Siegen-Wittgenstein. Unterm Strich könnte die Politik mit dem Etat des neuen Kreiskämmerers leben. Aber es gibt Zündstoff, der auch mit schlimmen Verbrechen zu tun hat.

Eigentlich könnte der Kreistag es sich mit dem Haushalt für 2025 einfach machen und zustimmen. Zumindest aus Sicht von Landrat Andreas Müller: Nicht nur der Hebesatz für die Kreisumlage wird gesenkt, sondern tatsächlich auch die Zahlungsverpflichtung der Städte und Gemeinden – auf den niedrigsten Hebesatz in ganz Südwestfalen und noch niedriger als bei seinem Amtsantritt 2014. Sogar die Bürgermeister und die Bürgermeisterin sind zufrieden: „Eine so moderate Stellungnahme habe ich in den letzten zehn Jahren noch nicht erlebt.“ Könnte. Wenn da nicht die 49 zusätzlichen Stellen wären, die in der Kreisverwaltung geschaffen werden sollen.

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Wie ist es um die Finanzen des Kreises bestellt?

Ursprünglich wollte der Kreis den Hebesatz für die Kreisumlage von 36,45 auf 36,49 Prozent anheben. Mittlerweile stehen 36,3 Prozent im Entwurf. Daraus könnten sogar 36,15 Prozent werden, wenn der Landschaftsverband seine Umlage ebenfalls verringert. Das wären dann sogar 1,4 Millionen Euro Entlastung für die Städte und Gemeinden. „Das fällt nicht vom Himmel“, betont Landrat Andreas Müller, „das ist Ergebnis planvoller Politik.“ Wobei dem Zahlenwerk die großzügige Kalkulation vergangener Jahre zugute kommt, die der neue Kreiskämmerer Jürgen Heine offenbar nicht fortsetzt. 2023 kam am Ende ein Überschuss von 1,4 Millionen Euro heraus, eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Plan um 21 Millionen Euro. 2024 zeichnet sich ein Defizit von 12,6 Millionen Euro ab, 7,1 Millionen Euro weniger als geplant. „Das wird sich 2025 nicht wiederholen.“

Um die rund 30 Millionen Euro Defizit in dem 0,6 Milliarden Euro schweren Haushalt zu decken, rechnet der Kämmerer eine „globale Minderausgabe“ von 6,1 Millionen Euro ein. Der Rest wird aus der Ausgleichsrücklage bestritten, die eigentlich schon 2016 für aufgebraucht gehalten wurde, aber immer noch ausreichend gefüllt ist. Wenn Ende 2025 der Bestand tatsächlich bis auf den unantastbar erklärten „Sockel“ von fünf Millionen Euro aufgebraucht ist, bleibt nur noch die Erhöhung der Kreisumlage. „Auskömmlich“, sagt Kämmerer Jürgen Heine, wären 2025 41,7 Prozent – das wären für die Städte und Gemeinden locker 30 Millionen Euro mehr. „In die Richtung wird es gehen.“

„Das fällt nicht vom Himmel, das ist Ergebnis planvoller Politik.“

Andreas Müller, Landrat

Nicht nur erhöhte Landeszuweisungen stützen den Kreishaushaushalt, sondern erstmals nach langer Durststrecke auch wieder die kreiseigene Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft, die früher von den Dividenden der RWE-Aktien lebte. Nachdem der Kreis seine Aktien zu Zeiten des Kursverfalls verkauft hat, werfen nun erstmals die Fonds Rendite ab, die der Kreis von dem Erlös gekauft hat. Die Kreisbahn schreibt wieder schwarze Zahlen, der Flughafen kommt mit der Hälfte des früheren Zuschusses aus, Klinikum und Kreiswohnungsbaugesellschaft brauchen keine Millionenzuschüsse, so dass die BBG eine Million Euro an den Kreis überweisen kann.

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Wozu 49 neue Stellen?

Das sind die 21 Stellen, die der Kreistag im Februar verweigert hat. Und weitere 28 neue. Erneut auf der Anforderungsliste stehen Stellen beim Umweltamt, beim Bauamt und beim Amt für Natur und Landschaft. Die Aufgaben seien auch in diesem Jahr erledigt worden, indem andere Pflichtaufgaben liegen blieben, erklärt der Landrat: Also Stellungnahmen und Genehmigungen für Windkraftanlagen, Freiflächen-Photovoltaik und Geothermie, zum Neubau des Rudersdorfer Tunnels und der A-45-Talbrücke Büschergrund. Und keine neuen Wasserschutzzonen und keine neuen Landschaftspläne. Bei den Windrädern ist die Kreisverwaltung besonders aufmerksam: Die Investoren drohen schnell mit Klagen, wenn sie Verzögerungen vermuten. „Da geht es um viele Millionen entgangener Gewinne“, sagt Landrat Andreas Müller.

