Berlin. Wie seine Rolle des „Dr. Nice“ musste Patrick Kalupa im Leben einige Hindernisse überwinden. Mit welchen Ängsten er bis heute kämpft.
Mit Serien wie „Alarm für Cobra 11“ hatte sich Patrick Kalupa bereits einen Stammplatz im deutschen Fernsehen erobert. Inzwischen ist der 44-Jährige mit dem für ihn maßgeschneiderten Format „Dr. Nice“ (neue Staffel ab 5. Mai um 20.15 Uhr im ZDF) erfolgreich. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass der Schauspieler es gelernt hat, mit schwierigen Situationen umzugehen. Ob es um seine Legasthenie oder Tiefschläge beim Boxen ging – er hat alles hingekriegt.
Dr. Neiss bzw. Dr. Nice steht am Scheideweg, weil eine Verletzung seine Karriere zu beenden droht. Haben Sie jemals eine Extremsituation in Ihrem Werdegang erlebt?
Patrick Kalupa: Jeder kommt im Leben in Situationen, die ihn vor große Herausforderungen stellen. Bei mir war es in der Schule. Ich war unerkannter Legastheniker, und mir war klar, dass ich dieses System verlassen muss, um Boden unter die Füße zu kriegen. Zum Glück haben mir meine Eltern ein einjähriges Auslandsjahr als Gastschüler in den USA ermöglicht. Auf einmal haben sich da innerlich Türen für mich geöffnet, die mir vorher komplett verschlossen schienen.
Was genau hat der Aufenthalt bei Ihnen ausgelöst?
Kalupa: Es war quasi ein Neustart. Ich bin als unbeschriebenes Blatt hingeflogen und konnte mich neu erfinden. So bin ich diese unguten Gefühle, die ich mit der Schule verbunden habe, losgeworden: anderes Schulsystem, neue Einflüsse, viele selbstbestätigende Erlebnisse.
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Was passierte nach Ihrer Rückkehr?
Kalupa: Zurück in Deutschland habe ich im Anschluss meinen Grundwehrdienst abgeleistet und danach eine Lehre als Maurer und Betonbauer absolviert. Mir wurde bald klar, dass das nicht mein Weg war. Aber ich habe durchgezogen und bin sehr dankbar, viele handwerkliche Fähigkeiten erworben zu haben: Ich kann Mauern bauen, jede Wand verputzen und Dielenfußboden verlegen.
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Patrick Kalupa über Boxkarriere: „Ich wusste, dass mir das nötige Quäntchen fehlt“
Aber von der Schauspielerei war das ja weit entfernt.
Kalupa: Stimmt. Über Umwege bin ich beim Modeln gelandet ohne darin nennenswerten Erfolg zu feiern (lacht), aber über die damalige Agentur kam ich an meinen ersten Schauspieljob, der etwas in mir geweckt hat. Das war direkt mein Ding. Auch weil ich gemerkt habe, dass die Leute gut finden, was ich mache.
Sie waren doch auch Berliner Boxmeister. Das hätte ja eine alternative Karriere werden können.
Kalupa: Nein, denn ich wusste, dass mir das nötige Quäntchen fehlt. Zwar habe ich es damals zum Berliner Meister geschafft und bin ein Jahr später Dritter der Deutschen Jugendmeisterschaft geworden, aber es war schon sehr trainings- und zeitintensiv. Beruflich wollte ich was anderes.
Sie waren Maurer, Boxmeister, Männer-Model. Kann man da auf einen hohen Testosteronwert schließen?
Kalupa: Wahrscheinlich schon. Der Boxsport verlangt Disziplin, als Maurer braucht es Fleiß, das Modelbusiness ist hart. Aber ich war nie ein Haudegen, habe nie groß auf die Pauke gehauen. Ich wusste, dass ich eine große Kraft in mir habe, aber wollte das gar nicht nach außen tragen, sondern sie für mein eigenes Fortkommen nutzen.
Wieviel mentale Kraft war nötig, um sich als Schauspieler zu etablieren?
