Lützel. Die Bauarbeiten an der Liftschänke haben begonnen. Wie Jan Strackbein auf die Idee kam, was er vorhat, wer hier arbeitet und was die Gäste erwartet.

Um die Liftschänke und die Endstation des Skilifts steht ein Bauzaun. Der Bagger hat den Boden rund um das Haus abgeräumt, innendrin ist der ehemalige Gasthof entkernt. Gerade ein paar Tage ist es her, dass Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis den Rat über die frisch von der Kreisverwaltung ausgefertigte Baugenehmigung informiert hat. Fast im selben Moment hat Jan Strackbein der Baufirma grünes Licht gegeben. Lange genug hat er darauf gewartet.

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Es war im August 2020, als der Dahlbrucher an der schon lange aufgegebenen Gaststätte vorbeikam und das „Zu verkaufen“-Schild entdeckte. Zu dieser Zeit war seine Firma schon auf der Suche nach einem festen Standort für Seminare: Thema der Areto Consulting, die er 2007 selbst gegründet hat und die heute rund 180 Mitarbeitende in Köln, Hamburg, Berlin und Lissabon hat, ist Wirtschaftsinformatik für Unternehmen, die Fachwelt kennt den Begriff „Business Intelligence“. Sie wollten sich nicht mehr aufwändig irgendwo einmieten, immerhin geht es um 20 bis 40 Seminarwochen im Jahr. Jan Strackbein kauft die Luftschänke. Und weil dem umtriebigen Hilchenbacher – als Vorsitzender des Schwimmvereins Wellenbrecher, der DLRG und neuerdings auch des Leader-Regionalvereins – an der Stadt und ihren Menschen liegt, wird aus der Liftschänke etwas ganz anderes als ein Refugium für IT-Nerds.

Baustelle Liftschänke: Im Frühjahr 2025 soll der neue Betrieb beginnen können.
Baustelle Liftschänke: Im Frühjahr 2025 soll der neue Betrieb beginnen können. © WP | Steffen Schwab

Das kommt ins Haus

Zwei Etagen hat das 1975 errichtete Gebäude, das nun um einen fünf Meter breiten Vorbau („Der wird komplett im Hang verschwinden“) und an der Seite um WC-Anlagen und Lagerräume erweitert wird. Oben entstehen ein Gastraum mit Panorama-Blick auf den Hang, ein größerer Meeting-Raum und eine Lounge mit (Kaffee-Bar), Küche und zugehörigen Nebenräumen. Unten waren früher die Räume, die das Haus zur „Liftschänke“ gemacht haben: „Skiraum“ für den Skiverein, Garage für den Pistenbulli, Toilettenanlage für die Wintersportler. Hier kommen neun Zimmer mit elf Betten rein, für die Seminarteilnehmer, künftig vielleicht auch für Wanderer, die per App einchecken könnten. „Die sind wirklich nur zum Schlafen gedacht“, sagt Jan Strackbein, soeben zehn Quadratmeter klein, die beiden größeren 14 und 17 Quadratmeter. Glasfaser ist übrigens tatsächlich schon hier oben angekommen. Wäre aber gar nicht so dringend gewesen, sagt der Informatiker. „Wir wollen ja gerade hier die Handys weglegen.“

Was die Gäste erwartet

Der große Gastraum im Untergeschoss heißt Braustube. Denn nebenan ist die kleine Hausbrauerei. Ein Kollege, der selbst braut, hat Jan Strackbein drauf gebracht: Hier wird künftig der „Liftbräu“ in vier Tanks hergestellt, ein heller, ein dunkler, zwei wechselnde Craftbiere, im Frühjahr vielleicht Himbeer, zu Weihnachten Porter. An das Pils wagt sich der Liftbräu übrigens nicht heran – da wäre noch Raum für eine Brauerei, die sowieso als Lieferant für Softdrinks gebraucht würde. Keine Konkurrenz also.

Spätestens hier wird deutlich, dass die Liftschänke öffentlich bleibt: Mindestens ein Raum ist für Wanderer und Ausflügler immer offen, auch wenn die anderen Räume für Seminare von Areto oder anderen Unternehmen oder für Firmen- oder Familienfeiern belegt sind. Am Anfang, erinnert Jan Strackbein, sollte die Gastronomie nur ein Gelegenheitsangebot werden. „Und dann haben wir das mal durchgerechnet.“ Weil der Koch und das Servicepersonal, wenn man es denn einmal gewonnen hat, sowieso da sind und die Seminarteilnehmer verpflegt werden müssen, kann die Liftschänke auch gleich fünf bis sieben Tage in der Woche aufmachen. Der Erfolgsdruck ist nicht allzu groß. „Eine schwarze Null“, sagt Jan Strackbein, würde in der Gastronomie genügen. „Das Haus trägt sich durch den Seminarbetrieb.“

„Alle waren hilfsbereit, aber am Ende war es sehr aufwändig. Wenn man von der Liftschänke hätte leben müssen, wäre es jetzt schon vorbei.“

