Netphen. Die Entscheidungen über die neue Grundsteuer stehen an. In den Städten und Gemeinden kursieren die ersten Beispielrechnungen.
Wer in Netphen in diesem Jahr 535 Euro Grundsteuer für sein Wohngrundstück bezahlt, ist im nächsten Jahr mit 835 Euro, schlimmstenfalls sogar 1017 Euro, dabei. Das rechnet die Verwaltung dem Rat vor.
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Die Stadt nimmt dabei unterm Strich nicht mehr ein. Denn auf der anderen Seite verringert sich die Grundsteuer deutlich, die Eigentümer von Gewerbegrundstücken zu entrichten haben werden: zum Beispiel von jetzt 67.695 Euro auf 39.907 Euro oder sogar 22.580 Euro.
Hebesatz in Netphen soll von 670 auf 1019 Prozent steigen
Ursache für diese Veränderung ist die Umstellung der Grundsteuer. Die Grundstückswerte wurden aktuell neu ermittelt, die vom Finanzamt anzuwendenden Messbeträge neu festgesetzt. Weil das dazu geführt hätte, dass die Kommunen weniger einnehmen, hat das Land neue Hebesätze für die Grundsteuer ausgerechnet. Für Netphen 1019 Prozent statt bisher 670 Prozent, damit am Ende die gleiche Gesamteinnahme hereinkommt. Würde der Hebesatz beibehalten, würde die Stadt Netphen 20,5 Prozent weniger Grundsteuer einnehmen.
So wird gerechnet
Die Grundsteuer wird mit drei Faktoren berechnet: Der Grundsteuerwert wurde im vorigen Jahr neu ermittelt, dazu mussten alle Immobilienbesitzer Steuererklärungen abgeben. Der Messbetrag, der auf dem Steuerbescheid steht, kommt zustande, indem der Grundsteuerwert mit 0.31 Promille multipliziert wird – diesen Faktor soll das Land neu und getrennt für Wohn- und Gewerbegrundstücke berechnen, fordern die Städte und Gemeinden. Der Messbetrag wiederum wird mit dem Hebesatz multipliziert, den die Kommunen festlegen.
Die Umstellung trifft allerdings die verschiedenen Grundstücksarten unterschiedlich: Wohn- und Gewerbegrundstücke haben seit den 1960er Jahren grundsätzlich an Wert gewonnen. Doch für die Berechnung werden örtliche Bodenrichtwerte verwendet, das sind die Durchschnittspreise der aktuell bei Grundstücksverkäufen gezahlten Preise. Gebiete, in denen gerade in den letzten Jahren viel gebaut wurde, schneiden entsprechend teuer ab – was erklärt, warum es auch zwischen den Kommunen erhebliche Unterschiede gibt. In Gewerbegebieten indes ist auf dem Markt in der Regel weniger Bewegung: Sind dort die Grundstücke einmal verkauft, tut sich auf dem Markt nur noch wenig. Die Bodenrichtwerte ändern sich folglich nicht mehr.
Beispiele aus Hilchenbach
Der Hilchenbacher Rat befasst sich am Mittwoch, 25. September, mit der neuen Grundsteuer. Beispielrechnungen sehen bei einem neuen Hebesatz von 945 Prozent (bisher 640 Prozent) führt bei Einfamilienhäusern zu Mehrbelastungen von 289,07 Euro, aber auch zu einer Minderbelastung von 41,23 Euro. Würde ein differenzierter Hebesatz von 714 Prozent erhoben, entstünden gegenüber diesem Jahr Entlastungen von zum Beispiel 63,59 Euro (Eigentumswohnung) oder auch 174,15 Euro (Einfamilienhaus).
Bei Gewerbeimmobilien kommt es beim einheitlichen Hebesatz zu Entlastungen von 9226,52 Euro, aber auch zu Belastungen von 192,04 Euro. Der differenzierte Hebesatz von 2009 Prozent führt bei den Beispielen sowohl zu Entlastungen von 5777,13 Euro als auch zu Mehrbelastungen von 1134,85 Euro.
Verwaltungen rechnen mit Klagen und Widersprüchen
Das Land hat den Städten und Gemeinden differenzierte Hebesätze für Wohn- und Gewerbegrundstücke empfohlen. Das ist bei den Kommunen auf Widerspruch gestoßen, weil sie Klagen ihrer Steuerzahler befürchten und weil diese Umstellung zum 1. Januar 2025 schon technisch kaum mehr zu stemmen sei. Inzwischen drehen die Städte und Gemeinden bei: Auch in Siegen-Wittgenstein empfehlen die Verwaltungen nun überall differenzierte Hebesätze. In Netphen würde der Hebesatz für Wohngrundstücke von 670 auf 835 Prozent, für Gewerbegrundstücke von 670 auf 1801 Prozent steigen. Das würde, im Vergleich zum einheitlichen Hebesatz, zu einer geringeren Erhöhung der Grundsteuer bei Wohngrundstücken und zu einer geringeren Entlastung der Gewerbegrundstücke führen.
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Das Land will die Kommunen nun beraten, damit ihre Steuersatzungen nicht rechtlich angreifbar werden, und für die technische Umstellung Geld (landesweit insgesamt vier Millionen Euro) bereitstellen. Dem Rat schlägt die Verwaltung die differenzierten Hebesätze vor, um Mieterhöhungen zu begrenzen – die Grundsteuer fließt nämlich vollständig in die Mietnebenkosten ein. „Es ist dennoch davon auszugehen, dass die Verwaltung ab dem Haushaltsjahr 2025 mit einer Vielzahl von Widersprüchen und gegebenenfalls Klageverfahren konfrontiert sein wird“, heißt es in der Vorlage, über die der Rat am Donnerstag, 26. September, berät.
Netphen: Weitere Grundsteuererhöhung nicht ausgeschlossen
„Fehlinterpretiert“ sei die Annahme, dass die Kommunen 2025 nicht mehr Grundsteuer einnehmen als 2024. Die vom Land behauptete „Aufkommensneutralität“, so die Vorlage der Verwaltung, beziehe sich nur auf die Umstellung. Die Aufkommensneutralität der Reform stehe nicht einer zeitgleichen „Aufkommensanpassung aus anderen Gründen, wie beispielsweise einer Finanznot“, entgegen. Zu bedenken sei aber, dass ein Beschluss höherer als der aufkommensneutralen Hebesätze „besondere Anforderungen an die öffentliche Kommunikation zu den Gründen einer solchen Vorgehensweise mit sich bringt“. So heißen: Dann kommt die Stadt erst recht in Erklärungsnöte.
Bund der Steuerzahler bei UWG Netphen: Grundsteuer hat keine Zukunft
Die Netphener UWG hat mit dem Bund der Steuerzahler über die neue Grundsteuer diskutiert. Referent Joscha Slowik hat sich für die Anwendung gesplitterter Hebesätze für Wohn- und Gewerbegrundstücke ausgesprochen, der Grundsteuer insgesamt aber keine Zukunft eingeräumt.
Als Alternative biete es sich an, die Gemeinden mehr an der Umsatz-, Einkommens- oder Körperschaftssteuer zu beteiligen. Außerdem könne das Land insgesamt mehr von seinen Steuereinnahmen an das Land abgeben.
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