Berlin. Der Comedian Atze Schröder im Gespräch darüber, wie er Politcal Correctness erlebt – und welche Vor- und Nachteile das Älterwerden hat.
Der deutsche Comedian Atze Schröder ist schon lange ein bekanntes Gesicht im TV und auf der Bühne: Mit Lockenkopf und getönter Sonnenbrille wurde der 58-Jährige durch Auftritte im „Quatsch Comedy Club“ auf ProSieben und durch die Sendung „Alles Atze“, die von 1999 bis 2006 auf RTL lief, zur Witz-Ikone. Aktuell geht es für ihn wieder auf die Bühnen des Landes: mit seinem neuen Programm „Der Erlöser“. Privat verzichtet Schröder jedoch komplett auf Ruhm und Bekanntheit, wie er im Interview verrät.
Bis März 2024 touren Sie mit Ihrem neuen Programm „Der Erlöser“ durch Deutschland. Laut Pressetext können sich die Fans auf zwei Stunden voller Ablass und ohne Schuld freuen.
Atze Schröder: Durch die nicht aufhören wollenden Krisen der vergangenen Jahre und schlechten News ohne Ende, habe ich das Gefühl, dass bei vielen Menschen das Urvertrauen ein wenig abhandengekommen ist.
Das Urvertrauen, dass am Ende alles gut wird?
Schröder: Genau! Durch Pandemie, Kriege, Inflation oder Klimakrise gibt es zunehmend große Unsicherheiten und Zweifel, ob die Zukunft noch viel Gutes für uns bereithält. Deshalb habe ich mir gedacht: Sei du doch einfach mal der, an dem man sich ein wenig festhalten kann. Die Besucher können zwei Stunden lang ihre Sorgen auf mich werfen, ich übernehme ihre Sünden – und danach wird wirklich alles gut. (lacht)
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Atze Schröder: „Ich möchte auch ein wenig Stoff zum Nachdenken bieten“
Was für ein schönes Versprechen…
Schröder: Willkommen in der Welt der Stand-Up-Comedy! Das Programm ist natürlich sehr überspitzt und lustig – ich möchte aber auch ein wenig Stoff zum Nachdenken bieten: Zum Beispiel, dass wir viele Dinge im Leben nicht leicht verändern können – unsere Einstellung zu ihnen jedoch schon.
Wird es auch um die Kirche gehen?
Schröder: Auf jeden Fall! Und natürlich spielt auch Jesus eine Rolle im Programm; dieser rundum dufte Typ, der eine Mischung aus Kurt Cobain und Otto war und den alle geliebt haben – bis auf die Römer.
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Wie oft testen Sie im Vorfeld einer neuen Show die Gags in Ihrem Freundeskreis?
Schröder: Wenn ich mir etwas nettes Neues ausgedacht habe, dann ist Radio Schröder besonders gerne auf Sendung. Dann teste ich jeden Tag aus, was geht und was nicht. So bekomme ich Gefühl dafür, ob die Gags überhaupt gelungen sind, ob ich ein anderes Timing brauche oder noch etwas umstellen muss. Wenn ich in verständnisvolle Gesichter schaue, dann weiß ich: Diesen Spruch kann ich getrost wieder streichen.
Schröder: „Je empfindlicher die Menschen, desto mehr Fallhöhe kommt in die Sache“
Sie hauen gerne auch mal derbe Sprüche raus – hat man es im Woke-Zeitalter mit zuweilen extremer Political Correctness da als Comedian nicht immer schwerer?
Schröder: Es gibt heute sicher immer mehr Befindlichkeiten, auf die ich Rücksicht nehmen muss. Aber dann muss ich eben mehr mit dem Skalpell und weniger mit dem Degen arbeiten und an der Grenze zum möglichen Shitstorm entlangzuarbeiten, ist eine gute Herausforderung. Je empfindlicher die Menschen, desto mehr Fallhöhe kommt in die Sache. Das finde ich spannend.
Nach dreißig Jahren im Showbiz: Was sind für Sie die Abgründe dieser Branche?
Schröder: Hinter den Kulissen gibt es erstaunlich viel Verwirrung, Traurigkeit, Alkohol, Drogen und Depressionen. Ich kenne eine Menge unglücklicher prominenter Menschen und habe schon viele Abstürze miterlebt. Umso dankbarer bin ich, dass ich so ein großes Talent zum Glücklichsein habe.
