Menden. Die 51-Jährige ist froh, dass sie im De-Cent-Laden preiswert Lebensmittel kaufen kann. Nun ist Versorgung in bisheriger Form in Gefahr.

Wenn es den De-Cent-Laden nicht gäbe, wäre Emma (Name von der Redaktion geändert) schon so manches Mal verzweifelt. Seit vielen Jahren ist sie Kundin des Sozialmarktes an der Fröndenberger Straße in Menden.

Bei Emma wurde im vergangenen Jahr Brustkrebs diagnostiziert

Heidelbeeren und Himbeeren – die isst Emma so gerne. „Und sie sollen gut für meine Gesundheit sein“, sagt sie. Denn im vergangenen Jahr wurde bei der 51-Jährigen Brustkrebs diagnostiziert. Aber im Supermarkt kauft sie dieses Obst nicht. „Das ist mir viel zu teuer.“ Umso mehr freut sie sich, wenn es die begehrten Früchte mal im Sozialkaufhaus des SKFM (Katholischer Verein für soziale Dienste) gibt.

Menden
Ohne zusätzliche (Geld-)Spenden wird es knapp in der Lebensmittelausgabe des De-Cent-Ladens an der Fröndenberger Straße in Menden. Im Bild SKFM-Geschäftsführerin Marita Hill (links) und Silvia Kaiser-Hacheney (SKFM-Vorstand). © WP Menden | Corinna Schutzeichel

Emma hat viel Pech gehabt in ihrem Leben. Sie heiratete mit 17 Jahren – gegen den Willen ihrer Eltern. Die ersten drei Ehejahre „waren o.k.“. Danach „wurde er sehr gewalttätig mir gegenüber“. Die beiden gemeinsamen Kinder – eine Tochter und einen Sohn – habe er nie angerührt, Emma indes war den Schlägen hilflos ausgeliefert. Während ihrer Ehe arbeitete Emma als Kommissioniererin und in einer Wäscherei. Als sie sich von ihrem gewalttätigen Ehemann trennte, musste sie ihre Arbeit aufgeben, um sich um ihre beiden Kinder zu kümmern: „Die beiden hat das Ganze damals psychisch sehr belastet.“ Emmas Eltern halfen finanziell aus, kauften ihr und den Kindern zum Beispiel Jacken und Schuhe.

Auch interessant

„Ich bin die einzige von meinen Geschwistern, bei der das Leben ein bisschen entgleist ist.“

Emma (51)

Zwei Jahre später verstarb ihre Mutter. Emma übernahm die Pflege ihrer Vermieterin bis zu deren Tod. Im Gegenzug bekam die Mendenerin ab und zu Anziehsachen geschenkt. Als ihr Vater zum Pflegefall – Pflegegrad 5 – wurde, kümmerte sich Emma wie selbstverständlich um ihn. Ihre Geschwister unterstützten sie in der Zeit finanziell, indem sie für die Kinder oder für Emma Dinge kauften: „Ich bin die einzige von meinen Geschwistern, bei der das Leben ein bisschen entgleist ist.“

„Das war zu schön, um wahr zu sein.“

Emma, nachdem sie eine Arbeitsstelle gefunden hatte

Als ihr Vater dann im Sommer vergangenen Jahres „in meinen Armen“ starb, „wollte ich beruflich durchstarten“, erzählt Emma. Da sie viele Jahre Menschen privat gepflegt hatte, bewarb sich Emma bei einem Pflegeheim in Menden – und wurde eingestellt: „Das war zu schön, um wahr zu sein“, erinnert sie sich.

Ehrenamtliche Helfer bei einer Tafel - ohne sie würde auch der De-Cent-Laden in Menden nicht funktionieren (Symbolbild).
Ehrenamtliche Helfer bei einer Tafel - ohne sie würde auch der De-Cent-Laden in Menden nicht funktionieren (Symbolbild). © picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Wenige Monate später, im Oktober des vergangenen Jahres, bekam Emma dann die Diagnose Brustkrebs – „wieder ein Schlag“, sagt Emma. Erst habe sie „die Diagnose auf die leichte Schulter genommen, ich wollte doch Gas geben – wie immer in meinem Leben“. Es folgten Chemotherapie, Antikörper-Therapie, Operation, Bestrahlung, Reha. „Im Moment bin ich laut meinen Ärzten noch arbeitsunfähig“, erzählt Emma. Die Nebenwirkungen der Therapien halten an. Oft fühlt sie sich schlapp, kraftlos, ermüdet schnell.

