Meschede/Enkhausen. Landwirte im HSK: Brigitte Wullenweber spricht über die Bauern-Proteste, informiert Verbraucher und verrät, worüber sie sich ärgert.

Brigitte Wullenweber ist seit Oktober 2023 Kreislandwirtin im HSK und damit Nachfolgerin von Stefan Belke aus Winkhausen. Sie vertritt die Landwirte und ist Ansprechpartnerin für Behörden und Medien. Die 49-Jährige studierte Landwirtschaft in Soest und bewirtschaftet den Familienbetrieb in Enkhausen gemeinsam mit ihrem Mann Thomas. Sie ist leidenschaftliche Milchbäuerin und überzeugt vom Ehrenamt. Und: Sie ist die erste Frau in dieser Funktion.

Nehmen wir mal gleich die Kritik vorweg: Was werden Ihre Kollegen über unser Interview sagen?

(lacht) Es wird sicher welche geben, die finden, dass ich die Situation zu positiv darstelle. Aber für mich ist das Glas eben eher halb voll als halb leer. Und durch die Arbeit auf dem Ferienhof und den Kontakt zu unseren Gästen weiß ich, dass auch in anderen Berufen nicht alles Gold ist.

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Besuch bei der Kreislandwirtin Brigitte Wullenweber in Enkhausen. Sie ist die erste Frau in dieser Position. © Funke Medien NRW | Ute Tolksdorf

Hat die Kritik auch etwas damit zu tun, dass Sie eine Frau sind?

Bei den Älteren mag das sein. Bei den Jüngeren spielt das überhaupt keine Rolle. Warum sollte eine Frau mit der gleichen Qualifikation wie ein Mann nicht jede Funktion genauso gut ausfüllen können?

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Wie hat sich die Rolle der Landwirtin verändert?

(lacht) Die Landwirtin mit Kopftuch und Mistgabel? Die war doch auch früher schon ein Klischee! Aber heute ist die Spannweite tatsächlich extrem breit: Sie reicht von der Betriebsleiterin, die den Hof allein organisieren über die Frau, die vor allem das Büro schmeißt und anpackt, wo es nötig ist, bis zur Ehefrau, die Vollzeit als Lehrerin oder bei der Stadt arbeitet. Es gibt alles. Für mich ist es ein Gewinn, dass mein Mann und ich Hand in Hand arbeiten. Man versteht die Sorgen und Nöte des anderen dann einfach besser.

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Im Laufstall entscheiden die Kühe, wann sie wo liegen, wann sie fressen und wann sie sich melken lassen. © Funke Medien NRW | Ute Tolksdorf

Wie sehen die typischen Sauerländer Höfe ansonsten aus?

Ein typischer Hof im Haupterwerb hat Milchvieh, im Nebenerwerb werden auch Mutterkühe gehalten. Was für viele Höfe gilt: Sie haben ein zweites Standbein. Vor Kyrill und dem Borkenkäfer war das oft die Forstwirtschaft, jetzt ist es eher die Erzeugung von erneuerbarer Energie, die Direktvermarktung oder - wie bei uns - Ferienwohnungen. Aber auch hier müssen Höfe schließen, werden zusammengelegt und dadurch größer. Es gibt lange nicht mehr in jedem Dorf einen Landwirt. Auch die Sauerländer wissen daher immer weniger über die Landwirtschaft. Ich halte es für unheimlich wichtig, da zu informieren.

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Der Hof Wullenweber in Enkhausen. © Funke Medien NRW | Ute Tolksdorf

„Die Proteste waren wichtig. Sie haben uns zusammenrücken lassen. Viele Landwirte sind aber im Rückblick enttäuscht, weil sie sich mehr versprochen hatten. “

Brigitte Wullenweber
Kreislandwirtin aus Enkhausen

Sie haben zwei 19-jährige Söhne. Sehen die ihre Zukunft noch in der Landwirtschaft?

Ja, definitiv! Der eine ist Straßen- und Tiefbauer und wohnt noch zu Hause. Der andere macht nach dem Abi jetzt eine landwirtschaftliche Ausbildung. Die Arbeit als selbständiger Landwirt hat trotz aller Kritikpunkte ja auch viele Vorteile: Man lebt mit den Jahreszeiten, man arbeitet eigenverantwortlich, kein Tag ist wie der andere, die Aufgaben sind vielfältig. Auch als Eltern muss man sich nicht zwischen Kindern und Karriere entscheiden. Wir haben unsere Jungs aufwachsen sehen. Ich denke, mancher Landwirt würde diese Freiheit mehr wertschätzen, wenn er mal abhängig beschäftigt gewesen wäre. Auch wenn man eben nicht einfach in den Urlaub fahren kann und selbst manche Feier absagen muss, weil der Hof vorgeht.

Die Bauernproteste haben hohe Wellen geschlagen. Was ist davon geblieben?

Die Proteste waren wichtig. Sie haben uns zusammenrücken lassen. Viele Landwirte sind aber im Rückblick enttäuscht, weil sie sich mehr versprochen hatten. Denn der Frust war ja schon vorher da. Die Streichung der Agrardieselrückvergütung war da nur noch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Geblieben sind uns die grünen Nummernschilder und dass die steuerlichen Subventionen für Agrardiesel nicht sofort, sondern in drei Schritten zurückgenommen werden.

Sie ärgert aber etwas ganz anderes?

Die politischen Entscheidungen sind allesamt einfach nicht langfristig genug. Wir Landwirte denken in Jahrzehnten, nicht in Wahlperioden, wir brauchen Zuverlässigkeit. Wenn ich auf dem Hof eine Investition tätige, dann darf sich die Grundlage dafür nicht in fünf Jahren wieder ändern. Wir müssen sicher sein, dass wir davon weiter unser Einkommen erwirtschaften können.

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Es wird zu viel über Sie geredet, statt mit Ihnen?

Ja, und dann erklärt uns auch gern jeder, wie wir unseren Job machen sollen. Das ist auch anstrengend. Ich hatte jetzt ein paar junge Erwachsene hier. Sie meinten, wir sollten doch einfach Hafer anpflanzen und Hafermilch produzieren. Aber unser Grünland ist nicht ackerfähig. Wir produzieren daraus mit dem Umweg über die Kuh ein super wertvolles Lebensmittel, auch für den Export. Es ist doch überhaupt nicht sinnvoll, Flächen in Südeuropa oder Afrika zu bewässern, um dann da Kühe zu halten. Hier sind sie genau richtig.

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