Netphen. Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein muss gegen den Willen der Stadt weitere Voranfragen für neue Windräder genehmigen. SPD wirbt für Kurswechsel.
Der Rat steht nicht mehr geschlossen hinter dem Kurs der Stadt, für alle Voranfragen zu neuen Windkraftanlagen des Einvernehmen zu versagen. Gegen den Vorschlag, auch drei neue Standorte in Unglinghausen, auf der Lichtenhardt und westlich der Winterbach-Deponie, abzulehnen, gab es sieben Gegenstimmen; die als Ratsvorsitzende amtierende stellvertretende Bürgermeisterin Dr. Sandra Groos (CDU) enthielt sich der Stimme.
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Die Stadt Netphen
Als „Makulatur“ bezeichnete Lothar Kämpfer (SPD) die bisherigen Beschlüsse des Rates. Im Stadtentwicklungsausschuss hatte Stadtplanerin Ilka Rosenthal darüber informiert, dass die Kreisverwaltung trotz Netphener Widerspruch bereits für 29 weitere Windräder positive Vorbescheide erteilt hat; sechs auf dem Homerich bei Herzhausen, zwölf im Windpark Siegerland an der Obernautalsperre, zwei südlich von Dreis-Tiefenbach und neun südlich und nördlich von Hainchen. Zwei weitere Standorte auf dem Hellerkopf bei Werthenbach hatte der Kreis bereits früher genehmigt - die einzigen Standorte innerhalb einer auch von der Stadt gewünschten Konzentrationszone.
„Wir sind überhaupt nicht gefragt, weil über unsere Köpfe hinweg entschieden wird.“
„Die Entscheidungsgrundlagen haben sich geändert“, stellte Lothar Kämpfer (SPD) fest. Die Vorgaben von Landesregierung und Bezirksregierung, nur für im neuen Regionalplan beabsichtigte Windenergiebereiche Genehmigungen auszustellen, seien gegenstandslos. Keine Kommune im Umland verhalte sich ähnlich ablehnend. Klaus-Peter Wilhelm (UWG) riet dennoch dazu, beim bisherigen Kurs zu bleiben. „Wir sind überhaupt nicht gefragt, weil über unsere Köpfe hinweg entschieden wird.“ Ein „Wildwuchs“ beim Bau von Windparks könne nur noch durch den Regionalplan unterbunden werden – mit dem aber ist frühestens 2025 zu rechnen. „Dann ist der Kuchen gegessen“, sagte Lothar Kämpfer (SPD).
„Wir werden hier aber gnadenlos umzingelt. Das wird die Bürger gegen die Windenergie aufbringen.“
Alexandra Wunderlich (CDU) betonte, dass Windenergie „nicht schlecht“ sei. „Wir werden hier aber gnadenlos umzingelt. Das wird die Bürger gegen die Windenergie aufbringen.“ Benedikt Büdenbender (CDU) sprach sich dafür aus, die bisherige Linie beizubehalten. „Wir würden uns sonst unglaubwürdig machen.“
„Komplett torpediert“
CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach kritisiert die geplante Änderung des Baugesetzbuches. „Akzeptanz und Ambitionen bei der Planung vom Bau von Windkraftanlagen sind in der Vergangenheit gut gelungen. Der transparente Prozess mit den Kommunalverwaltungen trug einen erheblichen Teil dazu bei, da diese am besten wissen, wo die geplanten Anlagen entstehen können und entsprechend geeignete Flächen dafür auswiesen. Von der Bundesregierung wird dies nun komplett torpediert, denn durch eine geplante Änderung des Baugesetzbuches soll den Ländern und Kommunen diese wichtige Steuerungsmöglichkeit entzogen werden.“ Eine Eingrenzung und Festlegung der zu bebauenden Flächen wäre kaum noch möglich. „Sollten die von der Ampel geplanten bundesrechtlichen Vorschriften tatsächlich eintreten, wäre die gesamte kommunale Planung zum Thema Windkraftanlagen überflüssig gewesen.“
Tobias Glomski (Grüne) fand, die Stadt argumentiere „verbohrt wie vor zehn Jahren“. Manfred Heinz (SPD) widersprach: Die jetzige Situation sei auf die Politik der Landesregierung zurückzuführen. Die Stadt habe lange und am Ende vergeblich versucht, eine Windkraft-Konzentrationszone auf dem Hellerkopf auszuweisen. Mittlerweile haben auch die wenigen Konzentrationszonen, die landesweit noch nicht vom Oberverwaltungsgericht kassiert wurden, nur noch kurzen Bestandsschutz. Danach, so das geänderte Bundesrecht, sind Windkraftanlagen überall „privilegiert“. Ob das Land oder ein Regionalplan das einschränken kann, ist umstritten. Zuletzt hat das Oberverwaltungsgericht die Weisung der Bezirksregierung, Verfahren für Windräder auf unerwünschten Standorten „auszusetzen“, also nicht zu bearbeiten, für rechtswidrig erklärt. Die Stadt Netphen hatte im Dezember eine Anwaltskanzlei hinzugezogen, bevor sie begann, alle Windrad-Anträge abzulehnen. Die Kanzlei, so Manfred Heinz (SPD), „hat uns völlig falsch beraten“.
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Die Kreisverwaltung
Bereits kurz nach der Ratssitzung hat die Kreisverwaltung das verweigerte Einvernehmen der Stadt „ersetzt“, also an Stelle der Stadt zugestimmt. Weitere positive Vorbescheide wurden nicht nur für die drei beantragten Anlagen in Unglinghausen, sondern nun auch für vier weitere Anlagen an der Obernautalsperre (zusätzlich zum „Windpark Siegerland“) und für zwei Anlagen nordwestlich von Sohlbach erteilt. Damit sind für das Stadtgebiet Netphen nun insgesamt 40 Vorbescheide (einschließlich Hellerkopf) wirksam. Diese führen allerdings noch nicht automatisch zu einer Baugenehmigung. In weiteren Schritten werden nun unter anderem Fragen des Arten- und Immissionsschutzes geprüft.
Das Oberverwaltungsgericht
Das Oberverwaltungsgericht hatte nicht nur die Argumentation der Bezirksregierung zurückgewiesen, dass die Verwirklichung des Regionalplans durch Windkraftanlagen außerhalb der vorgesehenen Bereiche unmöglich gemacht werde: „Die von der Bezirksregierung Arnsberg angestellten Erwägungen sind offenkundig unzureichend.“ Hinzu komme, dass mit der „Aussetzung“ von Genehmigungsverfahren gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz verstoßen wird. Damit werde Artikel 31 des Grundgesetzes verletzt, dass Bundesrecht Landesrecht bricht.
Die „Erneuerbaren“-Lobby
Geäußert hat sich auch der Landesverband Erneuerbare Energien. „Der verfassungswidrige Passus im Landesplanungsgesetz muss schnellstens korrigiert werden, da die Landesregierung ansonsten ihr Ziel von mindestens 1.000 zusätzlichen neuen Windenergieanlagen in dieser Legislaturperiode nicht schafft“, wird Verbandsvorsitzender Hans-Josef Vogel, früherer Regierungspräsident in Arnsberg, in der Pressemitteilung zitiert. „Ohne Not hat die Landesregierung in den letzten Monaten das Vertrauen in ihre ambitionierte Windenergiepolitik verspielt, wichtige Zeit verloren sowie neue Bürokratie geschaffen und zusätzliche Kosten verursacht.“
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