Kreuztal/Siegen. Bürgerbusvereine in Siegen und Umland wollen flexibler werden. Gibt‘s künftig noch Fahrpläne? Kreuztal und Wilnsdorf machen einen Vorstoß.
Als 1998 in Kreuztal der Bürgerbus erstmals auf Fahrt ging, war das der erste Einsatz eines ehrenamtlich gesteuerten Nahverkehrsangebotes in Südwestfalen. Vorsitzender des Kreuztaler Bürgerbusvereins ist bis heute Achim Walder. Jetzt macht sich der Vorreiter von einst Sorgen: „Wir fordern die Kreispolitik auf, die Bürgerbusse nicht unter die Räder des neuen Nahverkehrsplans kommen zu lassen.“
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Denn das droht, wenn künftig, wie angekündigt, „On-Demand“-Angebote eine größere Rolle spielen, abseits der Hauptstrecken (Klein-)Busse nur nach Aufforderung eingesetzt werden. Die klassischen Bürgerbusse, die nach festgelegtem Fahrplan auf genau festgelegten Linien fahren, hätten dann das Nachsehen – die Profis im Auftrag der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) wären flexibler und schneller. „Ein On-Demand-System als Betriebskonzept muss auch für den Bürgerbus Kreuztal rechtlich ermöglicht werden“, fordert Achim Walder, „nur so können die Fahrerinnen und Fahrer weiterhin ihren guten Service für die Kreuztaler Bürger anbieten.“
Bis zur Haustür bringen und Taschen tragen
Die Mitglieder des Kreuztaler Bürgerbusvereins haben sich bereits verschiedene Konzepte von anderen Bürgerbusvereinen im Land NRW angeschaut. Anfang April besuchten sie Rhede im Münsterland, wo der Bürgerbus bereits ohne festen Linienweg nur auf Bestellung fährt und Fahrgäste direkt an der Haustür abholt. Es werden sogar, wenn zeitlich möglich, die Einkaufstaschen bis in die Wohnung gebracht, wie der dortige Vorsitzende Reinhard Spatzier erläuterte. Diese Flexibilität sei besonders wichtig für ältere Fahrgäste, die etwa 70 Prozent der Nutzer stellen. In Rhede habe sich gezeigt, dass diese Art des Service zu einer deutlichen Steigerung der Fahrgastzahlen führte. Auf der Rückfahrt von Rhede wurde auch der fahrerlose Linienbus in Monheim am Rhein in Augenschein genommen. Dieser Bus bietet Platz für sechs Fahrgäste, ist rollstuhlgerecht und fährt mit 15 km/h durch Monheim. Ein ähnlicher Busverkehr wurde bereits vor drei Jahren in Drolshagen und Lennestadt für mehrere Wochen getestet. „Vielleicht ist das die ferne Zukunft der Bürgerbusse“, überlegt Achim Walder.
Fester Fahrplan macht Strecken lang – viele Fahrgäste werden trotzdem nicht erreicht
Bürgerbusse bedienen viele kleine Seitenstraßen, die von regulären Linienbussen nicht angefahren werden können und nur geringe Fahrgastzahlen haben. Um zu einer erfolgreichen Verkehrswende zu gelangen, müssen die Mobilitätsbedürfnisse aller Bürger berücksichtigt werden, fordert Achim Walder. Der Kreuztaler Bürgerbus sei seit mehr als 26 Jahren mit nun mehr als 1,4 Millionen Kilometern und 230.000 Fahrgästen in den Wohnstraßen der Kindelsbergkommune unterwegs. 2023 wurde der Rufbusdienst eingeführt, sodass der Bus nur auf Bestellung fährt. „Diese Maßnahme musste ergriffen werden, um die Treibstoffkosten zu reduzieren und mehr Bürger in Kreuztal zu erreichen“, erinnert Achim Walder. Weiterhin sei der Bürgerbus aber immer noch an einen festen Linienweg und Fahrplan gebunden. „Ältere Fahrgäste mit Rollatoren oder schweren Einkaufstaschen müssen daher oft längere Wege zu Fuß zurücklegen, teilweise sogar auf unebenen Schotterwegen.“
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In Kreuztal sind rund 30 Prozent der Adressen in abgelegenen Wohngebieten, die mehr als 200 Meter von den Haltestellen der Hauptlinien entfernt liegen, für den Bürgerbus nicht erreichbar, rechnet Achim Walder vor - es sei denn, auch Stichstraßen und Sackgassen werden bedient und ebenfalls mit Haltestellenschildern bestückt. Weitere 150 müssten es dann sein, „insgesamt würde der Bürgerbus Kreuztal dann über 300 Bürgerbushaltestellen verfügen“. Für die neu erreichten Fahrgäste wäre das ein Vorteil, insgesamt aber würde „die Integration dieser Straßen in einen festen Fahrplan und Linienweg die Attraktivität des Bürgerbusverkehrs weiter verringern“. Eine erste Verbesserung wurde durch die Rufbusumstellung erreicht: Der Bus bricht zur fahrplanmäßigen Tour nur dann auf, wenn er auch bestellt wurde – wenn er aber dann fährt, muss er auch die ganze Linie abfahren. Je nach Einstiegsort kann so eine Tour, wenn Littfeld mit auf der Strecke ist, durchaus 50 Minuten dauern. Trotzdem: Statt täglich 250 Kilometer werden nun nur noch 60 bis 100 Kilometer verfahren, bis jetzt auf vier Linien alle drei Stunden.
