Siegen-Wittgenstein. Landrat Andreas Müller holt die nächste Baustelle nach den Sparbeschlüssen des Kreistags auf den Tisch. Vier Stellen müssen besetzt werden.
Nach dem Tourismusverband und Siegtal Pur nun die Erziehungsberatungsstelle: Dem Jugendhilfeausschuss präsentiert die Kreisverwaltung die nächste Einrichtung, die den Sechs-Fraktionen-Beschlüssen in Kreistag zum Opfer fallen könnte. Auslöser ist diesmal die verweigerte Zustimmung von CDU, Grünen, SWM, Wir Bürger, UWG und FDP zum Stellenplan der Verwaltung. Weil trotzdem vier neue Stellen für das Netzwerk Kinderschutz, zwei Verfahrenslotsen für Menschen mit Behinderung und ihre Familien und die Koordinierung der Vormundschaften her müssen, sollen andere Stellen gestrichen werden.
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An den drei gesetzlichen Pflichtaufgaben führt kein Weg vorbei. Wohl aber an einer Reihe anderer Pflichtaufgaben, die das Jugendamt des Kreises nicht selbst wahrnehmen muss, sondern freien Trägern übertragen kann. „Am ehesten“ komme dafür die Erziehungsberatung in Frage, heißt es in der Vorlage. Das mindere zwar „den Einfluss auf die Fach- und Finanzsteuerung sowie die qualitativen Standards, was keinesfalls der fachlichen und strategischen Ausrichtung des Dezernates entspricht“. Die Aufgabe anderer Bereiche sei aber „weniger zielführend oder mit noch größeren Einschränkungen verbunden“.
Vier Sozialarbeiter betroffen: Andere Einsatzstelle oder Kündigung
Die vier Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter besetzen zusammen 3,75 Stellen; 2022 haben sie Kinder, Jugendliche und Familien in 571 Fällen beraten, davon waren 457 neue Fälle. Ob die zurzeit in der Erziehungsberatung beschäftigten Fachkräfte für die „anderweitigen Aufgaben“ ausreichend qualifiziert seien, sei noch nicht geprüft. Sollte das nicht der Fall sein, müsse nach einer anderen Einsatzstelle in der Kreisverwaltung gesucht werden. Als letzte Konsequenz wird in der Vorlage die betriebsbedingte Kündigung genannt.
Geld spart der Kreis auf diesem Weg nicht. Die Aufgaben, die er freien Trägern überlässt, müsste er schließlich auch bezahlen, im Falle der Erziehungsberatung 452.000 Euro gegenüber jetzt 380.000 Euro. Zudem sei mit einer Mehrbelastung des Regionalen Sozialdienstes zu rechnen. Zugleich gehen jährlich 55.000 Euro Landesförderung verloren, mit der auch die Zusammenarbeit von Erziehungsberatung und den als Familienzentren zertifizierten Kitas bezahlt wird. Die Kitas wieder riskieren den Status als Familienzentrum. Sie müssten sich dazu eine Erziehungsberatungsstelle eines freien Trägers als neuen Partner suchen. Davon gibt es im Kreisgebiet derzeit zwei.
Pflegekinder, Prävention, Gillerbergheim: Insgesamt elf Aufgabenfelder auf dem Prüfstand
Insgesamt wurden elf Aufgabenfelder untersucht, von denen der Kreis sich trennen könnte. Dazu gehören die Jugendhilfe in Strafverfahren, die Adoptionsvermittlung, der Pflegekinderdienst, die Frühen Hilfen für Familien mit Neugeborenen, die Fachstelle Prävention sexualisierter Gewalt, das Hilfe- und Budgetmanagement für den Regionalen Sozialdienst und die Jugendhilfe, die Vormundschaften, das Controlling, das Gillerbergheim und die Personalentwicklung.
Verloren ginge dann zum Beispiel, die Zusammenarbeit von Adoptionsvermittlung und Pflegekinderdienst. Willkommensbesuche würden verloren gehen, damit auch die direkte Vermittlung zu weitergehenden Hilfen, zum Beispiel zur Erziehungsberatung. „Das praktisch-konzeptionelle Ineinandergreifen der Hilfen müsste neu gedacht und organisiert werden“, heißt es in der Vorlage, „darüber hinaus würde der Kreis zu seiner positiven Willkommenskultur und Familienfreundlichkeit auf Distanz gehen“.
Eine Alternative bietet die Verwaltung an: Die vier Stellen könnten befristet bis Mitte 2025 besetzt werden; bis dahin hätte der Kreistag Zeit, mit dem Stellenplan für 2025 geänderte Voraussetzungen zu schaffen. Das Geld – rund 191.000 Euro in einem halben Jahr – würde aus nicht verbrauchten Mitteln entnommen, weil eine Reihe von Stellen im Kreishaus vakant ist.
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