und erklärt, warum ihn der Verlust seiner alten Stammkneipe so hart trifft. 

In der neuen Folge „Und vergib ihnen ihre Schuld“ (Sendetermin verschoben) hat die Kirche im Mittelpunkt. So gesehen stellt sich die Gretchenfrage: Wie halten Sie es eigentlich mit der Religion?

Florian Martens: In mancherlei Hinsicht ist meine Einstellung paradox. Zum Beispiel liebe ich einerseits mein Singledasein, andererseits bin ich der totale Familienmensch. Ähnlich verhält es sich mit den Religionen. Ich respektiere jede davon, aber ich bin vor langem aus der Kirche ausgetreten. Und obwohl ich absolut nicht religiös bin, liebe ich Weihnachten und Ostern. Diese Feste feiere ich mit meinen Kindern so richtig klassisch – mit Baum, echten Kerzen, Bescherung und traditioneller Weihnachtsmusik.

Man kann an eine höhere Macht oder ein Leben nach dem Tod glauben, ohne einer Religion anzugehören...

Martens: Der renommierte Rechtsmediziner Professor Tsokos wurde gefragt, was seiner Meinung nach nach dem Ableben geschieht, und er meinte: „Danach kommen nur noch die Würmer.“ Wenn es doch noch etwas anderes geben sollte, dann lasse ich mich gerne positiv überraschen. Aber sicherheitshalber glaube ich nicht daran, denn ansonsten könnte ich Gefahr laufen, mit meinem Leben zu leichtfertig umzugehen. Weil ich davon ausgehe, dass danach nichts kommt, nutze ich meine Zeit so effektiv wie möglich. Denn je älter man wird, desto weniger bleibt einem davon.

Schauspieler Florian Martens: „Das Leben muss weitergehen“

Inwieweit denken Sie schon an Ihre eigene Endlichkeit?

Martens: Ich setze mich nicht aktiv mit dem Ende auseinander. Das bringt nichts. Das Leben muss weitergehen. Wenn ich so alt wie meine Mutter werde, die vor einem Jahr verstorben ist, dann habe ich immerhin noch 30 Jahre. 

90. Folge Ein Starkes Team
In „Ein starkes Team“ spielt Martens die Rolle des Berliner Kriminalhauptkommissars Otto Garber. © picture alliance / | picture alliance

Nachdem Sie nicht ans Ende denken wollen, blicken Sie stattdessen zurück? Etwa in die Vergangenheit Ihrer Familie?

Martens: Auf jeden Fall. Ich habe mütterlicherseits eine Ahnentafel, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Bei meinem Vater Wolfgang Kieling, mit dem ich wenig Kontakt hatte, weiß ich allerdings nur noch etwas von den Eltern.

Zweiter Weltkrieg: So erging es Martens Familie

Was sind denn interessante Aspekte Ihrer Familiengeschichte?

Martens: Aus den Erzählungen weiß ich, dass mein Großvater mütterlicherseits bei einer strengen Tante aufwuchs, die ihm das Leben schwer machte. Zum Beispiel untersagte sie ihm den Kontakt zu Gleichaltrigen. Damit er endlich unter Leute kam, meldete er sich im Ersten Weltkrieg freiwillig, auch wenn er nichts mit dem Militär am Hut hatte. Im Gegenteil, er war ein ganz sanfter Mensch. Deshalb war er bei seiner Kompanie sehr beliebt. So bekam er den Spitznamen „Der kleine Leutnant“, obwohl er von der Körpergröße her alle überragte.

Im Zweiten Weltkrieg wurde er nicht mehr eingezogen, da er als Zahnarzt für den Bezirk Prenzlauer Berg zuständig war. Als die Russen 1945 kamen, ließen sich die Offiziere bei ihm die Zähne machen und bezahlten in Naturalien. Deshalb musste meine Familie keinen Hunger leiden, und meine Mutter, die eine bildschöne 17-Jährige war, war dadurch vor den Nachstellungen der normalen Soldaten geschützt. Der einzig Leidtragende war damals der Papagei.

Der Papagei?

Martens: Den hatte mein Urgroßvater, der vor 1900 als Offizier in Deutschafrika diente, mitgebracht. Leider schrie der Vogel immer „Heil Hitler“. Deshalb klebte ihm meine Oma, die eine ängstliche Frau war, nach Ankunft der Russen den Schnabel zu. So klatschte er irgendwann die Krallen an die Decke.

Martens wusste lange nichts von seinem berühmten Vater

Das berühmteste Mitglied Ihrer Familie war Ihr Vater, der als Schauspieler Film- und Fernsehgeschichte mitschrieb. Der war doch auch im Krieg?

Martens: Genau. Er hatte ebenfalls fürs Militär nichts übrig, wurde aber im Zweiten Weltkrieg eingezogen. Er bekam an der Ostfront einen Bauchschuss, war dann fünf Jahre in Kriegsgefangenschaft. In dem Bereich, wo man ihm den Magen entfernt hatte, setzte sich der Krebs fest, an dem er 1985 mit 61 Jahren verstarb. 

Sie sagten, dass sie wenig Kontakt hatten. Wie genau sah das aus?

Martens: Mit neun oder zehn habe ich überhaupt erst erfahren, dass er mein Vater ist, denn zwischen 1968 und 1970 ist er mit Pauken und Trompeten in die DDR übergesiedelt. Als überzeugter Linker wollte er ein Zeichen gegen die westdeutsche Politik und den Vietnamkrieg setzen. In der Zeit hatte ich dann auch Kontakt. Nachdem er in den Westen zurückgegangen war, brach die Verbindung wieder ab. Aber zwei Jahre vor seinem Tod hat er sich wieder gemeldet, und bis 1985 haben wir uns dann regelmäßig ausgetauscht.

Fototermin zu 25 Jahre und 80. Folge von
Der gebürtige Berliner stört sich an vielen Veränderungen in der Hauptstadt. © picture alliance / Stephan Persch | Stephan Persch

Deshalb würde der Schauspieler nicht in die Zukunft reisen wollen

Interessieren Sie sich auch generell für die Vergangenheit? 

Martens: Man hat mich mal gefragt, ob ich lieber 100 Jahre in die Zukunft oder in die Vergangenheit reisen möchte. Auf keinen Fall will ich wissen, wie es auf der Erde in 100 Jahren aussieht, und auch nicht in 40 Jahren. Aber ich würde sofort ins Berlin zwischen 1900 und 1913 oder in die Weimarer Republik gehen. 

Im gewissen Sinne haben Sie ja eine Reise in die Vergangenheit angetreten. Denn als Altberliner sind Sie nach Pankow, die Gegend Ihrer Kindheit, zurückgezogen... 

Martens: Ich wohne am liebsten da, wo ich meine Wurzeln und Erinnerungen habe. So laufe ich öfter an meinem alten Elternhaus in der Eintrachtstraße vorbei. Ich würde schon gerne die frühere Wohnung wiedersehen, aber ich werde einen Teufel tun, da zu klingeln.

Berlin hat sich in den letzten Jahrzehnten wieder massiv gewandelt. Gibt es eine Veränderung, die Sie besonders nervig finden? 

Martens: Da gibt es viele. Ich nenne mal eine kleine, die ich sehr schade finde: Eine meiner absoluten Stammkneipen war das „Meilenstein“ in der Oranienburger Straße, wo mir der Koch morgens früh um drei auf Wunsch leckere Buletten gemacht hat. Doch nach über 25 Jahren musste die frühere Chefin aufgeben. Jetzt ist darin ein veganes Restaurant. Für mich ist das die Höchststrafe!