„Sorgen ums Geld hat man als Alleinerziehende doch immer.“

Emma
Mutter zweier Kinder

Finanzielle Sorgen begleiten Emma, seit sie sich von ihrem Mann trennte: „Sorgen ums Geld hat man als Alleinerziehende doch immer“, sagt sie.

Emma ist mehr als dankbar, dass sie zumindest alle zwei Wochen für kleines Geld Lebensmittel im Sozialmarkt kaufen kann. Aussortierte Gegenstände spendet sie selbst immer ans Sozialkaufhaus: „Und umgekehrt freue ich mich dann, wenn ich beispielsweise einen Backofen, einen Staubsauger oder einen Toaster hier preiswert kaufen kann, wenn bei mir was kaputt gegangen ist.“

Auch interessant

Darüber hinaus arbeitet die Mendenerin seit vielen Jahren hier ehrenamtlich, unterstützt beispielsweise beim Sortieren von Spenden. Warum sie das macht? „Ich kann dadurch am Leben teilnehmen“, sagt Emma. Sogar während ihrer Chemo half sie hier mit: „Ich habe dann nichts Schweres geschleppt.“ Stattdessen unterstützt sie bei körperlich leichteren Arbeiten. „Wenn ich hier helfe, dann peppt mich das auf. Ich sehe, dass es auch andere wie mich gibt. Und egal wie bedürftig ich selbst bin: Ich kann anderen helfen.“

Auch interessant

Ohne die Lebensmittel aus dem De-Cent-Laden wäre Emmas Kühlschrank oft leer – wie bei vielen anderen Mendenerinnen und Mendenern auch. Seit längerer Zeit können Bedürftige hier nur noch alle zwei Wochen einkaufen. Kämen sie öfter, würden die Lebensmittel nicht reichen. Doch auch die Umstellung auf den 14-tägigen Rhythmus ist nun akut bedroht, wie Marita Hill, Geschäftsführerin des SKFM, erklärt. Das liege am ständig wachsenden Kundenstrom.

SKFM gibt erstmals mehr als tausend Einkaufsausweise aus

Früher kamen an den damals drei Öffnungstagen pro Woche jeweils 25 bis 30 Kunden. An den heute fünf Öffnungstagen sind es jeweils 40. Und die dürfen eben nicht mehr wöchentlich, sondern nur noch alle zwei Wochen einkaufen. „Wir haben erstmals mehr als tausend Einkaufsausweise ausgegeben“, verdeutlicht Marita Hill die Situation.

Menge der Lebensmittel sinkt seit Jahren

Während die Zahl der Bedürftigen wächst, sinkt die Menge der Lebensmittel seit Jahren. Die Supermärkte kalkulieren anders, es bleibt weniger übrig. Eigentlich gut, aber für den De-Cent-Laden schlecht. Denn so muss der SKFM mehr Lebensmittel zukaufen.

Auch interessant

Doch auch diese Rechnung geht kaum noch auf, wie Marita Hill erläutert. Der SKFM sei für den De-Cent-Laden dringend auf Spenden angewiesen. Ohne Spenden können Bedürftige bald nur noch alle drei Wochen Lebensmittel im De-Cent-Laden einkaufen, erklärt Marita Hill. Zum einen können haltbare Lebensmittel gespendet werden – hier finden auch immer wieder Aktionen in Mendener Schulen statt – und zum anderen Geld: „Das ist für uns natürlich am einfachsten“, sagt Silvia Kaiser-Hacheney vom Vorstand des SKFM. Der Anspruch könne ohnehin nicht sein, alle Bedürftigen komplett zu versorgen, erklärt Marita Hill: „Es ist immer nur eine Entlastung.“

Auch interessant

„Ich muss da durch, vielleicht ist das eine Prüfung Gottes. Und bislang habe ich alle meine Schicksalsschläge gut weggesteckt.“

Emma (51)

Manchmal hadert Emma mit ihrem Schicksal, sie hat unter Depressionen gelitten. „Aber das hilft mir ja nicht, wenn ich da versinke“, sagt die Mendenerin. Bisweilen tue sich ein riesiges Loch auf, „wenn man nicht aufpasst, verliert man sich in diesem Loch.“ Doch Emma sucht immer wieder nach neuen Kraftquellen. „Ich muss da durch, vielleicht ist das eine Prüfung Gottes. Bislang habe ich alle meine Schicksalsschläge gut weggesteckt.“ Und die 51-Jährige blickt positiv in die Zukunft: „Ich helfe gerne anderen Menschen. Und ich hoffe, dass ich in ein paar Jahren wieder in der Altenpflege arbeiten kann.“

Wer den SKFM für den De-Cent-Laden mit einer Spende unterstützen möchte: DE 81 4455 1210 1800 0021 54.