Kreuztal. Kreuztals Kämmerer Michael Kass legt Zahlen vor: Was mit der „neuen“ Grundsteuer auf Haus- und Wohnungsbesitzer und Mieter zukommt.

Als „unermesslich hoch“ schätzt Bürgermeister Walter Kiß das Risiko ein, dass Bürger gegen die Grundsteuerbescheide der Stadt klagen, nicht nur im nächsten Jahr, sondern auch in jedem folgenden Jahr. Eröffnet wird diese Möglichkeit dann, wenn der Rat differenzierte Hebesätze für die Grundsteuer einführt, einen niedrigeren für Wohngrundstücke, einen höheren für Gewerbegrundstücke. Damit, so die Idee des vom Landtag verabschiedeten Gesetzes, könnte die „Schieflage“ ausgeglichen werden, die durch die Neubewertung der Grundstücke entstanden ist. Wird sie aber nicht, sagt Walter Kiß voraus, „es wird immer Gewinner und Verlierer geben.“

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Im Rat hat Kämmerer Michael Kass detailliert vorgerechnet, wen es wie treffen wird. Er hat die Messbeträge addiert, die das Finanzamt für jeden Grundstücks-, Haus- und Wohnungsbesitzer festgesetzt hat.

Für die Stadt Kreuztal geht es um 9,6 Millionen Euro

Zum Hintergrund: Der Messbetrag, der auf dem Steuerbescheid steht, kommt zustande, indem der Grundsteuerwert, dessen Grundlage wiederum Bodenrichtwerte und Mietspiegel sind, mit der „Steuermesszahl“ 0,31 Promille multipliziert wird – ein umstrittener Faktor. Im Landtag hat die Opposition erfolglos gefordert, diesen Wert für Wohn- und Gewerbegrundstücke unterschiedlich zu gestalten, sodass die Messbeträge sich zugunsten der Wohngrundstücke verändern. Nebeneffekt: Die Klagen der Steuerzahler würden sich gegen das Finanzamt richten und nicht gegen die Kommunen. Wären aber auch nur einmal möglich, weil der Messbetrag auf Dauer, die kommunale Grundsteuer jedoch jedes Jahr neu festgesetzt wird.

So wird gerechnet

Die Grundsteuer wird mit drei Faktoren berechnet: Der Grundsteuerwert wurde im vorigen Jahr neu ermittelt, dazu mussten alle Immobilienbesitzer Steuererklärungen abgeben. Der Messbetrag, der auf dem Steuerbescheid steht, kommt zustande, indem der Grundsteuerwert mit 0.31 Promille multipliziert wird – diesen Faktor soll das Land neu und getrennt für Wohn- und Gewerbegrundstücke berechnen, fordern die Städte und Gemeinden. Der Messbetrag wiederum wird mit dem Hebesatz multipliziert, den die Kommunen festlegen.

Die Messbeträge werden in den Rathäusern mit den Hebesätzen für die Grundsteuer multipliziert. Die Summe der Messbeträge geht in Kreuztal um fast 30 Prozent zurück. Entsprechend reduzieren würden sich die bisher 9,6 Millionen Euro jährlicher Grundsteuereinnahme, in Kreuztal um gut drei Millionen Euro. Was auch das Land gerechnet hat, das deshalb einen neuen Hebesatz für Kreuztal errechnet hat: 1158 statt bisher 790 Prozent. Damit würde Kreuztal genauso viel einnehmen wie bisher. Aber nicht von jedem. „Die Abweichungen sind sehr unterschiedlich“, sagt Kämmerer Michael Kass.

Gewerbegrundstücke werden auch in Kreuztal entlastet

Die Zahlen, die der Kämmerer vorlegt, sind drastisch: Am schlimmsten wird es die Besitzer Einfamilienhäusern treffen, die 45,65 Prozent mehr Grundsteuer bezahlen werden. Für Zweifamilienhäuser werden 20,65 Prozent mehr fällig, für Eigentumswohnungen 36,12 Prozent, und auf Mietwohnungen könnten auch noch 14,86 Prozent mehr umgelegt werden. Dagegen kommen von allen Geschäftsgrundstücken zusammen 51,91 Prozent weniger, von Teileigentümern 36,99 Prozent, von gemischt (also zum Wohnen und für Gewerbe) genutzten Grundstücken 27,25 Prozent weniger.

