Meschede. Bei der nächsten Zwangsversteigerung am Amtsgericht kommt ein berüchtigtes Haus aus Meschede unter den Hammer. So hoch ist das Startgebot.
Im Amtsgericht in Meschede werden regelmäßig Gebäude und Grundstücke versteigert. Am Dienstag (26. September) ist ein Haus darunter über das Mescheder sagen: „Heb’ einen Stein hoch und Du findest unter jedem eine Geschichte.“
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Es handelt sich um das Haus in der Mühlengasse 8. Das schon von außen betrachtet ein gewaltiger Brocken ist: Die Scheiben an der Seite zum Kreishaus hin sind zertrümmert, über den Balkon kann man direkt in eine Wohnung mit wehender Gardine blicken, ein roter Kleiderständer ist zu sehen. Die Seite zur Mühlengasse ist dicht mit Efeu bewachsen. Darunter verbirgt sich eine eigentlich hübsche Fassade mit roten Ziegelsteinen. Frei geschnitten ist die kupferfarbene Eingangstür. Und vor Kopf in Richtung Innenstadt sind große, mittlerweile blinde Schaufenster eingelassen, oben im Giebel ist noch ein kleines Rad zu erkennen, über das wohl vor langer Zeit Waren ins Obergeschoss gezogen wurden.
Bewegte Geschichte
Aber auch die bewegte Geschichte ist ein wahrer Brocken. Fangen wir vorn an. Über Jahrhunderte wurde an diesem Standort am Hennefluss eine Mühle betrieben. Rechts und links von der beschriebenen Tür lehnen heute noch zwei Mühlsteine. Es handelt sich hierbei um graue Zeitzeugen der einstigen Hennemühle. „Die Mühle wurde zum ersten Mal 1368 erwähnt und gehörte bis 1803 zum kurkölnischen Fürstentum“, ordnet Robert Schultze vom Stadtarchiv ein.
Als die Mühle noch in Betrieb war, floss der eigens angelegte Obergraben zwischen dem Haus Elektro Kramer (Schwake) und der Hausnummer 8 und mündete hinter der Hennebrücke neben der damaligen Quarantäne-Station der Ernestinischen Krankenanstalt (bis 1936, heute Altenheim) in die Henne. Im Rahmen der Säkularisation ging die Mühle zunächst in hessischen und später dann in privaten Besitz über.
Erst führte sie ein gewisser Ortmann und 1896 ein Herr Schwake der auch das jetzige Haus („Elektro Kramer“) als Wohnhaus erbaute. Der letzte Müller war Franz Hirth, der in Meschede „Möppi“ genannt wurde. Das Mahlwerk gehörte mit der großen Ruhrmühle und der Mühle in Laer zu den wichtigsten Mehllieferanten in Meschede. Bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts belieferte die Mühle die heimischen Bäcker mit Mehl.
Disko und Bordell
Danach begann ein neues Kapitel: Das Disco-Kapitel mit vielen unterschiedlichen Namen: Die Tanzlokale hießen Village, Sektor, New Orleans, M8, Python, später auch kurz Papillon. Die Nächte dort im so genannten Schwarzen Viertel waren mal heftiger, mal gesitteter. Was man auch daran festmachen konnte, wie es nach Sonnenaufgang rund um das Lokal ausgesehen hatte.
Auch diverse Einsätze der Polizei gab es. 1980 lösten Polizei, Ordnungsamt und Kreisjugendamt beispielsweise eine Karnevalsparty im New Orleans auf, die außer Kontrolle geraten war: 40 Kinder im Alter zwischen zehn und 14 Jahren wurden aus dem Lokal geholt.
Mit Gaspistole geschossen
Im Herbst 2002 eröffnete nach langem Leerstand dann die letzte Disko an der Stelle: Das Papillon – mit einem Schmetterling als Logo. Flatterhaft war auch dieses Kapitel: Schon wenige Tage später rückten Polizei und Rettungswagen an. Der Mann der damaligen Pächterin hatte eine Gaspistole in der Nähe eines Gastes abgefeuert. Der Mann erlitt Verletzungen an den Augen. Es hatte zuvor Streit über eine offene Rechnung gegeben.
Auch ein Spielcasino und ein Bordell wurden in der Mühlengasse betrieben. Der Name des letzten Etablissements lautete Bar Rosa. Aber auch diese hielt sich nicht lang. Geschichte ist auch die Islamische Koranschule, die im Erdgeschoss aktiv war.
Abriss sinnvoll
Aktuell steht das Haus komplett leer und ist (von Menschen) unbewohnt. Das Grundstück ist 1280 Quadratmeter groß und die Wohnfläche beträgt 850 Quadratmeter. Es hat laut Gutachten einen Verkehrswert von 40.801 Euro. Der Sanierungsstau beläuft sich auf eine Millionen Euro. Der Gutachter schlägt aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen Abriss und eine „Verwertung oder Neuprojektierung“ des Grundstücks vor.
Für wen das Grundstück interessant sein könnte ist fraglich, denn auch die anliegende Firma Kramer hat nach eigenen Angaben Wegerechte, die eingehalten werden müssten. Die Versteigerung findet am Dienstag um 9 Uhr im Amtsgericht statt.