Bürgerbusse wollen weiter eigene Fahrkarten verkaufen
Es geht um zwei Paragrafen im Personenbeförderungsgesetz. Der Paragraf 42 regelt den Linienverkehr mit festgelegten Linien. Danach fahren bisher alle Bürgerbusse, auch der Rufbus in Kreuztal. Der Paragraf 44 ermöglicht einen „Linienbedarfsverkehr“ ohne Fahrplan und ohne festen Linienweg – den allerdings zu den Tarifen, die für den Nahverkehr in der Region gelten. Bisher haben die Bürgerbusse eigene Fahrkarten; nur das Deutschlandticket müssen sie anerkennen.
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Der Bürgerbus Kreuztal hätte gern beides: die Unabhängigkeit von Fahrplan und Linien – und vom Verbundtarif. Denn da, so die Sorge von Achim Walder, würde der Verein draufzahlen. In Kreuztal jetzt sowieso schon beim Deutschlandticket, weil der Bürgerbus noch nicht Teil des Nahverkehrsplans ist: „Wir bekommen keine Ausgleichszahlung.“ Dafür hält sich die Zahl der Fahrgäste mit dem Deutschlandticket in Grenzen – anders als in anderen Orten, wo der Neunsitzer dann schon einmal schnell mit Schulkindern gefüllt ist und die zahlenden Stammgäste draußen bleiben. Den entsprechenden Antrag haben die Bürgerbusse Kreuztal und Wilnsdorf jetzt beim Zweckverband Personennahverkehr (ZWS) gestellt: On demand, ohne Linie und ohne Fahrplan, aber auch „Freistellung“ vom Verbundtarif. Den Bürgerbussen würden sonst Einnahmen verloren gehen, weil die Tickets woanders gekauft werden, argumentiert Achim Walder: „Und mit jedem Kunden über einen Zusatzbeitrag zu diskutieren, halten wir für eine schlechte Lösung.“
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Bürgerbusse und Verkehrsbetriebe müssen sich abstimmen
Die Entscheidung, wie Bürgerbusse und Verkehrsunternehmen zusammenwirken können, fällt beim Zweckverband Personennahverkehr (ZWS). Ziel sei es, die zehn Bürgerbusse in Siegen-Wittgenstein und Olpe „sinnvoll in den Nahverkehrsplan einzubinden“, sagt ZWS-Geschäftsführer Stefan Wied, „das ist nicht so einfach, denn jeder hat andere Vorstellungen.“ Bei Bürgerbussen, die - wie Kreuztal - „on demand“ fahren wollen, ist zu klären, wann sie kommen und wann der VWS-Bus kommt – und ob überhaupt: Dazu muss bestimmt werden, wie weit entfernt die nächste Linienbushaltestelle entfernt sein muss, dass der Fußweg dorthin als nicht mehr zumutbar gilt, und welche Wartezeit auf den nächsten fahrplanmäßigen Bus hinzunehmen ist.
„Unser vorrangiges Ziel ist es, unseren Fahrgästen einen verbesserten Mobilitätsservice anzubieten“, sagt Achim Walder. Dazu sei es „unerlässlich, die Mobilitätsbedürfnisse im Kontext der Verkehrswende an die Wünsche der Bürger anzupassen und weiterzuentwickeln“. Nur dass alles so bleibt wie es ist, das ist für Walder ausgeschlossen.
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