Meschede. In diesem verlassenen Haus in Meschede tanzen nur noch die Mäuse. Die Diskothek ist schon ewig geschlossen. Ein virtueller Rundgang.

Hinter der Theke stehen zwei Gläser mit einer zähen Flüssigkeit. Zwei Schlucke einer undefinierbaren Flüssigkeit. Vielleicht einmal Bier. Und Scherben, jede Menge Scherben. Die Party ist vorbei. Viele Jahre vorbei. Im früheren „Village“ tanzen nur noch die Mäuse auf den Tischen. Es folgt ein Rundgang durch das verlassene Haus am Kreishaus in Meschede, noch bevor es komplett entrümpelt wurde.

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Mit Efeu zugewuchert

Das mit Efeu zugewucherte Haus steht seit Jahren leer und hat in einer Zwangsversteigerung den Besitzer gewechselt. Dominik Kramer erhielt mit der Sauerland Skyline UG den finalen Zuschlag. Mit einem Baustrahler in der Hand fragt er: „Bereit für eine Tour durch das Traumhaus?“ Sein Grinsen lässt vermuten, dass vor dem Wort „Traum“ noch ein „Alb“ stehen müsste. Los geht es im Erdgeschoss. Hier haben Kramers schon aufgeräumt. Es handelt sich um den Raum, mit den großen Schaufenstern zum Elisabeth-Heim. Ganz früher war dort mal ein Küchenstudio, später auch eine islamische Koranschule. Von dort gelangt man dann über einen schmalen Flur in die frühere Diskothek „Village“, die zuletzt als Erotik-Bar genutzt wurde.

Quetschkommode und Jesus

Drei Schifferklaviere, eine Gitarre und  ein Heiligenbild stehen auf der Tanzfläche.
Drei Schifferklaviere, eine Gitarre und ein Heiligenbild stehen auf der Tanzfläche. © WP | Ilka Trudewind

Die Diskothek erstreckt sich auf zwei Etagen, die Wände im Erdgeschoss sind dunkelrot gestrichen. Ohne Strahler wäre es stockfinster. Links ist eine verstaubte Theke zu erkennen. Auf der Tanzfläche steht ein ungewöhnliches Konglomerat, bestehend aus drei Schifferklavieren, einer Gitarre und einem Jesus-Bild. Wie die Instrumente den Weg in das Gebäude gefunden haben? Niemand weiß es. Bekannt ist nur, dass die Quetschkommoden später für den guten Zweck verkauft werden. Wie auch viele andere Dinge aus dem Haus.

Bar Rosa und Damen auf Hockern

Über einen kleinen Flur, wo einst Damen auf Hockern ihre Freier begrüßten, geht es in den Bierkeller mit fünf Leitungen fürs Fassbier. An der Wand steht mit blauem Edding und vielen Ausrufezeichen: „Finger weg! Vom Thermostat! Unter 6 Grad Celsius läuft nichts mehr!“ Da muss mal jemand am Thermostat gedreht haben und dann lief nichts mehr.

Ein Kopf auf dem Boden

In einem Raum liegt ein Kopf aus Styropor auf dem Boden.
In einem Raum liegt ein Kopf aus Styropor auf dem Boden. © WP | Ilka Trudewind

Auf dem Weg zum früheren Eingang des Villages erwischt uns ein Schockmoment: Auf dem Boden liegt ein Kopf. Glücklicherweise nur aus Styropor.

Spiegelstücke im Putz

Über die Treppe geht es zur Disco nach oben.
Über die Treppe geht es zur Disco nach oben. © Meschede | Ilka Trudewind

Wo früher Kasse und Garderobe waren, geht es nun links eine geschwungene Treppe zur Disco nach oben. Durch ein rundes Loch in der Wand fällt der Blick auf zwei schwere Mühlsteine. So wollten die Betreiber architektonisch an den Ursprung des Gebäudes als Mühle erinnern. In die rostbraune Wand sind Spiegelstücke eingelassen. Gut vorstellbar, wie die Discobesucher dort einen letzten Blick auf Lidstrich und Frisur warfen.