2,2 Millionen Euro kosten die zusätzlichen Stellen, 2,1 Millionen Euro werden für Tarifsteigerungen eingeplant. Trotzdem steigt der Personaletat nur um 339.000 Euro auf 90,8 Millionen Euro, weil so viele Stellen in diesem Jahr unbesetzt waren, das bereitgestellte Geld also gar nicht benötigt wurde. Für eine zusätzliche Stelle ist übrigens allein der Kreistag verantwortlich: Weil der neue Kreisdirektor nicht mehr zugleich, wie sein Vorgänger Thomas Damm, Kämmerer ist, musste die Stelle für einen Kreiskämmerer neu eingerichtet werden.

Was ist los im Jugendamt?

Das Siegener Kreisjugendamt ist das teuerste in Südwestfalen, und das bleibt es auch. Um knapp acht Millionen Euro steigt der Finanzbedarf, der Hebesatz für die von den Städten und Gemeinden (außer der Stadt Siegen – die hat ein eigenes Jugendamt) zu zahlende Umlage steigt von 25,82 auf 28,78 Prozent. Darin enthalten sind 1,8 Millionen Euro mehr für die Kitas und 3,8 Millionen Euro mehr für die Hilfen zur Erziehung. Allein für die Heimerziehung werden 14 Millionen Euro gebraucht.

Landrat Andreas Müller wird konkret und nennt Fälle, die Aufsehen erregt haben: Der Mord an der zwölfjährigen Luise in Freudenberg. Der Mord an der Mutter von zwei Kindern aus Dreis-Tiefenbach, deren Lebensgefährte zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Elfjährige aus Bad Berleburg, die ein Baby zur Welt gebracht hat, das von ihrem Stiefvater gezeugt wurde. Überall sind Kinder als Opfer oder Täter betroffen; für sie werden Pflegefamilien gesucht und Vormünder bestellt. „Die landen dauerhaft hier, mindestens bis sie 18 sind.“

Heftig kritisiert wurden in den letzten Monaten die Kosten für das Jugendamt. Die Annahme, das Amt sei – trotz Überlastungsanzeigen, Überstunden und steigenden Krankenständen – überbesetzt, sollte durch Gutachten untermauert werden. „Uns wurde nicht geglaubt“, bedauert Landrat Andreas Müller. Die politische Initiative bewirkte das Gegenteil: Die Sachverständigen erkannten einen Mehrbedarf, der weiter über die verweigerten Stellen (Verfahrenslotsen, Netzwerk Kinderschutz) hinaus geht. Insgesamt über 23 zusätzliche Stellen werden nun angefordert, allein acht für Amtsvormundschaften, sechs für die wirtschaftliche Jugendhilfe und drei für den Pflegekinderdienst.

Wo investiert der Kreis?

Investitionen für 86,3 Millionen Euro stehen auf dem Plan, davon sind allein 63,5 Millionen für den Breitbandausbau vorgesehen, der weitgehend mit Bundesmitteln finanziert wird. Elf Millionen Euro stehen für die Kreisstraßen zur Verfügung, erstmals auch für einen Radwegebau: die Sanierung der K 42 nach Wingeshausen, der K 46 zwischen Balde und K 48 sowie der K 7 zwischen Kaan-Marienborn und Abzweig Volnsberg und – endlich – einem Radweg an der K 31 zwischen Grund und Zollposten, der allein mit 1,1 Millionen Euro veranschlagt ist.

Wann wird der Haushalt verabschiedet?

Planmäßig in der Sitzung des Kreistags am Freitag, 13. Dezember. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass es wie im Vorjahr zu einer Vertagung auf eine Sondersitzung im Februar kommt. Dazu hatte sich ein Bündnis der „6 Richtigen“ für ein Sparpaket über zwei Millionen Euro zusammengefunden, von dem allerdings – weil Personal so schnell nicht kündbar war – weniger als die Hälfte realisiert wurde. Mittlerweile hat sich die damalige Fraktion der „Liberal-Konservativen Reformer“ der Werteunion angeschlossen, mit der nicht alle der sich damals so nennenden „6 Richtigen“ (außerdem: CDU, Grüne, UWG, SWM, FDP) zu tun haben wollen.

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