Netphen. Das Hakeln um Grundsteuerwerte und Messbeträge klingt schwierig. In Netphen aber hat der Kämmerer die Folgen für die Steuerzahler ausgerechnet.
1019 Prozent wird der Hebesatz für die Grundsteuer in Netphen betragen müssen, wenn die Stadt 2025 genauso viel Grundsteuer einnehmen will wie 2024. Das hat das NRW-Finanzministerium vorgerechnet. „Absoluter Wahnsinn“, sagt Kämmerer Christian Walde. Tatsächlich wird Netphen den größten Sprung im Kreis machen (von jetzt 670 Prozent) und sich mit Kreuztal an die Steuersatz-Spitze im Kreis setzen müssen, mit Hebesätzen von jeweils über 1000 Prozent. In Netphen ist, wie in vielen anderen Rathäusern, die Empörung groß. Denn die Grundsteuerwerte, die im vorigen Jahr alle neu berechnet wurden, haben sich keineswegs gleichmäßig verändert. Was in der Regel dazu führt, dass vor allem Eigentümer von Wohnhäusern je nach Grundstücksgröße und Gebäudealter kräftig zur Kasse gebeten werden.
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Kämmerer Christian Walde schockiert im Rat mit einem Beispiel. Der Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks zahlt in diesem Jahr 535 Euro Grundsteuer. Sein neuer Messbetrag hat sich so ungünstig verändert, dass er im nächsten Jahr 1017 Euro wird überweisen müssen. Mindestens aber 835 Euro, wenn sich die Stadt, was sie aber nicht will, zu einem gesplitteten Hebesatz für Wohn- und Nichtwohngrundstücke entscheidet: Bei 835 Prozent würden dann immer noch 835 Euro fällig. Auch den Abgabenbescheid für einen Gewerbebetrieb hat Walde schon einmal ausgerechnet: Von jetzt 2540 auf dann 2659 Euro Grundsteuer käme die Firma, denn auch hier kommen Gewerbegrundstücke durchweg besser weg. Der gesplittete Hebesatz für Gewerbegrundstücke würde 1801 Prozent betragen. Das würde 4700 Euro kosten – aber den Wohnhauseigentümer gleichzeitig entlasten.
So wird gerechnet
Die Grundsteuer wird mit drei Faktoren berechnet: Der Grundsteuerwert wurde im vorigen Jahr neu ermittelt, dazu mussten alle Immobilienbesitzer Steuererklärungen abgeben. Der Messbetrag, der auf dem Steuerbescheid steht, kommt zustande, indem der Grundsteuerwert mit 0.31 Promille multipliziert wird – diesen Faktor soll das Land neu und getrennt für Wohn- und Gewerbegrundstücke berechnen, fordern die Städte und Gemeinden. Der Messbetrag wiederum wird mit dem Hebesatz multipliziert, den die Kommunen festlegen.
Kämmerer Christian Walde hält nichts von gesplitteten Hebesätzen. Die seien schon technisch nicht mehr bis zum 1. Januar umsetzbar. Und abgesehen davon auf rechtlich tönernen Füßen. „Ich möchte mir nicht vorstellen, was dann auf Politik und Verwaltung zukommt.“ „Eine regelrechte Prozesslawine“, sagt Bürgermeister Paul Wagener voraus. Die Forderung der Siegen-Wittgensteiner Bürgermeister an die Landesregierung, direkt an den Messbeträgen zu schrauben, um das Ungleichgewicht zwischen den Grundstücken abzufangen, ist auf taube Ohren gestoßen. Von den beiden (CDU-)Landtagsabgeordneten kann die Stadt keine Unterstützung erwarten. Die hätten, so Kämmerer Walde, ihr „Unverständnis“ zu dem Protest geäußert. Mit den gesplitteten Hebesätzen werde doch „die kommunale Selbstverwaltung gestärkt“.
CDU-Landtagsabgeordnete lehnen Wunsch der Bürgermeister ab
CDU-Landtagsabgeordneter Jens Kamieth schiebt in einer Pressemitteilung die Schuld auf zwei Finanzminister: Christian Lindner (FDP) und dessen Vorgänger, den heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Leider war Bundesfinanzminister Christian Lindner nicht bereit, die Fehler des Modells zu beheben.“ Städte und Gemeinden in NRW könnten aber mit den von der Landesregierung vorgeschlagenen gesplitteten Hebesätzen die Grundsteuer „vor Ort so austarieren, dass es nicht zu einer Belastungsverschiebung auf Kosten von Hauseigentümern und Mietern in Nordrhein-Westfalen kommt“. Die von den Kommunen geforderten Veränderungen am Messbetrag durch das Land lehnt der CDU-Abgeordnete ab: „Wir brauchen regionale Lösungen, denn bei uns im Siegerland ist die Lage eine andere als in Köln oder Düsseldorf, am Niederrhein oder in der Eifel.“
„Man kann nur den Kopf schütteln. Wie sollen wir das der Bürgerschaft vermitteln?“
„Man kann nur den Kopf schütteln“, sagt Lothar Kämpfer (SPD), „wie sollen wir das der Bürgerschaft vermitteln?“ Einstimmig verabschiedet der Rat eine von der SPD-Fraktion eingebrachte Resolution; der Stimme enthalten sich nur CDU-Fraktionschefin Alexandra Wunderlich und ihr Stellvertreter Georg Dombaj. Darin fordert die Stadt den Landtag zu einer „Messzahlanpassung“ auf: „Die derzeit im Raum stehende NRW-Umsetzung der Grundsteuerreform darf so nicht wahr werden und ist strikt abzulehnen.“ Es dürfe „zu keiner Lastenverschiebung zu Ungunsten der Wohngrundstücke“ kommen.
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Eine ähnliche Resolution haben auch der SPD-Unterbezirk Siegen-Wittgenstein und die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) Siegen-Wittgenstein verabschiedet. Für viele Haushalte würde sonst „eine unzumutbare finanzielle Belastung“ entstehen. „Wir fordern den Landtag auf, eine klare und verfassungskonforme Regelung zu schaffen, die die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wahrt“, sagt Unterbezirksvorsitzender Adhemar Molzberger. „Eine landesgesetzliche Messzahlenanpassung ist der einzig gangbare Weg, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Kommunen zu entlasten“, erklärt Falk Heinrichs.
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