Berlin. Russlands Bürger sind einer eisernen Justiz ausgeliefert. Ein Gericht verurteile eine Frau wegen einer Neckerei zu einer Haftstrafe.
Spätestens seit Beginn der Invasion in der Ukraine dreht Russland die Daumenschrauben bei den eigenen Bürgern noch ein Stückchen enger. Jüngstes Beispiel ist ein drakonisches Urteil gegen eine Influencerin für einen harmlosen Scherz. Ein Gericht verdonnerte eine 23-Jährige in Wolgograd zu zehn Monaten Haft. Schuldig befunden wurde die junge Russin für den Straftatbestand der „Rehabilitierung des Nazismus“. Zur Anklage war es gekommen, nachdem die Verurteilte ein 85 Meter hohes Kriegsdenkmal „gekitzelt“ hatte.
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Russische Sicherheitskräfte hatten Alena Agafonova im Februar am Moskauer Flughafen verhaftet, als sie aus Sri Lanka zurückkehrte. In dem Video, das ihr zum Verhängnis werden sollte, richtete Agafonova die Kameralinse ihres Handys auf die Kolossalstatue „Mutter Heimat“ in der südrussischen Millionenmetropole und deutete ein kurzes Kitzeln der Brüste an. Im Juli 2023 hatte die aus Samara stammende Influencerin das Material auf Instagram veröffentlicht. Im Anschluss leitete die russische Justiz ein Strafverfahren ein, infolgedessen Agafonova ihre Heimat fluchtartig verließ.
Haftstrafe für Kitzeln: Russische Justiz verurteilt Influencerin für Instagram-Post
Den Vorwurf der „Rehabilitation des Nazismus“ handelte sich Agafonova ein, weil die „Mutter Heimat“-Statue das in Russland wohl bedeutendste Denkmal des Zweiten Weltkriegs ist. Das heutige Wolgograd hieß bis 1961 Stalingrad und war mit mehr als einer Million Todesopfer Schauplatz der größten Schlacht in der Menschheitsgeschichte. Stalingrad gilt als Wendepunkt im Kriegsgeschehen und markiert die entscheidende Niederlage von Nazi-Deutschland im Russlandfeldzug im Winter 1942/43.
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Politische Brisanz fällt dem Monument an der Wolga aktuell zu, weil Russlands Präsident Wladimir Putin versucht, das Andenken an die Nazi-Invasion mit den Kampfhandlungen in der Ukraine in Zusammenhang zu bringen. Er bezichtigt die Staatsführung der Ukraine um Präsident Wolodymyr Selenskyj als Neonazi-Clique, die Sicherheit und Interessen Russlands zu gefährden. Der Straftatbestand „Rehabilitation des Nazismus“ wurde im Anschluss an die Besetzung der Krim 2014 auf Betreiben Putins eingeführt.
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Höchststrafe fünf Jahre: Putins drakonisches Strafsystem
Das lokale Ermittlungskomitee beschuldigte Agafonova einer „unmoralischen und zynischen Handlung, die das Symbol der Standhaftigkeit der sowjetischen Menschen beleidigt“. Auf den Straftatbestand stehen in Russland bis zu fünf Jahren Haft.
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Die Behörden veröffentlichten im Anschluss an die Verurteilung in Wolgograd ein Entschuldigungsvideo Agafonovas, in dem sie sichtlich aufgelöst um Verzeihung bittet und andere davor warnt, denselben Fehler zu begehen. Womöglich entging sie mit dem Bekenntnisvideo noch härteren Sanktionen. In ihrem Statement beteuerte sie, das Denkmal nicht „missbrauchen“ zu wollen oder „über die Geschichte des Landes zu lachen“. Neben der zehnmonatigen Haftstrafe verurteilte das Gericht die Influencerin zudem zu zweijähriger Abstinenz von den sozialen Medien.
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