Meschede. Sie leben seit vielen Jahren in Meschede. Wir haben Syrer gefragt, was sie sich für ihr Heimatland nach dem Sturz Assads erhoffen.

Die Freude ist groß unter den Meschedern, die aus Syrien stammen. Niemand hatte den Sturz des Diktators Assad vorhergesehen. Gebannt verfolgen sie in diesen Tagen die Nachrichten, blicken voll Sorge auf die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen, sorgen sich um Nachbarn, Freunde und Verwandte und hoffen, ihre Eltern, noch einmal in die Arme schließen zu können.

Omar Turk lebt seit mehr als 25 Jahren in Meschede.
Omar Turk lebt seit mehr als 25 Jahren in Meschede. © Ute Tolksdorf | Ute Tolksdorf

„Niemand weiß, wo es hingeht“

Omar Turk kam schon vor mehr als 25 Jahren nach Meschede. Heute arbeitet er als Flüchtlingsberater für die Diakonie. „Ich hatte damals politische Probleme in meiner Heimat“, sagt er. Seine Eltern hat er seit 1998 nicht mehr gesehen. Der Mescheder hat die deutsche Staatsangehörigkeit. „Meine Kinder sind hier geboren. Sie haben die Großeltern noch nie getroffen“, erzählt er. In der Beratung säßen jetzt Leute, die sofort zurückwollten. „Wir bremsen sie ein wenig“, sagt er. Man müsse abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Das brauche Zeit. „Erstmal ist nur der Diktator weg. Aber niemand weiß, wo es hingeht.“

Hala Mazloum
Hala Mazloum hat in Meschede ihren Friseursalon eröffnet. 2015 floh sie aus Syrien.  © Funke Medien NRW | Ute Tolksdorf

„Schnell stabilen Zustand herbeiführen“

Hala Mazloum hat sich nach Lehre und Meisterschule als Friseurin selbständig gemacht. „2015 wollte ich meine drei Kinder vor den Bombardierungen retten.“ Mit dem Sturz Assads erlebt sie ein Wechselbad der Gefühle. Jahrelang sei ihre Heimatstadt Idlib vom Regime bombardiert worden, weil sie von Rebellen kontrolliert wurde. Jetzt fürchtet die Meschederin Racheakte gegen diejenigen, die das Assad-Regime unterstützt hatten. „Wenn das geschieht, wird erneut viel Blut fließen.“ Doch es gebe auch positive Signale: „Ahmad al-Shar’a, der Idlib regiert, hat ein Dekret erlassen, das Angriffe auf ehemalige Militärs verbietet. Er sagte, dass die Syrer vergeben und in Frieden zusammenleben sollten.“

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Aber: „Es gibt Menschen, die voller Hass sind, weil sie nicht vergeben können. Und es gibt Menschen, die ohne Erziehung oder Moral handeln.“ Wenn nicht schnell ein stabiler Zustand erreicht werde, fürchtet sie einen Bürgerkrieg. Am Ende siegt bei ihr die Hoffnung, „dass Syrien eines Tages wieder so schön wird, wie es einmal war – oder sogar noch schöner.“ Zurückkehren? Die Frage stelle sich nicht. „Deutschland ist jetzt meine Heimat.“

Majeda Ali und Ahmed Abdel-Rahman. Die beiden Syrer betreiben das Damaskino Restaurant. Das Paar hat drei Kinder. Deren Zukunft zählt jetzt vor allem.
Majeda Ali und Ahmed Abdel-Rahman. Die beiden Syrer betreiben das Damaskino Restaurant. Das Paar hat drei Kinder. Deren Zukunft zählt jetzt vor allem. © WP | Ute Tolksdorf

„Alle an der Regierung beteiligen“

Ahmed Abdel-Rahman kam 2015 nach Meschede. Mittlerweile hat er das Restaurant Damaskino eröffnet. Er macht sich Sorgen, dass die vielen Gruppen in Syrien, die zum Teil gegeneinander gekämpft haben, es nicht schaffen zu vergessen. „Wir müssen einen Schnitt machen. Und an einer zukünftigen Regierung sollten alle Parteien, egal ob Kurden, Christen, Araber, Alawiten, Sunniten und Schiiten, beteiligt werden.“ Er ist noch vorsichtig. „Man weiß nicht, was kommt und wer das dann einem wieder negativ auslegt.“ Doch eins sei klar: „Alles ist besser als Assad!“ Zurück will er aber erstmal nicht. „Ich vermisse meine Heimat, ja, aber jetzt sind die Kinder wichtig, meine älteste Tochter kommt hier nächstes Jahr in die Schule.“

Huda Adawan studiert in Darmstadt.
Huda Adawan studiert in Darmstadt. © WP

„Wir können zurückkehren“

Huda Adawan studiert Architektur in Darmstadt. Aber ihre Eltern leben noch in Meschede. Lange habe sie auf den Sturz des Regimes gewartet, sagt die 26-Jährige. Sorgen mache sie sich jetzt darüber, wie Russland, Amerika und Israel reagieren. Wenige Stunden nach dem Sturz des Assad-Regimes habe Israel mit der Bombardierung begonnen. Die junge Frau will auf jeden Fall nach Syrien zurückkehren. „Natürlich, will ich das. Wir sind vor dem Assad-Regime geflohen, und jetzt ist unsere Heimat frei und wir können zurückkehren und sie wieder aufbauen.“ Sie ist stolz auf den bisherigen Gang der Revolution. „Weder Christen noch Armeniern noch Syrern wurde Schaden zugefügt. Ich sehe eine Zukunft voller Freiheit und Frieden in Syrien.“

Abeer Salakh
Abeer Salakh (2.v.r.) mit ihrer Familie. Die 50-Jährige ist stolz auf das, was sie sich in Deutschland aufgebaut hat. © Funke Medien NRW | Privat

„Sorge vor dem IS“

Abeer Salakh verließ Syrien bereits vor zehn Jahren. Sie stammt aus Damaskus. Ihr Mann und drei ihrer vier Kinder folgten ihr zwei Jahre später. Jetzt beendet die 50-Jährige in einem Monat ihre Ausbildung zur PTA. Sie ist stolz auf das Erreichte, auf die schulische und berufliche Ausbildung ihrer Kinder, darauf, dass ihr Mann eine Festanstellung hat und beide bereits deutsche Staatsbürger sind.

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Als die ersten Bilder und Nachrichten über den Sturz Assads sie erreichten, „war das wie ein Traum!“ Fassungslos sah sie die Bilder aus dem Saidnaya-Gefängnis. „Da wurden Menschen inhaftiert und gefoltert, die nichts gemacht hatten.“ Und mit Sorge blickt sie auf den IS. „Es gibt noch ein kleines Gebiet, das von den Dschihadisten beherrscht wird.“ Bei aller Freude über Assads Sturz habe sie immer noch Angst, dass durch die Unruhen, der IS an die Macht kommen könnte. „Ich hoffe, dass Syrien ein demokratischer Staat wird, dass Männer und Frauen dort die gleichen Rechte haben wie in Deutschland.“ Zurück? Das will sie nicht. „Wir haben uns hier unser neues Leben aufgebaut. Die Kinder haben hier ihre Heimat. Aber ich will später, wenn Ruhe eingekehrt ist, mein Land und meinen 80-jährigen Vater in Damaskus besuchen können.“ Und das scheint jetzt zumindest möglich.

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