Kalupa: Es war schon ein langer, beschwerlicher Weg. Aber ich bin einfach drangeblieben. Denn ich hatte das tiefe und sichere Gefühl, dass das Schauspiel meins ist.
Mit diesen Ängsten kämpft Schauspieler Patrick Kalupa bis heute
Doch beim Textlernen dürfte die Legasthenie nicht sehr hilfreich sein.
Kalupa: Das klappt zum Glück sehr gut, weil ich eine starke bildliche Vorstellungsgabe habe, sodass ich mir Texte sehr gut merken kann. Legasthenie ist vor allem psychisch bedingt. Beim Schreiben mache ich nur Fehler, wenn ich Angst habe, dass mir jemand zuguckt. Herausfordernd sind Leseproben, wo die gesamte Besetzung das Drehbuch liest. Da bin ich schön nervös.
Als jemand, der so eine große physische Kraft hat und mit seinem Körper eins ist, sollte man doch keine Angst mehr spüren.
Kalupa: Jeder hat Angst. Ein Mike Tyson hat vor seinen Kämpfen so viel Angst, dass er fast nicht antritt. Aber wenn er dann im Ring steht, fühlt er sich unbesiegbar, weil er seine Kraft spürt. Das geht mir teilweise ähnlich. Die Angst ist da, man muss sie nur kontrollieren.
Sie haben zwei Kinder. Verstärkt das Ängste?
Kalupa: Vor der Familiengründung machte ich mir viele Gedanken, weil der Beruf viele Unsicherheiten mit sich bringt. Ich wusste nicht, wie wir im Zweifelsfall die Kinder ernähren. Aber das Verrückte ist: Seit unsere erste Tochter geboren wurde, läuft es sehr gut. Existenzielle Ängste bleiben nicht aus, aber jede Angst regt das Nachdenken an, schützt einen und macht auch wach.
In diesen Punkten ähneln sich Patrick Kalupa und seine Rolle Dr. Neiss
In einem Interview meinten Sie, dass Sie mit Dr. Neiss ein ausgeprägtes Helfersyndrom verbindet. Wann hat sich das zum letzten Mal gezeigt?
Kalupa: Vor ein paar Wochen habe ich bei einer Autofahrt am Straßenrand eine Frau gesehen, die am Boden lag. Zwei andere Personen saßen bei ihr. Ich bin erst weitergefahren, aber nach ein paar hundert Meter bin ich umgedreht und zurück. Es stellte sich heraus, dass es Geflüchtete waren, die nur wenig Englisch sprechen konnten. Die Frau war geschwächt und hatte einen Kreislaufkollaps. Ich hatte nur Wasser dabei, das ich ihnen gegeben habe, weitere medizinische Hilfe haben sie abgelehnt. Der Frau ging es dann sichtlich besser, nachdem sie getrunken hatte.
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Was für Gefühle hat das bei Ihnen selbst hinterlassen?
Kalupa: Helfen ist eine einfache Selbstverständlichkeit, völlig wertfrei. Damit habe ich kein explizites Gefühl verbunden. Ich springe immer herbei, wenn jemand Hilfe braucht. Und wer weiß: Vielleicht hatte mein Verhalten auch damit zu tun, dass ich mittlerweile ein bisschen Dr. Nice in mir herumtrage und deshalb noch mehr auf andere, auch fremde, Personen achte.
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Schauspieler Kalupa: „Ich will natürlich lieber gewinnen als verlieren“
Als Boxer mussten Sie ja viele Schläge einstecken. Wie kommen Sie mit Niederlagen klar?
Kalupa: Naja. Mein Trainer hatte einen guten Spruch: „Man lernt mehr aus einer Niederlage als aus einem Sieg.“ Denn dadurch versteht man, was man dazu legen muss. Aber ganz ehrlich: Trotzdem will ich natürlich lieber gewinnen als verlieren.
Was war Ihr letzter Sieg?
Kalupa: Vor kurzem bin ich Halbmarathon gelaufen, bei dem ich unter zwei Stunden bleiben wollte. Meine Zeit war 1:59:59. Diese eine Sekunde hat mich unglaublich glücklich gemacht.