Siegen/Kreuztal. Auch in Siegen und Kreuztal haben sich die Räte mit dem bevorstehenden Ausbruch des Volkszorns befasst.Auswege zeichnen sich nicht mehr ab.

Auch die Stadt Siegen fordert den Landtag auf, bei der Grundsteuer nachzubessern: die für die Berechnung der Messbeträge, aus denen wiederum die Grundsteuer ermittelt wird, angewendeten Messzahlen so zu verändern, dass es „zu keiner Lastenverschiebung zu Ungunsten der Wohngrundstücke kommt.“ Bei Gegenstimmen der AfD und Enthaltungen von Teilen der CDU hat der Rat jetzt eine von der SPD eingebrachte Resolution verabschiedet.

Siegen

„Wir reden darüber seit zwei Jahren. Es ist nichts passiert.“ Kämmerer Wolfgang Cavelius ist sauer auf die NRW-Landesregierung. „Andere Länder haben reagiert.“ Eben in dem Sinne, dass auch nach der letztlich vom Bundesverfassungsgericht veranlassten Neuberechnung für die Steuerzahler alles beim Alten bleibt. Denn „aufkommensneutral“ soll das Ganze für die Städte und Gemeinden sowieso sein. Auf Deutsch: Sie sollen nicht mehr einnehmen, nur weil die Grundsteuerwerte sich verändert haben. Cavelius: „Es geht darum, 26 Millionen Euro zu halten.“

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Das Verhalten des Landes gegenüber den Städten und Gemeinden sei „einfach nicht fair“. Denn wenn die Städte dem vom Land geplanten Gesetz folgen und eigene Hebesätze für Wohn- und Gewerbegrundstücke beschließen, werden sie und ihre Grundsteuerbescheide es sein, gegen die die steuerzahlenden Bürger klagen. Anlass genug hätten sie, fürchtet der Kämmerer: „Sie glauben gar nicht, welche Unterschiede sich auftun. Ich muss mindestens 25 bis 30 Leute an der Hotline sitzen haben.“ Dass die Bodenrichtwerte Grundlage für die neu berechneten Grundsteuerwerte seien, sei „die Wurzel allen Übels“, erklärt Wolfgang Cavelius: Besonders großes Pech hat, wer in einem Viertel wohnt, wo in den Jahren der Immobilienhöchstpreise viele Grundstücke verkauft worden sind – Neubaugebiete also, je besser die Wohnlage, je höher der Bodenrichtwert.

Unterscheide zwischen Kommunen im Siegerland

„Wir sind unterschiedlicher Auffassung“, muss Maik Harnacke (CDU) einräumen. Er selbst wird der Resolution zustimmen – als Leiter des Amtes für Finanzen in der Nachbarstadt Kreuztal ist er einfach zu nah dran, als dass er den geteilten Hebesätzen etwas abgewinnen könnte: „Das Prozessrisiko für die Kommunen ist deutlich erhöht.“ Zwar sei der Weg, den das Land vorschlägt, schon IT-technisch und zeitlich „schlicht und einfach nicht umsetzbar“, räumt Joachim Boller (Grüne) ein. Allerdings werde der geforderte landesweite Eingriff die Ungleichheiten nicht beseitigen, weil er regionale Unterscheide nicht berücksichtige.

„Eine landesweite Regelung schafft keine Gerechtigkeit. Es braucht individuelle Lösungen für jede einzelne Kommune.“

Jens Kamieth, CDU

Landtagsabgeordneter Jens Kamieth (CDU) steht zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Auch der von der SPD geforderte Eingriff bei den Messzahlen sei „schlichtweg nicht möglich“. Denn der führe, abgesehen von der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens, dazu, dass in NRW sechs Millionen Grundsteuerbescheide neu ausgestellt werden müssten. Denn in denen stehen die Messbeträge, die das Finanzamt festgesetzt hat, nachdem alle Immobilienbesitzer 2022 dazu besondere Steuererklärungen abgeben mussten. „Die Bescheide wären alle Makulatur.“ Kamieth weist auf regionale Unterscheide hin: In Siegen liegen die empfohlenen Steuersätze für Wohn- (684 Prozent) und Gewerbeimmobilien (1807 Prozent) viel weiter auseinander als in Neunkirchen (519 und 715 Prozent). Wenn stattdessen eine veränderte Messzahl angelegt würde, könnten neue unerwünschte Effekte entstehen: „Eine landesweite Regelung schafft keine Gerechtigkeit. Es braucht individuelle Lösungen für jede einzelne Kommune.“ Bei „rechtssicheren“ Begründungen werde das Land behilflich sein. „Das Land lässt die Kommunen nicht im Stich.“

Kreuztal

Auch der Kreuztaler Rat wurde am Donnerstag mit dem Thema befasst, direkt nach den Sommerferien soll entschieden werden, ob es bei einem einheitlichen Hebesatz (dann 1158 Prozent) bleibt oder ob differenziert wird (887 Prozent für Wohn-, 2002 Prozent für Gewerbegrundstücke). „Ich schließe aus, dass wir das zum 1. Januar hinbekommen“ , sagt Bürgermeister Walter Kiß. Abgesehen davon werde die Stadt sich mit jeder Variante Ärger einhandeln: „Ein Dilemma.“ Auch die Stadt Kreuztal richtet sich darauf ein, Bürgern erklären zu müssen, warum bei ihnen die Grundsteuererhöhung drastischer ausfällt als beim Nachbarn ein paar Straßen weiter – wohl ein unmögliches Unterfangen. „Hat sich jemand was dabei gedacht oder ist das ein Versehen?“, fragt Axel Römer (SPD).

„Hat sich jemand was dabei gedacht oder ist das ein Versehen?“

Axel Römer, SPD

Kämmerer Michael Kass bangt um 9,6 Millionen Euro und damit ein Zehntel aller Einnahmen der Stadt, wenn die Grundsteuer nicht mehr unumstritten und somit keine sichere Einnahme mehr ist. „Das wird wieder beim Bundesverfassungsgericht landen“, sagt Jürgen Roth (Grüne) voraus. Dieter Gebauer (Grüne) wagt es, Hoffnung zu äußern: Vielleicht siedelten sich ja bei niedriger Grundsteuer neue Gewerbebetriebe an …? „Das wage ich zu bezweifeln“, antwortet der Kämmerer. Für Unternehmen ist die Grundsteuer eine Betriebsausgabe. Die wird von der Steuer abgesetzt.

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