Berlin. Die Schauspielerin sagt, sie habe im Job immer 120 Prozent gegeben. Doch eine Serie brachte sie an ihre körperlichen Grenzen.
Nadja Uhl ist am 20. November (um 20:15 Uhr im ZDF) wieder als Staatsanwältin Judith Schrader in ihrer Krimireihe „Die Jägerin“ zu sehen. Doch privat ist die 51-Jährige, die mit Filmen wie „Der Baader Meinhof Komplex“ oder „Männerherzen“ bekannt wurde, weniger in Jagdstimmung. Denn die Schauspielerin hat auf die körperlich harte Tour gelernt, wie wichtig es sein kann, einen Gang herunterzuschalten.
Judith Schrader muss sich in der neuen Folge intensiver mit ihrer persönlichen Vergangenheit beschäftigen. Inwieweit tun Sie das?
Nadja Uhl: Judith verdrängt ja eher und wir dürfen dann beobachten, wie sie mit unterschiedlichen emotionalen Themen konfrontiert wird. Da bin ich anders. Ich denke viel nach und verstehe die Vergangenheit mit einer zunehmenden Reife etwas besser. In meiner Familie reden wir oft über unsere Erlebnisse. Wenn man sich nicht mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt, ist das irgendwie so, als würden Sie ständig das Erdgeschoß ignorieren, wenn Sie ein Haus betreten. Ohne Fundament und ohne Erdgeschoss kann man kein stabiles Leben aufbauen, aber Sie fahren gleich in den dritten Stock, wo der erfolgreiche Mensch lebt.
Das kann so auf Dauer nicht gut gehen. Das beschreibt die Herangehensweise von Judith Schrader. Sie verdrängt. Vor allem ihren Schmerz und ihre Vergangenheit. Und erreicht allerdings eine große Sachlichkeit. Das mag ich sehr an der Figur und das macht sie auch interessant, finde ich.
Wie konkret reden Sie über die Vergangenheit?
Uhl: Das fängt damit an, dass ich mit meiner Familie in Kontakt bin. Wir reden oft darüber, welche Schritte wir als Familie zu DDR-Zeiten gemacht haben und wie uns das geprägt hat. Das läuft aber alles sehr leicht ab und wir müssen nicht jedes Mal eine Flasche Kognak leeren. Ich habe außerdem viele historische Filme gedreht. Das ist dann irgendwie immer Thema. Den Dreh zu der Miniserie „Zerv“, die am Ende der DDR spielt, hat mein Mann, glaube ich, zeitlich auch sehr intensiv erlebt. Wir haben viel über unsere Kindheit und Jugend gesprochen. Es spielt wirklich eine Rolle, ob man gemeinsame Erlebnisse in der Vergangenheit hat oder ähnliche Erinnerungen. Das bindet ja zum Beispiel meine Figur Judith in „Die Jägerin“ so an ihren Bruder.
Nadja Uhl: „Ich funktionierte mein Leben lang wie ein Rennpferd“
Was habe Sie denn in den letzten Jahren Neues über sich herausgefunden, was Sie früher nicht verstanden hatten?
Uhl: Oh, das ist eine große Frage. Gar nicht so leicht. Ich musste lernen, dass ich viel mehr darauf achten muss, was ich brauche. Ich funktionierte mein Leben lang wie ein Rennpferd, und ich habe im Beruf – den ich liebe – immer 120 Prozent gegeben. Aber wenn ich nach Drehs nach Hause kam, musste ich natürlich auch voll da sein. Da bleibt man als Frau schnell auf der Strecke. Ich hatte es nicht ausreichend gelernt, Grenzen zu ziehen.
Und Sie haben auch Ihre Rollen nicht nach Hause gebracht?
Uhl: Nein. Man lernt so etwas, auszusteigen aus einer Rolle. Das wäre an der Schauspielschule regelrecht verpönt gewesen, keine Grenzen zu kennen. Das ist absolut wichtig für die Professionalität. Das Spiel am Set macht viel Freude, aber dann ist Feierabend. Ich bin nicht 24 Stunden lang mit einer Figur schwanger. Aber ich liebe meine Arbeit und wenn ich arbeite, konzentriere ich mich auch darauf. Man muss das Gleichgewicht in allem finden.
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Bei diesem Dreh war Nadja Uhl „völlig erschöpft“
Warum haben Sie so lange gebraucht, bis Sie auf die Bremse getreten sind?
Uhl: Bremse würde ich es nicht nennen, mehr innehalten. Ich bin jemand, der meist große Freude an den Dingen hat. Ich bin total dankbar für alles, was mir geschenkt wurde. Der Dreh für „Zerv“ wurde wegen Corona vom Sommer in die Monate September 2020 bis Februar 2021 verlegt. Es war eine tolle Arbeit und während Corona mussten wir alle froh sein, irgendwann endlich überhaupt drehen zu können. Wir hatten alle keine Wahl. So hatte ich kein Bewusstsein dafür, dass ich körperlich über meine Grenzen gehe, wenn ich sechs Monate viele Stunden am Tag vor Kälte zittere. Das war eine einschneidende Erfahrung. Ich war körperlich völlig erschöpft. Ich habe alles gemeistert, achte aber seitdem viel mehr auf mich. Es muss nicht alles perfekt sein und ich muss nicht perfekt sein.
Wie sieht Ihr Alltag jetzt aus, wenn sie nicht drehen?
Uhl: Ich komme wieder zum Atmen, konzentriere mich auf die schönen Dinge. Ich treffe mich mit den Menschen, für die ich Jahre lang wenig Zeit hatte – meine Mutter, meine Schwester, meine Freundinnen, mein Cousin mit seinem Lebenspartner. Das sind meine engsten Gefährten, die mir, neben meinen Kindern und meinem Mann, immer zur Seite gestanden haben. Und ich achte wirklich penibel darauf, nicht mehr zu frieren (lacht).