Siegerland. Eigentümer von Wohnungen und Häusern müssen sich im Einzelfall auf drastische Mehrbelastungen einstellen. Hier sind Beispiele

Wer will, kann jetzt rechnen: Das NRW-Finanzministerium hat die neuen Hebesätze für die Grundsteuer veröffentlicht, die eine Stadt 2025 festsetzen muss, damit sie genauso viel Grundsteuer einnimmt wie im Vorjahr. Für den einzelnen Steuerzahler kann sich trotzdem eine Menge ändern. Denn für die Ermittlung des Messbetrages, aus dem sich der Hebesatz errechnet, haben Haus- und Wohnungseigentümer im vorigen Jahr eine neue Steuererklärung abgegeben. Grundlage sind die aktuellen Bodenrichtwerte – die naturgemäß höher sind als die „Einheitswerte“ von 1964. Weil die aber keineswegs überall in gleichem Maße gestiegen sind, werden nun die einen Steuerzahler mehr, die anderen weniger belastet.

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Beispiele: Die Einen haben Glück, die Anderen Pech

Ein unverfängliches Beispiel aus einem Nachbarkreis: 731 Prozent beträgt dort der Hebesatz für die Grundsteuer; der Eigentümer der für das Beispiel ausgewählten Wohnung zahlt im Jahr 387,14 Euro, errechnet nach dem alten Messbetrag von 52,96 Euro, Das Finanzministerium empfiehlt der Kommune nun 648 Prozent. Der neue Grundsteuerwert (im Beispiel: 188,100) wird mit den gesetzlich vorgegebenen 0,31 Promille multipliziert, daraus ergibt sich der neue Messbetrag von 58,31 Euro (steht im Grundsteuerbescheid), der mit 648 Prozent vervielfältigt wird; 377,85 Euro stehen 2025 auf dem Steuerzettel. Oder, wenn die Kommune Gewerbe- und Wohngrundstücke unterschiedlich besteuert, sogar nur 305,54 Euro. Glück gehabt.

Ein anderes Beispiel aus einem ländlichen Siegener Stadtteil: Der Hauseigentümer zahlte 414,47 Euro, bevor der Rat im Juni die Grundsteuer rückwirkend zum Jahresbeginn von 585 auf 684 Prozent erhöht hat. Für die Stadt „aufkommensneutral“ wären nun 968 Prozent – macht für den ausgesuchten Steuerzahler 1001,40 Euro. Oder 707,60 Euro, wenn die Stadt mit gesplitteten Hebesätzen arbeitet. Das Finanzministerium hat für Siegen allerdings noch die von der Verwaltung vorgeschlagene Steuererhöhung um 110 Punkte angenommen, beschlossen hat der Rat 99 Punkte mehr. So oder so: Pech gehabt.

Siegener Kämmerer will Grundsteuer-Hebesätze splitten

In Siegen wird es auf 674 Prozent für Wohngrundstücke hinauslaufen, schätzt Kämmerer Wolfgang Cavelius. „Wir können nicht umhin, die gesplitteten Hebesätze anzuwenden“ – wenn das entsprechende Gesetz des Landes denn im Kraft tritt: also ein höherer Satz für die bisher begünstigten Gewerbegrundstücke, ein niedrigerer Satz für die bisher benachteiligten Wohngrundstücke. Ein Verfahren, das auch die Siegen-Wittgensteiner Bürgermeister geschlossen und vehement ablehnen: zu aufwändig, zu rechtsunsicher, immer noch ungerecht. Sie hätten sich gewünscht, dass das Land von vornherein an dem Messbetrag schraubt, dem anderen Faktor für die Steuerberechnung, siehe oben´. „Das wird jetzt EDV-technisch sehr schwierig“, fürchtet der Siegener Kämmerer. Mit der Folge, dass die Abgabenbescheide nächstes Jahr so spät kommen, dass die Steuerzahler rückwirkend draufzahlen müssen.

In Netphen verdoppelt sich der Grundsteuer-Hebesatz

Dass es regionale Unterschiede bei den Be- und Entlastungen gibt, wie der NRW-Finanzminister verbreiten ließ, hält Wolfgang Cavelius für „Unsinn“. Solche Ungleichgewichte ergäben sich schon innerhalb jeder Stadt. „Das Problem sind die Bodenrichtwerte.“ Die sind nämlich nichts anderes als eine Kaufpreissammlung innerhalb von Gutachtern festgelegter Bezirke. Wo viel verkauft wird, sind die Preise naturgemäß aktuell und eher hoch. Wo wenig bis gar nichts (mehr) verkauft wird, ändert sich auch am irgendwann in der Vergangenheit entstandenen Preisniveau nichts mehr.

„Jetzt entsteht eine Schieflage.“

Michael Kass, Stadtkämmerer Kreuztal

„Jetzt entsteht eine Schieflage“, bestätigt Kreuztals Kämmerer Michael Kass. 1158 Prozent würde der neue einheitliche Hebesatz in Kreuztal betragen, wenn die Stadt 2025 genauso viel Grundsteuer einnehmen will wie bisher. Die Stadt behauptet damit im kreisweiten Vergleich ihren Spitzenplatz, den sie in diesem Jahr mit 790 Prozent erreicht hat. Sollte der Rat sich zu einer Splittung entscheiden, kämen 887 Prozent für Wohn- und 2002 Prozent für Nicht-Wohngrundstücke heraus. Noch gewaltiger ist der Sprung in Netphen: von jetzt 500 auf 1019 Prozent (oder, gesplittet 835 und 1801 Prozent). Steuerzahler können sich die Folgen, wie beschrieben, selbst ausrechnen: Messbetrag vom Steuerbescheid mal Hebesatz geteilt durch 100.

Städte und Gemeinden sollen nicht mehr einnehmen

Das sind die neuen Einheits-Hebesätze für die anderen Siegerländer Kommunen: Burbach 611 Prozent (bisher 443), Freudenberg 843 Prozent (bisher 650), Hilchenbach 945 Prozent (bisher 640), Neunkirchen 853 Prozent (bisher 590), Wilnsdorf 991 Prozent (bisher 695). Steuerzahler können davon ausgehen, dass diese Hebesätze (oder die gesplitteten) tatsächlich so kommen. Echte Steuererhöhungen, um insgesamt mehr Einnahmen für die Stadt zu erzielen, soll es 2025 nicht geben. „Dazu haben alle Städte und Gemeinden sich verpflichtet“, sagt Wolfgang Cavelius. 26,2 Millionen Euro Grundsteuer also für Siegen, auch im nächsten Jahr. Die Mehrarbeit im Rathaus und der geballte Zorn der Bürger kommen oben drauf, „aufkommensneutral“.

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