Treppe und Käfig

Ein Käfig auf der Tanzfläche.
Ein Käfig auf der Tanzfläche. © WP | Ilka Trudewind

Oben dann ein unheimliches Bild: Die große, verlassene Tanzfläche auf grauem Boden und ein Käfig am Ende des Raumes. Die Konstruktion wurde über die Treppe zum Untergeschoss (das mit den Schifferklavieren) montiert. Niemand, der bei Verstand ist, würde sich freiwillig daraufstellen.

Flauschiger Schimmel

Blick auf die frühere Theke der Diskothek im Obergeschoss. Diese wurde mittlerweile ausgebaut.
Blick auf die frühere Theke der Diskothek im Obergeschoss. Diese wurde mittlerweile ausgebaut. © WP | Ilka Trudewind

Hinter der Theke stehen die bereits erwähnten Veltins-Gläser inklusive flauschiger Schimmelschicht, eine Flasche Batida de Coco, eine Pulle Baileys. Das weiße Regal hinterm Tresen sieht aus wie ein großes M, die silberfarbene Theke könnte mit viel Fantasie eine 8 darstellen. Vielleicht eine Idee der früheren Betreiber? Die Disco hieß nämlich auch einmal M8, eine Anspielung auf die Adresse Mühlengasse 8. Das Lokal hatte viele Namen, offensichtlich auch einmal „Discothek Siesta“, denn auf dem Tresen klebt noch die Preisliste fürs Personal: Veltins 0,3 Liter für 2 Euro, Jim Beam Cola 3 Euro, Kirschsaft Zweifuffzig. Auf dem Boden pappt ein Dollhaus-Plakat. Die Party in Winterberg steigt am 21. Juni 2008 - nicht verpassen!

Bis unters Dach

Das Efeu sucht sich seinen Weg durch die undichten Fenster.
Das Efeu sucht sich seinen Weg durch die undichten Fenster. © Meschede | Ilka Trudewind

Das war die Disco. Doch das Haus hat noch drei weitere Etagen zu bieten - bis unters Dach lebten Menschen. Der Zustand der Wohnungen? Von wenig Renovierungsbedarf bis hin zur kompletten Bruchbude - teilweise sieht man den Himmel durchs Gebälk. Positiv: Der Durchzug sorgt wohl dafür, dass es lediglich staubig, aber nicht modrig riecht. Über ein breites Treppenhaus gelangt man nach oben. Erst hier sieht man, dass unter dem dichten Efeu, das von außen zu sehen ist, tatsächlich Fenster liegen. Die Kletterpflanze hat in den vergangenen Jahrzehnten den Weg durch Ritzen und Fugen gefunden und wuchert nun ins Haus. Dazu die verlassenen Möbel und Chaos, Chaos, Chaos.

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Gerichtsakten

So hängt in einem kleinen Badezimmer noch Wäsche zum Trocknen, vom Dachboden baumelt Dämmwolle herab. Von unfriedlichen Kapiteln zeugen Gerichtsakten auf dem Boden und eine Botschaft überm Kamin. „Auf jede fleißige Generation folgt eine Generation Taugenichtse“.

Trödler und Getier

Blick in eine ehemalige Küche.
Blick in eine ehemalige Küche. © Meschede | Ilka Trudewind

In einer früheren Küche zwischen Schutt, Scherben und Herd, liegen Messbecher, Korn- und Olivenölflaschen, ein orangefarbener Pulli und eine Diskokugel auf einem hübschen Eichentisch. Ein Paradies für Trödler. Und Getier? Im Obergeschoss liegt Mäusekot zwischen Sahnemeerrettich, Spitzendeckchen und einer BILD-Zeitung vom 29. Oktober 2007. „Merkel verhindert das Tempolimit.“

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Traumhaus und knietiefes Wasser

„Beim ersten Rundgang hatte ich auch damit gerechnet, Tieren zu begegnen. Das war zum Glück nicht der Fall“, erzählt Dominik Kramer. Nach der Versteigerung war er direkt Eigentümer des Hauses, erhielt sofort die Schlüssel. Mittlerweile hat er alles gesehen. Außer den Keller. Er soll knietief unter Wasser stehen. Traumhaus eben.

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