Jan Strackbein, Investor

Wer alles gefragt werden muss

Ein bisschen Liebhaberei ist aber wohl auch im Spiel. Immerhin vier Jahre lang musste sich der Investor nicht nur mit Behörden herumschlagen, die hier oben, wo Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und Wald vor der Tür liegen, besonders anspruchsvoll sind. Neben den Waldgenossenschaften und Privatwaldbesitzern war auch die Liftgemeinschaft Verhandlungspartner, letztere auch durch Erben verstorbener ehemaliger Liftgenossen. Dazu gehörten dann auch ein minderjähriges Kind und dessen gesetzlicher Vertreter, zu Strackbeins Glück aber doch kein Nachkomme im Ausland – der hatte das Erbe ausgeschlagen. „Alle waren hilfsbereit“, sagt Jan Strackbein, „aber am Ende war es sehr aufwändig. Wenn man von der Liftschänke hätte leben müssen, wäre es jetzt schon vorbei.“ Zusammen mit der Stadt hat er eine Zisterne für 250.000 Liter Löschwasser bauen lassen, drei Wochen lang hat sich die Tiefbaufirma in den Fels hineingegraben. „Dafür haben wir jetzt ein paar Grauwackesteine für die Außenanlage.“

Ausflugsziel Giller: Lift, Wanderwege - und demnächst Zauberteppich, Reifenrutsche und vielleicht sogar irgendwann ein Bike-Park.
Ausflugsziel Giller: Lift, Wanderwege - und demnächst Zauberteppich, Reifenrutsche und vielleicht sogar irgendwann ein Bike-Park. © WR | SCHWAB, Steffen

Was am Skihang passiert

Dass Jan Strackbein auf die komplizierten Eigentumsverhältnisse („ein spannendes Thema“) oben auf dem Giller einlassen musste, liegt auch daran, dass die Pläne über die Liftschänke hinaus reichen. „Wintersport wird hier eher schwierig“, glaubt er angesichts der Klimaentwicklung, im letzten Winter ging das gerade mal an zwei Wochenenden. Skifahren war eh nicht mehr so angesagt: „Der Hang wird gern zum Schlittenfahren genommen.“ Was auch immer die Leute dort künftig machen: Ein Förderband („Zauberteppich“) wird sie künftig mit Skiern oder Bob nach oben bringen. Oder mit Reifen. Denn eine Reifenrutsche wird auch noch aufgebaut, 280.000 Euro kostet das alles, 160.000 Euro kommen aus dem Leader-Budget. Einer der beiden Lifte wird abgebaut, der andere bleibt zunächst noch stehen Und weiter? „Ich habe noch viele Ideen.“ Ein kleiner Bike-Park könnte nebenan auch noch entstehen. Zukunftsmusik.

Wie teuer das Vorhaben am Ende wird, kann Jan Strackbein nur schätzen: „Auf jeden Fall siebenstellig.“ Für eine zumindest teil-)Eröffnung hat er einen Wunsch: das Frühjahr 2025. „Waldgasthaus Gillerberg“ steht übrigens auf der abmontierten Neonreklame. „Das hieß nie Liftschänke“, stellt Jan Strackbein fest. Bis jetzt.

Das ist die Vorgeschichte

Jan Strackbein ist nicht der Erste, der sich an der Liftschänke versucht. Schon 2008 standen vier Interessenten mit – so die Verwaltung – „verwertbaren Angeboten“ bereit. Alle vier waren an der Liftschänke interessiert, zwei wollten Ferienhäuser und - hütten errichten, drei einen Camping-, zwei einen Zeltplatz. Zwei wollten auch den Skilift weiterbetreiben, zwei eine Mountain-Bike-Strecke anlegen. Das aktuelle Konzept wurde dem Hilchenbacher Bauausschuss erstmals im März 2021 vorgestellt. Im Juni fasste der Rat den Beschluss zur erforderlichen Änderung des Flächennutzungsplans. Im Januar 2022 sprach der Bauausschuss sein Einvernehmen zu dem Bauantrag aus. Die Bezirksregierung forderte schließlich zusätzlich eine „FFH-Vorprüfung“, weil im Abstand von 250 Metern zur Liftschänke das Flora-Fauna-Habitat-Gebiet „Rothaarkamm und Wiesentäler“ beginnt.

Einer der beiden Lifte wird abgebaut.
Einer der beiden Lifte wird abgebaut. © WR | EILERT, Klaus-Peter

Massiver Widerspruch gegen das Vorhaben kommt von den Naturschutzverbänden. Es fehle „eine stichhaltige Untersuchung, ob tatsächlich ein Bedarf für einen Restaurantbetrieb mit Übernachtung gerade in diesem sensiblen Außenbereich besteht, da ja ähnliche, ausbaufähige Betriebe im nahen Umfeld und der allgemeinen Siedlungsflächen mehrfach vorhanden sind“, stellt der Naturschutzbund fest. Die Liftschänke sei 1975 mit einem Skibetrieb verbunden worden, der nun aber wegen des milder gewordenen Klimas nicht mehr möglich sei. „Eigentlich müsste, da die ursprüngliche Nutzung weggefallen ist, dieses Gebäude abgerissen werden.“ Von der Kritik nimmt der Nabu die Tourismusförderung aus. „Wenn aber diese einzigartige Natur der Hauptgrund für Touristen ist, in unseren Kreis zu kommen und hier Geld auszugeben, dann müssen die Verantwortlichen hier endlich verstehen, dass man viel unternehmen muss, um die einzigartige und vielfältige Natur zu erhalten, zu pflegen und weiterzuentwickeln.“

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