Berlin. Schikaniert, inhaftiert, ermordet: Widerspruch gegen Kremlchef Putin ist toxisch, buchstäblich – Gegner werden nicht selten vergiftet.
Kremlchef Wladimir Putin ist gnadenlos. Widerspruch hat drastische Folgen. Prominente Gegner werden entweder mundtot gemacht oder verhaftet, müssen ins Exil flüchten oder sterben:
Tod im Gefängnis
Über ein Jahrzehnt war Alexej Nawalny der größte Kritiker des Kreml. Dafür wurde er schikaniert, vergiftet und inhaftiert. Am 16. Februar starb er mit 47 Jahren in einer Strafkolonie am Polarkreis.
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Seine Anhänger, aber auch viele westliche Politiker machten Putin für Nawalnys Tod verantwortlich. Einige sprechen von Mord. Erst 2020 war er Opfer eines schweren Giftanschlags geworden. Nach seiner Behandlung in Deutschland kehrte er im Januar 2021 nach Russland zurück. Dort wurde Nawalny sofort verhaftet und unter anderem wegen „Extremismus“ zu 19 Jahren Straflager verurteilt.
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Ermordet
Boris Nemzow war Vize-Regierungschef. Zeitweise galt er sogar als Nachfolger von Präsident Boris Jelzin. Doch dann machte Putin das Rennen – und kurzen Prozess mit Nemzow?
Im Februar 2015 wurde der 55-Jährige auf einer Brücke mit vier Schüssen in den Rücken ermordet, nur wenige Meter vom Kreml entfernt Seine Unterstützer beschuldigten den Präsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, ein Freund Putins, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Fünf Tschetschenen wurden verurteilt, ohne dass der Drahtzieher offiziell benannt wurde.
Im Oktober 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowskaja in ihrem Haus in Moskau erschossen. Sie arbeitete für die unabhängige Zeitung „Nowaja Gaseta“ und hatte jahrelang die Verbrechen der russischen Armee in Tschetschenien dokumentiert.
Jewgeni Prigoschin war ein Putin-Mann. Er kämpfte mit seiner „Wagner-Truppe“ an der Seite des russischen Militärs im Ukraine-Krieg. Dann machte der Söldnerchef einen verhängnisvollen Fehler: Er rief zum Aufstand gegen die russische Militärführung auf und rückte mit seinen Kämpfern bis auf 200 Kilometer an Moskau heran. Er gab auf, ging ins Exil nach Belarus und einigte sich mit dem Kreml. Dachte er. Wenige Woche später starb er bei einem Flugzeugabsturz bei Moskau.
Mysteriöse Todesfälle
Das englischsprachige Wikipedia führt eine lange Liste der Putin-Kritiker, darunter Oligarchen, die plötzlich ums Leben kamen, nicht immer, aber oft unter mysteriösen Umständen: Vergiftet, vom Fenster gestürzt, erhängt oder erschossen, wie ein Tschetschenen-Kämpfer, der in Berlin lebte, oder zuletzt in Spanien ein Hubschrauberpilot, der zur Ukraine übergelaufen war.
Hinter Gittern
Viele weitere Gegner Putins sitzen im Gefängnis. Am Dienstag wurde der Menschenrechtsaktivist Oleg Orlow von der verbotenen Organisation Memorial zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Das Vergehen des 70-Jährigen: Kritik am Krieg gegen die Ukraine.
Der 42 Jahre alte Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa wurde nach eigenen Angaben zwei Mal vergiftet. Im April 2023 verurteilte ihn ein Gericht hinter verschlossenen Türen zu 25 Jahren Haft, weil er „falsche Informationen“ über das russische Militär verbreitet habe. Er verbüßt seine Strafe in Sibirien.
Achteinhalb Jahre Gefängnis lautete das Urteil gegen den Politiker Ilja Jaschin im April. Er hatte die „Ermordung von Zivilisten“ in der ukrainischen Stadt Butscha angeprangert.
Xenia Fadejewa, ehemalige Abgeordnete und Verbündete Nawalnys, musste Ende 2023 eine neunjährige Haftstrafe antreten. Die Behörden werfen der 31-Jährigen vor, eine „extremistische Organisation“ gegründet zu haben. Mit derselben Begründung wurde Lilia Tschanyschewa, die erste Mitarbeiterin Nawalnys, im Juni 2023 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Im Exil
Viele Oppositionelle leben inzwischen im Ausland, wie der einstige Schachweltmeister Garry Kasparow. Als der Oppositionelle und ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski nach zehn Jahren im Gefängnis 2013 freikam, floh er nach London, von wo aus er oppositionelle Plattformen finanziert.
Viele Anhänger von Chodorkowski und Nawalny verließen in den vergangenen drei Jahren das Land, weil sich die Repression, vor allem seit dem Überfall auf die Ukraine, weiter verschärfte. Doch auch im Exil bleiben die Oppositionellen nicht unbehelligt: Im Februar leiteten die russischen Behörden ein Ermittlungsverfahren wegen „Aufruf zum Terrorismus“ gegen den Schriftsteller Boris Akunin ein, der seit 2014 in London lebt.
„Ausländische Agenten“
Eine weitere Methode, Kritiker zum Schweigen zu bringen, ist, sie als „ausländische Agenten“ einzustufen. Hunderte von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen und Journalisten wurden mit diesem Etikett belegt, unter ihnen Ex-Regierungschef Michail Kassjanow und der Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow. Auch Organisationen wie Memorial oder das Sacharow-Zentrum wurden wegen Verstoßes gegen das Gesetz über „ausländische Agenten“ aufgelöst. (fmg/dpa)
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