Berlin. In Süddeutschland kommt es immer wieder zu Erdbeben. Eine Region probt jetzt den Ernstfall. Ein Seismologe schätzt das Risiko ein.
Sanfte Hügel, satte Natur und viele Erholungsmöglichkeiten: Die Schwäbische Alb zählt deutschlandweit wohl zu den lebenswerteren Regionen. Doch wie so oft im Leben kann auch der schönste Anblick täuschen. Rund um den Ort Albstadt kam es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu Erdbeben. Die Erschütterungen hinterließen teils sogar deutliche Schäden an der Bebauung. Allein im vergangenen Jahr wurden in der Region 60 Beben gemessen. Das baden-württembergische Innenministerium plant jetzt für den Herbst 2024 sogar eine entsprechende Katastrophenschutzübung.
Dabei gilt Deutschland eigentlich nicht als Erdbebenrisikogebiet. Wie kann es also sein, dass die kleine Ortschaft im Süden der Republik immer wieder für den Menschen spürbare Erdbeben verzeichnet?
Prof. Dr. Gottfried Grünthal, Seismologe am Helmholtz-Zentrum in Potsdam, erklärt, wie die Beben bei Albstadt einzuschätzen sind und ob die Region in Zukunft weitere Schutzmaßnahmen ergreifen muss.
Warum kommt es in der Region häufiger zu Erdbeben?
Prof. Dr. Gottfried Grünthal: Wir haben es rund um Albstadt mit einer Schwächezone in der Erdkruste zu tun, also einem Gebiet, in dem Brüche im Untergrund eine erhöhte Tendenz für Bewegungen aufweisen. Stehen diese Brüche in einer bestimmten Richtung zur vorliegenden Spannung der Erdkruste, können Erdbeben ausgelöst werden. Im Raum Albstadt beobachten wir die Beben in einer Tiefe von 4 bis 15 Kilometern.
Wie werden solche Brüche in der Erdkruste festgestellt?
Grünthal: In der Regel können Geologen diese Brüche anhand von unterschiedlichen Gesteinspaketen an der Erdoberfläche erkennen. Das Spannende in der Region der Schwäbischen Alb ist aber, dass die Beben verursachenden Störungen speziell anhand von Satellitenbildern erkannt werden.
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Traten in der Vergangenheit schon regelmäßig Erdbeben auf?
Grünthal: Das Gebiet ist ein besonderes. Mit dem großen Beben vom 16. November 1911 hat dort eine bedeutende Erdbebenserie begonnen. Zuvor war die Schwäbische Alb aus seismologischer Sicht kaum auffällig. Im weiteren Verlauf folgten dann weitere größere Beben. 1913 eines, das nur sehr geringe Schäden verursachte, 1943 gleich zwei wieder etwas stärkere. Das letzte Beben, das zu deutlichen Schäden führte, wurde dann 1978 verzeichnet, in dessen Folge 6580 Gebäude beschädigt wurden und teilweise sogar abgerissen werden mussten. Ab einer Magnitude von fünf muss mit Schäden an Gebäuden gerechnet werden.
Bebt es in der Schwäbischen Alb rund um Albstadt häufiger?
Grünthal: Die Schwäbische Alb ist eine aktive Region. Neben den wenigen Schadenbeben beobachten wir immer wieder die leichten Erdbeben. Nur sehr selten wird eine Magnitude von drei oder vier übertroffen.
Sind die Erdbeben für den Menschen spürbar?
Grünthal: Grundsätzlich nehmen wir Erdbeben ab einer Magnitude von 2,5 wahr. Seit etlichen Jahrzehnten ist die Messtechnik so weit, dass auch die Erdbeben registriert werden, die für den Menschen nicht spürbar sind.
Könnte sich das Erdbebengebiet in Zukunft ausbreiten und einen größeren Bereich betreffen?
Grünthal: Die Schwäbische Alb ist eine von vielen Erdbebenregionen in Deutschland. Kein Gebiet kann als erdbebenfrei angenommen werden. Speziell die Kernzone der Hohenzollernalb ist im Süden begrenzt durch den Ort Albstadt und reicht im Norden bis nach Tübingen, wo es zuletzt 1655 eine Serie von Beben gab, die auch leichte Schäden verursachten. Die Herde der Beben werden aller Voraussicht nach in dieser Region bleiben. Es würde aber auch nichts machen, wenn sie sich ausbreiten würden, da wie bereits erwähnt kein Gebiet als erdbebenfrei gilt.
Muss die Region besonders geschützt werden?
Grünthal: Zum einen gibt es in Deutschland seit Jahrzehnten erdbebengerechte Baunormen, anhand derer gebaut werden muss. Das gilt aber nicht nur im Gebiet der Schwäbischen Alb, sondern für alle erdbebengefährdeten Gebiete Deutschlands. Das ist die wichtigste Vorsorgemaßnahme, die man treffen kann. Für Objekte, von denen ein erhöhtes Risiko ausgeht, wie Staudämme, chemische und kerntechnische Anlagen, gelten entsprechende Regelungen zum Nachweis der Erdbebensicherheit.
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Sollte die Bevölkerung jetzt geschult werden?
Grünthal: In unseren Nachbarländern wurden bereits Übungen durchgeführt, wo ein Erdbeben-Katastrophenfall angenommen wurde. Wenn wir solche Übungen jetzt hier durchführen, wird das auf keinen Fall schaden. Gerade bei dem aktuellen
wurde ja bemerkt, dass wir da durchaus Nachholbedarf haben und dass das ein oder andere verbessert werden sollte.
Ist es wahrscheinlich, dass die Erdbeben in der Region Albstadt in Zukunft stärker werden?
Grünthal: Wir sehen keinerlei Anzeichen dafür, dass die
in der Region stärker werden könnten. Die Wahrscheinlichkeit hierfür wäre als sehr gering einzuschätzen.