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Stars wie Kurt Krömer oder Nora Tschirner sprechen heute bereits offen über Ihre Depressionen. Krömer hat sogar ein Buch über das Thema veröffentlicht…
Schröder: Und es gibt noch viel mehr Beispiele, die es aber eben nicht öffentlich machen wollen. Das ist wirklich ein großes Thema! Und es gibt auch viel Neid und Missgunst. Auf dem roten Teppich und der Kamera tun die meisten gerne so, als würden sie alle Kolleginnen und Kollegen lieben – aber hinter dem Rücken werden dann die Messer gewetzt. Da freut man sich heimlich diebisch über jeden Shitstorm, den der andere erntet. Gegenseitige Unterstützung habe ich dagegen nur selten erlebt.
Comedian Schröder – darum wird er in Hamburg kaum erkannt
Warum zeigen Sie sich bei öffentlichen Auftritten nur in Form Ihres Bühnen-Egos mit allen Details?
Schröder: Mir gefällt es sehr gut, dass ich als Privatmensch anonym durch mein Leben gehen kann. Wenn ich durch meinen Stadtteil in Hamburg als mein Alter Ego Atze laufen würde, dann hätte ich doch kaum eine ruhige Minute. Ich schätze mein Privatleben sehr und liebe es, weitestgehend unerkannt zu bleiben. Manchmal zwinkern mir Leute, die mich auch ohne Bühnenmontur erkennen, zwar freundlich-wissend zu – aber das passiert nur selten.
Prominent zu sein, ist im Grunde also gar nichts für Sie?
Schröder: Wenn ich auf etwas verzichten kann, dann auf Prominenz. Ich möchte keinen Ruhm, auch nichts Unvergessliches schaffen und sehe mich als Dienstleister, der Freude bereiten, aber Privatmensch sein möchte, sobald er von der Bühne geht. Wenn ich irgendwann einmal umkippe, dann soll man mich in Ruhe vergessen. Bis auf ein gewisses Sendungsbewusstsein als Comedian habe ich null Star-Qualitäten. Weder im positiven noch im negativen Sinne.
Seit mehr als vier Jahren leben Sie in Hamburg. Stimmt es, dass Sie vorher fast nie eine eigene Wohnung hatten?
Schröder: Während meiner Zeit im Münsterland hatte ich dort auch schon mal ein Zuhause. Aber es gab eine lange Phase in meiner Karriere, wo ich auch mal 300 Jobs im Jahr angenommen und deshalb fast nur in Hotels gelebt habe. Für Alltagsdinge wie Einkaufen bin ich deshalb eigentlich nicht geschaffen. Das habe ich früher nie gemacht und erst in Hamburg richtig kennengelernt.
Tatsächlich?
Schröder: Dort war ich zum ersten Mal für einen Großeinkauf im Supermarkt einkaufen, bin dort in ganz neue Welten eingetaucht und musste mir erst mal einen Chip für den Einkaufswagen organisieren. (lacht) Es hat ganz schön gedauert, bis ich mich endlich eingegroovt hatte – aber mittlerweile schickt mich meine Perle auch schon mal ganz alleine los. Nur manchmal stehe ich noch latent überfordert da und frage mich: Fenchel? Wie sieht der eigentlich aus?
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Atze Schröder: „Sehr nervig finde ich, dass meine Haut immer schlaffer wird“
Waren Sie auch so ein Spätzünder als es darum ging, zu Hause auszuziehen?
Schröder: Das kann man so sagen. Ich war bereits 26 Jahre alt – und selbst da hat meine Mutter noch geheult, geklammert und mich angefleht: Junge, bleib doch bei mir! Die Welt da draußen ist böse und hart – du wirst nicht klarkommen. Und in gewisser Weise hat sie damit auch recht gehabt.
Im übernächsten Jahr werden Sie 60. Was genießen Sie am Älterwerden und worauf können Sie gut verzichten?
Schröder: Ich finde es super, dass meine Genussfähigkeit immer weiter zunimmt. Wenn mich das Leben beschenkt, dann kann ich das viel mehr genießen – auch die ganz stillen Momente. Sehr nervig finde ich dagegen, dass meine Haut immer schlaffer wird. Ich bin bis heute ein körperlicher Mensch und trainiere fleißig; was nichts daran ändert, dass die an den unmöglichsten Stellen hängt – zum Beispiel an den Ellenbogen. Furchtbar!
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Was ist für Sie die größte Herausforderung des Lebens?
Schröder: Mit dem Realismus der Welt klarzukommen – ich könnte natürlich auch sagen, mit den Grausamkeiten, Abgründen und dem vielen Hass, der uns leider immer mehr umgibt. Ich versuche deshalb so gut es geht, mir die Welt so zu bauen, wie es mir gefällt, stoße dabei aber immer wieder an meine Grenzen. Realismus? Das ist nichts für mich!