Meschede. Kaufen Auswärtige ein berüchtigtes Haus in Meschede? Nach der Zwangsversteigerung steht jetzt der neue Eigentümer fest - und was er plant.
Von seiner Lage am Rande der Mescheder Innenstadt her ist dieses Gebäude an der Henne ein Rohdiamant. Von seiner Substanz her ist es dagegen eher eine Schrottimmobilie. Um ein leerstehendes Haus an der Mühlengasse ist ein Bieterkrimi im Mescheder Amtsgericht entbrannt.
Neuer Eigentümer: Wer steckt hinter der „Sauerland Skyline UG“?
Würde das Haus an auswärtige Käufer gehen? Oder würde ein Mescheder der neue Eigentümer? Die Antwort: Es bleibt in Mescheder Hand. Denn am Ende freut sich Dominik Kramer, er ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der eigens für dieses Projekt gegründeten „Sauerland Skyline Unternehmergesellschaft“ – er ist mit seinem Vater Thomas vor Ort. Familie Kramer gehören nebenan ohnehin das moderne Elektrogeschäft und ihr altes Ladenlokal samt Lager und Werkstatt: Das ersteigerte Haus liegt quasi zwischen ihren beiden jetzigen Gebäuden. Nüchtern betrachtet ist es ein nahe liegender Kauf: Der Besitz wird abgerundet.
Aber dass Kramers den Zuschlag bekommen würden, ist anfangs völlig offen. Denn der kleine Verhandlungsraum bei der Zwangsversteigerung ist proppenvoll besetzt. Darunter: Neun Bieter, die das Haus ersteigern wollen. Am Ende werden 75 (!) Gebote insgesamt abgegeben. Die Bieter sind eine bunte Mischung – unter ihnen auch die üblichen Schnäppchenjäger, die deutschlandweit versuchen, in der Provinz bei Zwangsversteigerungen günstig Immobilien aufzukaufen.
Sanierungskosten: Eine Million Euro
Die Zwangsversteigerung in Meschede wird von einem alleinigen Gläubiger aus Bayern betrieben. Er verfolgt auch vor Ort die Bieterschlacht – und er kann das Zünglein an der Waage sein: Denn bei dieser Zwangsversteigerung hätte er am Ende auch, ohne Angaben von Gründen, seine Zustimmung zu einem Zuschlag verweigern können. Dann wäre alles ergebnislos gewesen, es hätte eine neue Versteigerung geben können – in der Erwartung eines dann vielleicht höheren Erlöses. Rechtspflegerin Gabriele Odenthal weist mehrmals auf diese Möglichkeit hin: Beim Bieten solle jeder daran denken. Sie legt anfangs eine halbe Stunde als mögliche Zeit für Gebote fest – die sollte am Ende lange nicht ausreichen.
Die Fakten: Vier Flurstücke mit einer Grundstücksgröße von 1280 Quadratmeter sind zu haben, davon 850 an Wohn- und Nutzfläche. Es gibt keinen Denkmalschutz, auch wenn der Ursprung irgendwann im 17. Jahrhundert liegt. 1951 ist das Haus nach dem Krieg wiederaufgebaut worden, es folgten Um- und Anbauten in den 70er und 80er Jahren.
Mescheder kennen es: In einem Anbau war einmal eine Disco, Ältere kennen sie noch als „Village“ oder „New Orleans“ – die Namen wechselten häufig. Inzwischen steht alles seit Jahren leer, es ist heruntergekommen, Strom, Wasser, Gas sind abgestellt. Der Gutachter legt nahe: Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten würde sich auch ein Abriss mit neuer Nachnutzung empfehlen. Die Sanierungskosten ansonsten: Eine Million Euro!
Selbst Aufkäufer aus Wien bietet mit
Die Regeln: Der Verkehrswert wird auf 40.801 Euro festgelegt. Jeder Bieter hat sich auszuweisen, laut und deutlich sein Gebot zu nennen, er muss Sicherheiten vorweisen – als Bürgschaft, als Vorausüberweisung oder als Verrechnungsscheck.
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Die Bieter: 6000 Euro sind das erste Gebot von Dominik Kramer. Es kontert schnell Valentin Polinger, Elektrotechnikermeister und Unternehmer aus Calle, mit 20.000 Euro. Danach kommen die Fremden: 45.000 Euro bietet ein Mann aus Herzogenrath, 46.000 Euro einer aus Duisburg, es steigt ein Ehepaar aus Werl ein. Überraschend dann: Selbst ein Aufkäufer aus Wien bietet jetzt mit. Häufig sind bei Zwangsversteigerung Menschen mit ausländischen Wurzeln dabei: So kann versucht werden, Eigentum günstig zu erwerben.
Dann bieten auch zwei Mescheder noch mit, ein Unternehmer ist darunter. Es geht auf die 90.000 Euro zu, der erste Interessent geht jetzt. Valentin Polinger bietet 99.000 Euro: „Das hört sich gut an.“ Dominik Kramer kontert mit 100.000 Euro: „Das hört sich besser an“ – kurzes, beifälliges, allgemeines Lachen. Worauf der Wiener trocken auf 101.000 Euro erhöht. Weitere Auswärtige gehen, auch der Wiener beim Stand von 105.000 Euro. Das ist der Augenblick, wo ein Ehepaar aus Anröchte mit 110.000 Euro erst ins Bieterrennen einsteigt.
Steigerung um 1000 Euro jeweils
Jetzt sind die Verhältnisse klarer. Es bieten nur noch Dominik Kramer, Valentin Polinger und das Ehepaar mit. Jetzt steigen die Beträge auch nur noch in 1000-Euro-Schritten an – aber das stetig. Rechtspflegerin Odenthal unternimmt zwischendurch Anläufe, um ein Endgebot aufzurufen, aber es wird weitergeboten. Tausend-Euro-haft. 152.000 Euro werden für die Anröchter ihr letztes Angebot. Jetzt machen nur Kramer und Pollinger weiter.
Bei 175.000 Euro geht Dominik Kramer nun in 500-Euro-Schritten nach oben weiter, Pollinger geht noch einmal auf 180.000 Euro – sagt dann aber launig: „Ich bin fertig!“ Beim Angebot von 181.000 Euro von Dominik Kramer schlägt Gabriele Odenthal endgültig den Hammer. Aber dann die mögliche Hürde: Akzeptiert der Gläubiger auch die Summe? Ja, der Zuschlag kann sofort erteilt werden, sagt er! Familie Kramer ist die neue Eigentümerin.
Kramer: Entwicklung von Baukosten und Zinsen abwarten
Valentin Polinger verrät nachher, er hätte das Gebäude saniert, dann vermietet, unten mit kleineren Läden drin. Und Kramers? Die freuen sich über den Zuschlag. „Wir haben keinen Zeitdruck“, dämpft Dominik Kramer Erwartungen – da müsse man auch die Entwicklungen von Baukosten und Zinsen abwarten. Er denkt eher an einen Abriss: Dann könnte hier vielleicht stattdessen ein modernes Geschäftshaus mit Praxen und Wohnungen entstehen. Vorübergehend könnten Kramers das Gebäude vielleicht auch noch etwa als Lager nutzen. Ganz sicher ist: Es wird keinen neuen Versuch einer Disco geben – Sohn und Vater Kramer lachen.