Lützel. Nicht nur Kultur Pur, Ginsburg und Wintersport: Mit den Attraktionen rund um die neue Liftschänke wird die Sanierung der Gillerbergstraße überfällig
Das Teil ist gerade aus Österreich angekommen: Benjamin Wörster wird die Murmelbahn noch vor Weihnachten in der Nähe des Skihangs aufbauen – eine 24 Meter lange Piste, auf die Kinder Holzkugeln durch ein Labyrinth und ein Xylophon jagen können. Ein kleines Spielzeug oben bei der Liftschänke, für den Zeitvertreib, wenn die Großen auf der Rothaarsteigliege entspannen oder für Speis und Trank sorgen. Auf die Idee ist Wörster gekommen, als er sich für seinen Chef mit dem „Zauberteppich“ befasst hat, auf dem im Winter Bobs und Skier und im Sommer Kinder mit Reifen den Hang hinauf befördert werden.
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Die neue Liftschänke
Wobei auch das nicht die Hauptsache ist, wegen der Benjamin Wörster hier oben ist. Der Elektrotechniker arbeitet bei der Areto und ist im Moment hauptsächlich Bauleiter an der Liftschänke, die sich gerade in ein Seminarzentrum für das Wirtschaftsinformatikunternehmen verwandelt. Wobei auch Ortsvorsteher Dirk Becker und die beiden Kreistagsmitglieder Tim Lukas Debus (SPD) und Peter Hanke (FDP) eigentlich weniger an den IT-Leuten der Firmen und Institutionen mit den ganz großen Namen von Bayer bis zur Deutschen Fußball Liga interessiert sind, die hier mit den Areto-Leuten tüfteln werden. Sondern eher an dem Beiwerk, das sich Jan Strackbein, Gründer und Gesellschafter von Areto und vielfältig engagierter Hilchenbacher, ausgedacht hat: die öffentliche Gastronomie mit der Hausbrauerei, als die die Liftschänke weiterhin zur Verfügung stehen wird, und die Freizeiteinrichtungen von der Reifenrutsche über die Sommerrodelbahn bis später vielleicht einmal zum Bike-Park, die die Nachfolge des einstigen Wintersportzentrums übernehmen werden.
Denn die Zeiten, in denen die Skisportler sich in Sonderzügen auf die Lützel bringen ließen, sind vorbei. Obwohl: Langlauf und Rodeln gehen immer noch, Skifahren auf dem kurzen, flachen Hang auch – da braucht es nicht die ganz großen Schneemengen. Dass es hier oben weiß ist, kriegt man allerdings unten im Tal nicht mehr auf Anhieb mit. „Die Schneegrenze ist jetzt irgendwo beim Zollposten“, sagt Benjamin Wörster, der auch im Ski- und im Heimatverein engagiert ist. Und eben nicht mehr unten in Afholderbach. Der Klimawandel halt. Die Sprungschanze ist längst weg. Einen der beiden Skilifte hat der Bauherr schon flachlegen lassen, als das schwere Gerät für die Luftschänke schon mal hier oben war. Ob der andere Lift noch einmal für einen sechsstelligen Betrag saniert wird? „Eigentlich lohnt das nicht“, glaubt Benjamin Wörster.
Der Giller als Freizeitzentrum
Für Ortsvorsteher Dirk Becker zählt etwas anderes: „Hier entsteht eine weitere große Attraktion.“ Neben der Ginsburg, die gerade zur barrierefreien Höhenburg ausgebaut wird. Neben der Ginsberger Heide, auf dem Vereine und Gruppen im Sommer zum Zeltlager kommen. Neben dem Jugendwaldheim und dem Hotel Ginsberger Heide. Neben dem Rothaarsteig, dem Gillerturm und dem Gllerberg(sport)fest. Vor allem aber auch neben Kultur Pur, dem Musik- und Theaterfestival, das seit 1991 an die zwei Millionen Menschen auf den Giller gelockt hat. Und auch in den nächsten zehn Jahren – für diesen Zeitraum hat der Kreis den Vertrag mit der Waldgenossenschaft gerade verlängert – noch Hunderttausende anziehen wird. „Eigentlich“, so Dirk Becker, „sind wir ein Freizeitbereich für den ganzen Kreis.“ Was der Kreis auch so sieht. Nur die Bezirksregierung nicht, die den Wunsch des Kreises ablehnt, im neuen Regionalplan hier einen „Freiraumbereich mit Zweckbindung Erholung“ auszuweisen.