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Wenn die Stadt, wie vom Land empfohlen, ihre Hebesätze splittet, müsste sie 887 Prozent für Wohn-, 2002 Prozent für Gewerbegrundstücke erheben.  Aber auch dann wäre die Schieflage nur abgemildert: 11,56 Prozent mehr als 2024 für Einfamilienhäuser, 4,26 Prozent mehr für Eigentumswohnungen, 7,59 Prozent weniger für Zweifamilienhäuser und 12,02 weniger für Mietwohnungen. Auf der anderen Seite: 16,86 Prozent weniger für Geschäftsgrundstücke, 8,93 Prozent mehr für Teileigentum, 25,78 Prozent mehr für gemischt genutzte Grundstücke.

Kämmerer Michael Kass richtet sich auf gewaltigen Ärger mit  der neuen Grundsteuer ein.
Kämmerer Michael Kass richtet sich auf gewaltigen Ärger mit der neuen Grundsteuer ein. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

„Wir bekommen den schwarzen Peter zugeschoben. Das wird eine Menge an Klagen geben.“

Michael Kass, Kämmerer

Die Messbeträge sind übrigens nur hochgerechnet. „Wir wissen noch nicht, wie der Datenbestand aussieht“, berichtet Kämmerer Michael Kass. Längst noch nicht alle Steuerbescheide sind von den Finanzämtern an die Rathäuser weitergeleitet worden. „Die kommunale Familie läuft nach wie vor Sturm“, sagt Kass. Bürgermeisterin und Bürgermeister der Städte und Gemeinden Siegen-Wittgensteins haben sich an die Landtagsabgeordneten gewandt, erfahren allerdings von den Regierungsparteien keine Unterstützung. „Wir bekommen den schwarzen Peter zugeschoben“, sagt Michael Kass, „das wird eine Menge an Klagen geben.“

Kreuztaler Rat soll direkt nach der Sommerpause entscheiden

Der Kreuztaler Rat soll direkt nach der Sommerpause entscheiden, mit welchem Hebesatz oder welchen Hebesätzen die Stadt im nächsten Jahr ihre Grundsteuer erheben soll. Wobei Kämmerer Michael Kass schon jetzt ausschließt, dass ein gesplitteter Hebesatz, falls sich der Rat dazu entscheidet, zum Jahresbeginn erheben werden kann. „Wir sind gar nicht in der Lage, das umzusetzen.“ Grundsteuerzahler müssen sich also auf Forderungen in den ersten Monaten des nächsten Jahres einstellen, die rückwirkend erhoben werden. Bürgermeister Walter Kiß: „Das ist besonders ärgerlich, weil das Thema zwei bis drei Jahre vor sich hin gegoren hat.“

Im April 2018, vor mehr als sechs Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Grundlagen für die Grundsteuererhebung kassiert. Die Einheitswerte, die bis dahin Berechnungsgrundlage waren, stammen aus den frühen 1960er Jahren. In den neuen Messbetrag fließen Bodenrichtwert, Wohnfläche, Anzahl der Wohnungen und Garagen und ihre Größe, Gebäudealter und Grundstücksfläche ein, auch Mieteinnahmen. Kritisiert wird besonders der Einfluss des Bodenrichtwerts: Der ergibt sich nämlich aus den aktuell abgeschlossenen Grundstückskaufverträgen. Je mehr in einem Gebiet ge- und verkauft wird und je höher die dabei erzielten Preise sind, desto höher fällt auch der Messbetrag aus. Umgekehrt ergeben sich niedrigere Messbeträge in Quartieren, in denen keine Eigentümerwechsel (mehr) stattfinden.

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