Die Gillerbergstraße
Womit der Boden der Tatsachen erreicht ist. Die Gillerbergstraße, über die alle gehen oder fahren müssen, wenn sie Craftbeer trinken, Schlitten fahren, Konzerte hören oder einfach nur wandern, biken oder spielen wollen. Manche Achse hat auf der 1,8 Kilometer langen Schlaglochpiste schon dran glauben müssen, der eine oder andere Fußgänger ist hängengeblieben und umgekippt. Pfingsten hat der Dauerregen das Gelände so aufgeweicht, dass Lastzüge mit Schotter die Bushaltestelle für die KulturPur-Sonderbusse befestigt werden musste, damit hier nicht wirklich Endstation ist. Auch die Tempo-5-Verkehrszeichen, die es offiziell gar nicht gibt, an der Auffahrt vom Ort heraus, sahen vor allem nach verzweifelter Selbsthilfe aus. „Durch die übermäßige Nutzung ist die Straße nicht besser geworden“, sagt Dirk Becker.
Die Politik
Tim Lukas Debus versteht, warum er auf den Giller gebeten worden ist: „Der Kreis soll sich in irgendeiner Weise beteiligen“, folgert der Hilchenbacher SPD-Kreistagsabgeordnete. Sein Kreistagskollege Peter Hanke (FDP) hört interessiert zu, ohne etwas zuzusagen – der Radweg von Grund zum Zollposten, für den seine Fraktion seit über zehn Jahren wirbt, ist schließlich auch noch nicht gebaut. Die Gelegenheit wäre jetzt günstig, sagt Dirk Becker: Nach der Glasfaserverlegung muss die Fahrbahn ohnehin repariert werden, unten auf der B 62 sind die Straßenbauer im nächsten Jahr ohnehin aktiv. Da könnte sich doch mancher Pluspunkte im Kommunalwahlkampf verdienen … Im Ernst: „Es gab mehrere Gespräche“, weiß Dirk Becker, zwischen Stadt und Kreis. „Da wurde abgeblockt, und dann kam nichts mehr.“ Dabei habe der Kreis ja auch anderen Städten bei ähnlichen Konstellationen unter die Arme gegriffen: in Siegen bei der Zufahrt zur Fludersbach, die neue Inertstoffdeponie des Kreises wird. „Wir sind seit zwei Jahren in Gesprächen“, sagt Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis – und hofft weiter auf einen positiven Ausgang,
Schon im städtischen Straßensanierungskonzept von 2018 steht die Gillerbergstraße: Von der B 62 bis zur Liftschänke für einen Komplettausbau, weiter bis zum Jugendwaldheim wollte man damals noch mit einer Frässanierung der Oberfläche auskommen. 2023 steht die Straße immer noch auf Rang 4 der Prioritätenliste, „abhängig von der Kostenbeteiligung des Kreises“, nach Talsperren- und Schützenstraße und Hüttenweg, dem der Bau des kmd in Dahlbruch den Rest gegeben hat. Dirk Becker entlässt die Kreis-Politiker mit einer Kostenschätzung: 335.000 Euro bis zur Liftschänke, weitere 506.000 Euro für den Rest.
Und jetzt ist das 470-Seelen-Dorf gespannt. Benjamin Wörster vielleicht auch, der gern noch vor dem Winter das Dach auf die neue, alte Liftschänke kriegen möchte: „Dann könnten wir die Eröffnung Mitte nächsten Jahres schaffen.“ Jan Strackbein, wie sein Bauleiter auf vielen ehrenamtlichen Schauplätzen, vom Leader-Regionalverein über den Schwimmverein „Wellenbrecher“ bis zur Hallenbad-Geschäftsführung, unterwegs, sowieso. Wobei er sich, nach jahrelangem Warten auf grünes Licht für das Areto-Vorhaben, über Geschwindigkeiten keine Illusionen machen dürfte. Tempo 5 eben.
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